Steyregg-Grein-Krems#
Montag 20. August 2012#
Ich schlief, so wie die letzten Tage mit einem Schlafpulver. Die Jalousie verdunkelte den Raum sehr gut. Das Zimmer war mit hellem Holz getäfelt. Die Einrichtung war einfach.
Trotz des abgedunkelten Zimmers wurde ich vor sieben Uhr, bevor mein Wecker läutete, wach und ich stand auf. Das Frühstück war ausreichend. Hier gab es nur Radfahrer als Gäste. Alle machten sich für die Abfahrt fertig. Eine große Gruppe hatte ihre Räder schon im Freien aufgestellt. Sie kamen aus dem Weinviertel und fuhren nach Passau. Als ich ihnen meine Route erklärte waren sie tief beeindruckt.
Das Hotel lag in einem Industriegebiet nahe der Donauauen. Als ich losfuhr war es noch relativ kühl. Die Wetterprognose des morgendlichen Radioprogramms kündigte aber einen heißen Tag an.
Wie so oft, bin ich mich gleich am Morgen verfahren. Ich fuhr am Stauwerk vorbei und kam so in eine Sackstraße. So machte ich gleich zu Beginn unnötige Zusatzkilometer. Indem ich dann auf der Landstraße nach Mauthausen fuhr, machte ich den Umweg wieder wett. Es war viel Autoverkehr, aber nicht auf meiner Seite, sondern in Richtung Linz. Jetzt um ½ 9 Uhr morgens fuhren sie zu ihrer Arbeit.
Mauthausen ist eine schöne Stadt direkt am Fluss. Durch das Konzentrationslager hat sie ein schlechtes Image und man berichtet nie von den schönen mittelalterlichen Häusern der Stadt. Ich wollte Mineralwasser kaufen um für die Tageshitze gewappnet zu sein. Bei einem Bäcker gab es nur kleine Flaschen. Die Verkäuferin verwies mich auf ein Einkaufszentrum nach dem Stadtzentrum. Dort kaufte ich dann auch Bananen. Der Radweg verlief entlang der Donau und teilweise in der Au. Als ich auf den Damm hinaus musste spürte ich den starken Ostwind. Sogar der am Lenker hängende Helm wurde mir vom Wind gegen die Knie geschlagen.
Dann kam das Donaukraftwerk Wallsee. Hier habe ich als Student und freiberuflicher Journalist meinen ersten größeren Bericht geschrieben. Ich bekam eine ganze Seite in der Beilage. Es war die erste Beilagenseite. Ich textete und mit meinem einfachen Fotoapparat lieferte ich die Fotos. Das war auch mein größtes Honorar damals.
Bei einem Dorf rastete ich im Schatten eines Baumes auf einer Bank. Rundherum Felder und in der Ferne schaute der Kirchturm aus den Maisfeldern heraus. Ich trank mein eben gekauftes Getränk und schrieb am iPad. In der Karte sondierte ich die weitere Fahrtstrecke. Ein vorbei-fahrender Inder fragte mich nach dem Weg und einer Empfehlung, welche Donauuferseite die bessere zum Fahren sei.
Eigentlich wollte ich heute Nichts mehr aufschreiben. Ich bin zu müde. Es war ein anstrengender Tag, obwohl ich jeden Tag besser werde. Nicht so wie ich es erwartet hatte. Ich dachte nach einigen Tagen würde ich einen Rasttag brauchen. Dem ist nicht so. Ich schaffe es immer leichter, obwohl ich die Tour in umgekehrter Reihenfolge dann mit der Bezwingung der Silvretta nicht mehr schaffen würde. Ich bin gut in Ausdauer, aber nicht mit Kraft. Inzwischen habe ich auch eine genaue Tageseinteilung. Ich versuche Vormittag zwei Drittel des Tagespensums zu machen und so bleibt mir am Nachmittag weniger. Die dritte Etappe kann ich dann auch langsamer machen und wie die letzten Tage gezeigt haben ist das bei der großen Hitze auch notwendig. Meine aktiven Abschnitte sind jeweils 40 Kilometer. Nach 20 Kilometern mache ich eine kurze Pause und nach 40 eine längere und da kehre ich auch wo ein. Nicht wegen mir, sondern wegen dem Akku meines Mobiltelefons, der leer wird und den ich in einem Gasthaus auflade. Das hat bis jetzt immer so funktioniert. Das Ende der zweiten Etappe ist mein Mittagessen.
Der heutige Tag begann in diesem Discount Hotel. Es war nicht schlecht, aber hält nur das Minimum.
