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Rettung des Schützenhofes #


Von

Hasso Hohmann (Juni 2019)


Der im Foto an den Fassaden gelb gefärbte, zweigeschossige Schützenhof ist das älteste Gebäude in der gesamten Umgebung der Herz-Jesu-Kirche. Im Gegensatz zu den sonst meist dreigeschossigen, geschlossenen Blockrandverbauungen aus der Zeit des Historismus war der Schützenhof ursprünglich ein Solitärbau auf freiem Feld
Der im Foto an den Fassaden gelb gefärbte, zweigeschossige Schützenhof ist das älteste Gebäude in der gesamten Umgebung der Herz-Jesu-Kirche. Im Gegensatz zu den sonst meist dreigeschossigen, geschlossenen Blockrandverbauungen aus der Zeit des Historismus war der Schützenhof ursprünglich ein Solitärbau auf freiem Feld.
Foto: © Hasso Hohmann
Der Eingangsbereich in den Schützenhof wird von einem kleinen eingezäunten Garten geprägt, der vom Baukomplex auf drei Seiten umschlossen wird. Im Bild sieht man auch zwei der schmalen Spitzbogenfenster des kleinen Treppenhauszubaus
Der Eingangsbereich in den Schützenhof wird von einem kleinen eingezäunten Garten geprägt, der vom Baukomplex auf drei Seiten umschlossen wird. Im Bild sieht man auch zwei der schmalen Spitzbogenfenster des kleinen Treppenhauszubaus.
Foto: © Hasso Hohmann
Ein Teil der Fassade des Schützenhofs entlang der Naglergasse
Ein Teil der Fassade des Schützenhofs entlang der Naglergasse.
Foto: © Hasso Hohmann


1976 war ich noch Hochschulassistent an der heutigen Technischen Universität. Schon damals fuhr ich gewöhnlich mit dem Fahrrad von zu Hause in Graz-Waltendorf ins Institut an der Technischen Universität und auch wieder zurück. Zwischen TU und Waltendorfer-Hauptstraße boten sich mehrere Fahrtrouten an. Als ich am Freitag, den 17. September 1976 zu Mittag nach Hause wollte, wählte ich eine eher selten von mir gefahren Route durch die Naglergasse und kam so auch am Schützenhof an der Ecke zur Schützenhofgasse vorüber.

Dieser Bau war mir schon früher aufgefallen, weil er in einem sonst weitgehend homogen drei- bis viergeschossig verbauten Gebiet mit Blockrandverbauung aus der Zeit des Historismus mit ziegelgedeckten Satteldächern steht, selbst aber nur zwei Geschosse mit Walmdach aufweist und einige Besonderheiten wie einen Rücksprung von der Straßenflucht beim Eingang und zwei kleine Spitzbogenfenster bei einem Treppenvorbau zeigt. Diesmal fiel mir auf, dass fast alle Scheiben des mehrfach abgewinkelten Baues ohne Vorhänge waren und auch offensichtlich schon lange nicht mehr gereinigt wurden.

Das sah sehr nach baldigem Abbruch aus. Daher stoppte ich, fand die Eingangstür unversperrt und ging ins Gebäude. Auf dem hofseitigen Laubengang im Obergeschoss traf ich auf eine alte Dame, die ich fragte, wie das Bauwerk in diesen Zustand kommen konnte. Sie sagte mir, sie sei schon 84 Jahre alt und habe ihr gesamtes Leben in diesem Gebäudekomplex verbracht. Sie müsse aber nun ausziehen, da er abgebrochen werde. Sie müsse am Montag in der Früh nach diesem Wochenende beim Betreiber noch eine Unterschrift leisten und bekäme dann eine Ersatzwohnung in einem Neubau des Betreibers. Das gleiche gelte für den zweiten Bewohner Herrn Mondschein, der im Erdgeschoss noch eine Wohnung mit einem unbefristeten Mietvertrag habe. Ich fragte sie, ob so denn überhaupt ausziehen und in die Neubauwohnung umziehen wolle, was sie verneinte. Gleiches gelte auch für den zweiten Nochbewohner.

Dieses Foto zeigt die Nähe zum Turm der Herz-Jesu-Kirche. Diesem einzigartigen Sakralbau sollte mit dem Neubauprojekt ursprünglich ein 12 Geschosse hoher sehr breit angelegter Turm ohne jede architektonische Qualität entgegengesetzt werden
Dieses Foto zeigt die Nähe zum Turm der Herz-Jesu-Kirche. Diesem einzigartigen Sakralbau sollte mit dem Neubauprojekt ursprünglich ein 12 Geschosse hoher sehr breit angelegter Turm ohne jede architektonische Qualität entgegengesetzt werden.
Foto: © Hasso Hohmann

Alle anderen Bewohner des Komplexes seien schon ausgesiedelt worden. Viele hätten auch um ihre Sicherheit bereits gebangt. Es habe schon zwei ungeklärte Wasserrohrbrüche durch Sabotage gegeben, die durch Aufsägen von Leitungen entstanden und auch eine Brandlegung, bei der die gerufene Feuerwehr erst die versperrte Tür habe aufbrechen müssen, um den Brand löschen zu können. Ich riet ihr dennoch, am nächsten Montag nicht zu unterschreiben, und dies auch Herrn Mondschein zu empfehlen. Niemand könne sie zu so etwas zwingen. Dann versprach ich ihr, dass ich versuchen werde, mehr über den Bau herauszufinden und möglichst noch jemanden bei der “Kleinen Zeitung“ zu motivieren, der noch für die Wochenendausgabe etwas über den Bau schreibt. Ich konnte ihr natürlich nichts versprechen. Als ich von ihr hörte, dass an Stelle des Schützenhofes nun ein 12 Geschosse hohes Monster unweit der Herz-Jesu-Kirche entstehen sollte, war ich noch motivierter. Ich machte mir eine generelle Skizze vom Objekt.

