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Rettung des Karl-Böhm-Geburtshauses#


Von

Hasso Hohmann (Juni 2019)


Das Karl-Böhm-Geburtshaus von Nordosten gesehen.
Das Karl-Böhm-Geburtshaus von Nordosten gesehen.
Foto: © Hasso Hohmann

In den Sechziger- und Siebzigerjahren fuhr ich öfter mit dem Fahrrad im Zusammenhang mit benötigten Holzplatten von Graz Waltendorf quer durch die Stadt zur Firma Stark in die Ungergasse auf der westlichen Murseite. Auf dem Weg dorthin fiel mir westlich der Mur das Haus Kernstockgasse 21 neben dem Hotel Münchnerhof auf.

Das zweigeschossige Bauwerk wird heute gerne als “Böhm-Schlössl“ bezeichnet. Damals sah es sehr heruntergekommen und ungepflegt aus und war als “Rattenburg“ bekannt. Mich faszinierte das Bauwerk seiner verspielten Architekturelemente wegen. An der Nordostecke wird der Bau von einem höheren Türmchen mit einer Sonnenuhr an der Ostseite geprägt, ein weiteres, anders geformtes Türmchen steht über einem Nebeneingang an der Nordseite, noch weiter westlich dominiert ein langgestreckter Balkon die Fassade. Er lagert auf kräftig ausgeformten Kragelementen. Oberhalb des Haupteinganges bildet ein großer Bogen über dem Balkon eine Art Balkondach und wiederholt dabei die Form des Eingangsbogens unterhalb. Die vielen verspielten Dachgaupen und gegliederten Fenster weisen das Haus als ein typisches Architekturbeispiel aus der Zeit der Romantik im 19. Jh. aus.

Wie ich auf Anfrage erfuhr, handelt es sich um das Haus, in dem der weltberühmte Dirigent Karl Böhm geboren wurde. Karl Böhm war auch Vater von Karlheinz Böhm, der als Schauspieler besonders mit den Sissi-Filmen bekannt wurde und so das Bild Österreichs im Ausland stark mitprägte und auch mit seinem späteren Hilfsprojekt für Äthiopien “Menschen für Menschen“ für viel Aufsehen sorgte.

Mitte der 70er-Jahre fuhr ich wieder einmal an dem Haus schon früh am Morgen vorüber, als ich bemerkte, dass in der Dachhaut des offenbar unbewohnten Hauses mehrere Ziegel fehlten und aus der so entstandenen Öffnung leichter Rauch aufstieg. Daher hielt ich mit dem Fahrrad an und schaute ins Haus. In dem erdgeschossigen Raum östlich der Durchfahrt hatte irgendjemand einen Haufen Bauholz und viel Zeitungspapier aufgeschichtet und diesen Haufen offenbar gerade davor angezündet. Ich konnte leider niemand in dem verwinkelten Haus finden. Auch die Tür zur Durchfahrt stand offen, sodass ein gewisser Luftzug bis hinauf zum Dach entstand.

An der Straßenfassade im Norden sind im Dachbereich unterschiedlich geformte Dachaufbauten mit verzierten Spitzen zu erkennen.
An der Straßenfassade im Norden sind im Dachbereich unterschiedlich geformte Dachaufbauten mit verzierten Spitzen zu erkennen.
Foto: © Hasso Hohmann

Da ich das Feuer nicht selbst löschen konnte und höchste Gefahr für das Haus erkannte, eilte ich gleich wieder hinaus, verschloss die Tür zur Durchfahrt so gut wie möglich und rief von einem Geschäft schräg gegenüber die Feuerwehr, die glücklicherweise sehr schnell vor Ort war und den Scheiterhaufen gerade noch rechtzeitig löschen konnte, bevor der Brand auf die Decke und das Treppenhaus und damit zumindest auf weitere Teile des Hauses übergreifen konnte. Die geöffnete Tür unten und die herausgenommenen Ziegel in der Dachhaut hätten wohl einen relativ gut ziehenden Kamin bis ins Dachgeschoss ergeben.

Offensichtlich sollte das Haus “warm“ abgetragen werden. Das hätte für den Eigentümer in Angleichung an die fünfgeschossige Verbauung aus der Gründerzeit entlang der Elisabethinergasse gleich im Anschluss ums Eck wohl die Möglichkeit zur Errichtung eines sechsgeschossigen Neubaus ergeben, der sicher eine wesentlich höhere Rendite eingebracht hätte als dieses Spekulationsobjekt.

Beim Bundesdenkmalamt regte ich kurz danach bei einem Gespräch mit dem Landeskonservator für die Steiermark Ulrich Ocherbauer an, das Bauwerk unter Denkmalschutz stellen und sanieren zu lassen. Als der Bau bald danach tatsächlich saniert war, reichte das “Internationale Städteforum Graz“ das Objekt als eines der Vorzeigebeispiele für gelungene Sanierungen mit Bildern vor und nach der Sanierung zusammen mit einer Reihe weiterer Beispiele beim Europa-Nostra-Wettbewerb 1978 ein. Ein Jahr später erhielt Graz eine Europa-Nostra-Auszeichnung, bei der auch dieses Beispiel eine wichtige Rolle gespielt hatte.

Heute ist das Karl-Böhm-Geburtshaus, das “Böhm-Schlössl“, eines der Schmuckstücke westlich der Mur in einem Gebiet, das in den letzten Dekaden immer weiter aufgewertet wurde.

Der Balkon reicht bis zur Westfassade des Hauses ums Eck und schließt hier direkt an die hofseitig fünf Geschosse hohe Verbauung aus der Zeit des Historismus an. Links neben dem “Böhm-Schlössl“ folgt das Hotel Münchnerhof. Ganz links angeschnitten sieht man den Turm der Sankt-Andrä-Kirche.
Der Balkon reicht bis zur Westfassade des Hauses ums Eck und schließt hier direkt an die hofseitig fünf Geschosse hohe Verbauung aus der Zeit des Historismus an. Links neben dem “Böhm-Schlössl“ folgt das Hotel Münchnerhof. Ganz links angeschnitten sieht man den Turm der Sankt-Andrä-Kirche.
Foto: © Hasso Hohmann
Die Südseite des Hauses lässt mehrere Bauphasen des Komplexes erkennen. Der geräumige Garten wird inzwischen für den Kindergarten mitgenutzt.
Die Südseite des Hauses lässt mehrere Bauphasen des Komplexes erkennen. Der geräumige Garten wird inzwischen für den Kindergarten mitgenutzt.
Foto: © Hasso Hohmann
Die relativ kurze Ostfassade des “Böhm-Schlössls“ trägt eine Sonnenuhr. Hier gibt es auch einen offenen Durchgang zum Gartenareal im Süden des Hauses.
Die relativ kurze Ostfassade des “Böhm-Schlössls“ trägt eine Sonnenuhr. Hier gibt es auch einen offenen Durchgang zum Gartenareal im Süden des Hauses.
Foto: © Hasso Hohmann


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