Rettung des Achteckstadls in Vasoldsberg#
Von
Hasso Hohmann (Juni 2019)
Als ich 1965 von der Technischen Hochschule in Karlsruhe an die damalige TH in Graz wechselte, kannte ich noch keine Bauwerke mit Ziegelgittern. So fielen mir als von außen Kommenden schon sehr bald die vielen die Hauslandschaften der Steiermark stark prägenden Heubergeräume mit Ziegelgittern auf und ich fing an, sie zu fotografieren. Die Gitter finden sich an vielen Wirtschaftsgebäude bei Bauernhöfen mit Heuwirtschaft. Die aus Ziegeln oft sehr kunstfertig gefügten großen Gitterflächen an den Fassaden mit ihren vielfältigen Motiven sorgten für die notwendige Durchlüftung und damit für eine effektive Nachtrocknung des Heus nach der Heuernte.
Als ich versuchte, Literatur über diese Ziegelgitter zu finden stieß ich auf nur sehr wenige Arbeiten, in denen sie gerade einmal erwähnt wurden. In der Dissertation von Helga Harter über Giebelzeichen, die am Institut für Volkskunde in Graz betreut wurde, werden diese Gitter nicht einmal ignoriert, obwohl sehr viele in den Giebeln zu finden sind und gerade dort oft die Summer der kleinen Öffnungen ein IHS oder MARIA-Zeichen und auch viele andere meist christliche Symbole formen. Offensichtlich waren den Steirern diese Gitter so vertraut, dass sie diese nicht mehr wahrnahmen.
Noch bevor ich mein erstes Buch über diese Ziegelgitter 1975 herausbrachte, fuhr ich mit Rudolf Suppan aus Graz zu mehreren Dörfern in der Umgebung von Graz um Bauten mit Ziegelgittern zu suchen und zu fotografieren. So kamen wir auch nach Vasoldsberg südöstlich von Graz, wo natürlich der Achteckstadl gleich besonders ins Auge stach. Das Bauwerk war damals in schlechtem baulichem Zustand. Fast alle der unteren Gitter waren von Wandalen im mittleren Bereich zerstört. Möglicherweise wollte jemand den Stadl dadurch zum Einsturz bringen.
Dieser Achteckstadl ist eine Feldscheune, die eigentlich nur zur Zwischenlagerung von Heu diente. Von außen sieht das Bauwerk mit den vielen gut gestalteten Ziegelgittern in zwei Etagen wie ein achteckiges Baptisterium, eine christliche Taufkapelle aus. Wenn man den Bau genauer betrachtet, sieht man aber bald schon, dass er eine andere Funktion haben muss. An der Südwestseite und auch an der Nordostseite gibt es eine über die gesamte Höhe des Mauerwerks reichende Holzverschaltung mit doppelflügeligen Toren im Erdgeschoss und an der Nordwestseite findet sich ein kleineres Tor im oberen Bereich. So konnte man des Heu sehr schnell unten gleichzeitig von zwei Seiten und durch das kleinere Tor oben auch direkt vom hohen Heuwagen aus in den Dachbereich einbringen.
Im äußeren Sockel des Bauwerks finden sich mehrere flache Öffnungen, die eine gute Unterlüftung des Heus ermöglichen. Im Innern waren hierfür über aufgebockten Kanthölzern knapp nebeneinander gelegte Rundhölzer bis auf den innen vortretenden Sockel des Achteckbaues gelegt, auf denen das Heu lagerte. Von den Seiten konnte in jeder Richtung der Winddruck Luft durch das Heu drücken und so zur Nachtrocknung beitragen. Das war vor allem im Herbst notwendig, wenn die Nächte oft schon relativ kalt wurden und dadurch auch die im Heu eingeschlossene Luft Kondensationsfeuchtigkeit abgab. Wenn dann die entstehende Feuchtigkeit nicht entweichen kann, kommt es leicht zu chemischen Prozessen im Heu, die das Heu bis zur Entzündungstemperatur aufheizen können. Viele Scheunenbrände sind nicht auf Pyromanen, sondern auf solche chemischen Abläufe im Heu zurückzuführen.
Untersuchungen an den Ziegeln und auch am Dachstuhl des Stadls ergaben, dass die Ziegel offenbar aus mehreren Vorgängerbauten nach Abbrüchen wiederverwendet wurden. und zum Teil aus dem 18. Jh. stammen. Aber auch der Dachstuhl, bei dem unter der Spitze des Daches 16 Dachbalken in einem Punkt zusammengeführt werden, ist älter als der Stadl. Er stammt von einem überdachten Göpelwerk, mit dessen Hilfe unter Verwendung eines Ochsen, der im Kreis laufen musste, Wasser zum Schloss Klingenstein gepumpt wurde. Als dieses Göpelwerk durch eine modernere Pumpe ersetzt werden konnte, wurde der Dachstuhl des Objektes in dem Achteckstadl in Vasoldsberg wiederverwendet und gab dem Bau auch seine eigenwillige Form.
Da ich hörte, dass der Stadl abgetragen werden sollte, stellte ich umgehend beim Grazer Bundesdenkmalamt bei Ulrich Ocherbauer den Antrag auf Unterschutzstellung. Der Eigentümer, dem auch das Schloss Klingenstein gehört, ein Großgrundbesitzer, der als Aussiedler aus Südtirol in der Zwischenkriegszeit des 20. Jh. in die Steiermark kam, wollte aber auf die etwa 100 m2 Grundfläche am Eck eines seiner Felder seines Feldes nicht verzichten, obwohl die Gemeinde schon damals bereit war, ihm die Fläche mit dem Bauwerk abzukaufen, um diesen zu erhalten.
So schaltete der Eigentümer einen der zwei Staranwälte in Graz ein, den ich danach aufsuchte und mit dem ich ein langes Gespräch über die Besonderheit dieses Bauwerkes hatte. Ich bat ihn, seinen Auftraggeber von der Bedeutung diese Stadls zu überzeugen und für dessen Erhaltung zu plädieren. Ich hörte, dass das Gespräch mit dem Eigentümer zu keinem Ergebnis führte. Als dann eine Fallfrist im Verfahren verstrich, nach der das Bauwerk endgültig unter Schutz stand, dankte ich dem Zufall, der Fügung, dem Verständnis für die Sache wem auch immer?
Inzwischen ist der Achteckstadl zu einem Markenzeichen der Gemeinde Vasoldsberg geworden. Er wird immer wieder für Veranstaltungen verwendet. Es gab Tanzveranstaltungen, Ausstellungen darin und er sieht einfach auch geschlossen von außen sehenswert aus. Der Bürgermeister sondierte vor einigen Jahren, ob man ihn nicht auf den neuen Hauptplatz der Gemeinde verschieben könne. So etwas ist natürlich möglich, erfordert aber einen unverhältnismäßig großen Aufwand. Außerdem sollte man ein denkmalgeschütztes Bauwerk möglichst nicht von seinem Originalstandort trennen.