Danach fuhr ich nicht nach Hause, sondern drehte um und steuerte als erstes das Grazer Stadtmuseum an, wo ich gerade noch Direktor Steinböck antraf, der mich ins Archiv ließ, wo ich eine Lithographie des Schützenhofes aus der Zeit um 1830 und einige ältere Fotos und auch einen Grundriss des Erdgeschosses fand, die ich kopierte. Danach fuhr ich nochmals ins Institut um meine Skizze zu einer Art Baualtersplan zu Papier zu bringen, wofür ich nicht sehr lange brauchte.

Mit all diesen Unterlagen fuhr ich dann mit bereits stark knurrendem Magen zur Redaktion der Kleinen Zeritung und suchte Max Mayr, der schon mein 1975 veröffentlichtes Buch über Ziegelgitter rezensiert und beworben hatte. Er war da, wusste schon länger von den Abbruchabsichten des neuen Eigentümers und hatte sogar ein Modellfoto des inzwischen auf 11 Geschosse reduzierten und bereits baubewilligten Projektes. Einziger Hinderungsgrund für den Baubeginn waren noch die letzten Bewohner im Schützenhof mit unbefristeten Mietverträgen.

Als Chef vom Dienst der Zeitung schlug er mir angesichts der Eile vor, dass wir gleich gemeinsam einen Artikel über das Bauwerk für die folgende Sonntagsausgabe formulieren. Der sollte dann gerade noch rechtzeitig vor den geplanten Unterschriften und dem dann folgenden Abbruch erscheinen. Der ganzseitige Zeitungsartikel erzielte den gewünschten Effekt. Am Montag nach dem Artikel und nach der Weigerung der letzten zwei Mieter, die vorbereiteten Verträge zu unterschreiben, rief mich der neue Eigentümer Alfred Marek erbost an und fragte mich nach meiner Namensnennung grußlos: “Welcher Mafia gehören Sie eigentlich an?“ Der Neubau konnte nun nicht mehr errichtet werden. Statt dessen durfte hier nun nur noch eine bestehende Baulücke zwischen Schützenhof und der historistischen Bebauung in der Naglergasse mit einem viergeschossigen Bauwerk geschlossen werden.

Die Sanierung des Altbaus wurde leider nicht wirklich optimal durchgeführt. Dennoch waren die letzten Bewohner im Schützenhof und auch alle in der gesamten Gegend wohnenden Nachbarn froh, dass das Monster nicht errichtet werden konnte. Der Zufall hatte gewollt, dass ich zum richtigen Zeitpunkt zum Schützenhof kam und entsprechend auf die Situation reagieren konnte.

Die Lithographie aus der “Kaiser-Suite“ von Alexander Kaiser (1825/1835), die den historischen Schützenhof noch allein auf freiem Feld darstellt. Rechts davon sieht man das im Kern aus dem 13. Jh. stammende Hallerschloss, das ursprünglich Schloss Sparbersbach hieß
Die Lithographie aus der “Kaiser-Suite“ von Alexander Kaiser (1825/1835), die den historischen Schützenhof noch allein auf freiem Feld darstellt. Rechts davon sieht man das im Kern aus dem 13. Jh. stammende Hallerschloss, das ursprünglich Schloss Sparbersbach hieß.
Original: Stadtmuseum Graz
Dieses nicht datierte Aquarell der bekannten Künstlerin Maria Assunta Arbesser (1884-1971) stellt den Schützenhof von Nordwesten gesehen mit seinem abgewinkelten Erker dar. Es zeigt, dass das Hofniveau ein gesamtes Stockwerk weiter herunterreicht, als das Straßenniveau, das offenbar angeschüttet wurde – ein deutliches Zeichen für das hohe Alter des Schützenhofs
Dieses nicht datierte Aquarell der bekannten Künstlerin Maria Assunta Arbesser (1884-1971) stellt den Schützenhof von Nordwesten gesehen mit seinem abgewinkelten Erker dar. Es zeigt, dass das Hofniveau ein gesamtes Stockwerk weiter herunterreicht, als das Straßenniveau, das offenbar angeschüttet wurde – ein deutliches Zeichen für das hohe Alter des Schützenhofs.
Original: Stadtmuseum Graz
Diese Ansicht des Schützenhofes von Nordwesten im Jahr 1976 aufgenommen ähnelt dem Aquarell und zeigt ebenfalls, dass der Keller des Baukomplex im Hofbereich ein freiliegendes Stockwerk ergibt
Diese Ansicht des Schützenhofes von Nordwesten im Jahr 1976 aufgenommen ähnelt dem Aquarell und zeigt ebenfalls, dass der Keller des Baukomplex im Hofbereich ein freiliegendes Stockwerk ergibt.
Foto: © Hasso Hohmann
Die Südwestfassade des Schützenhofes zeigt auch den Erker im Hofbereich und den nahen Turm der Herz-Jesu-Kirche im Hintergrund
Die Südwestfassade des Schützenhofes zeigt auch den Erker im Hofbereich und den nahen Turm der Herz-Jesu-Kirche im Hintergrund.
Foto: © Hasso Hohmann
Die rückspringende Eingangssituation an der Naglergasse 1976 von oben aus dem dritten Geschoss des Hauses Naglergasse 57 gesehen
Die rückspringende Eingangssituation an der Naglergasse 1976 von oben aus dem dritten Geschoss des Hauses Naglergasse 57 gesehen.
Foto: © Hasso Hohmann
Der Schützenhof 1976 von Osten gesehen vor seiner Sanierung
Der Schützenhof 1976 von Osten gesehen vor seiner Sanierung.
Foto: © Hasso Hohmann