In Ybbs fotografierte ich mich selbst auf der Staumauer und verschickte das Bild an Freunde. Es wurde aber ein Meuchelfoto. Für Seppl habe ich seine Heimatstadt Ybbs geknipst und später gemailt. An der Burg Persenbeug, wo meine Militärkameraden und Mitbewohner des Zimmers Michael und Johann Habsburg-Lothringen wohnen fuhr ich vorbei. In meiner Militärzeit in Salzburg durfte ich zum Wochenende öfter mit den Beiden bis Persenbeug mitfahren. Hier holte mich mein Vater oder mein Chef, der Baumeister Kargl ab.
Auch Persenbeug hat einen schönen Ortskern, der nicht oder wenig bekannt ist. Es war brütend heiß. Ich musste nun einer langen Schleife der Donau folgen. Im nächsten Ort war ein Gasthaus angekündigt, das dann aber geschlossen war. Ich musste weiterfahren. Auf der Bundesstraße dann ein weiteres Wirtshaus. Ich verließ den Radweg und fuhr hinaus zur Straße und zu dieser Einkehr. Ich ging in die Gaststube und diese war leer. Plötzlich tauchte ein Frauenkopf hinter einem Tisch auf. Die Wirtin hatte geschlafen. Sie stand auf und bot mir ein Gulasch an. Ich bestellte dazu meinen gespritzten Apfelsaft. In der Wirtsstube war es zwar kühl, aber es stank. Ich ging dann hinaus in den Garten und setzte mich unter eine Weinlaube. Die Wirtin entschuldigte sich, dass sie geschlafen hatte. Die Hitze mache ihren Kreislauf kaputt. Das Gulasch war nicht gut. Ich aß es, weil mein Körper – so meinte ich – für die bevorstehenden Kilometer Kalorien braucht.
Ein alter Mann kam mit einem kleinen Kind und sie begannen in der Laube Trauben zu pflücken.
Ich machte mich wieder fertig zur Weiterfahrt. In der nächsten Ortschaft gab es viele und nette Gasthäuser. Oben am Berg stand die Wallfahrtskirche Maria Taferl. Bis zu meinem Tagesziel Krems waren es aber noch über 50 Kilometer. Vor allem in der Nachmittagshitze war das noch viel. Bald sah ich aber das Stift Melk.
Meine Probleme waren nicht die fehlende Kondition, nicht die unzureichende Kraft oder Muskelprobleme, sondern das Ein-schlafen der Finger. Vom langen Halten am Lenker des Rades schliefen die Hände und vor allem die Finger beginnend vom kleinen. Der Daumen und der Zeigefinger sind kribbelfrei. Die Finger wachen auch am Abend und in der Nacht nicht mehr auf. In der Nacht kribbeln sie noch, so wie eben eingeschlafene Finger sich anfühlen. Als hätte man in Brennnessel gegriffen.
Liesl, die Frau von Leo, die mich heute massiert hat meinte, dass das auch von der Wirbelsäule kommen könnte.
Die Wachau ist nicht nur ein Teil meiner Heimat, sie ist auch der schönste Teil meiner Radreise. Jedes Dorf schöner als das andere. Oben thront die Burg Aggstein. Unten die Dörfer, in denen ich schon sehr oft war und die immer wieder schön sind. Spitz, Weißenkirchen, Joching, Dürnstein, Loiben. In Spitz kaufte ich wieder Mineralwasser. Bedingt durch die Hitze war das heute schon meine zweite. Ein arabisches Ehepaar mit Kind – sie verschleiert und er in kurzer Hose – kauften auch ein. Die Verkäuferin behandelte sie aber normal und war auch freundlich. Unsere Gesellschaft wird langsam doch liberal.
Ich freute mich schon auf die Wachauerstuben in Loiben und die guten Marillenknödel. Umso enttäuschter war ich, als diese geschlossen waren. Bei einem späteren Besuch sagte mir der Wirt „Es war so heiß und deswegen haben wir früher zugesperrt.“
Ich fuhr also durch bis zu meinem Tagesziel nach Krems. In Stein hatte ich telefonisch mein Quartier reserviert. In der Pension Einzinger. Meine amerikanischen Gäste an der Donau-Universität waren immer begeistert. Sie glaubten in einem Museum zu wohnen. Und so war es auch. Ich läutete am großen barocken Tor. Oben schaute ein Mann aus dem Fenster und sagte, dass ich an der kleinen Kette anziehen solle. Dann komme ein Schlüssel aus dem Inneren heraus und ich könne aufsperren. So tat ich und steckte, als das Tor offen war, den Schlüssel wieder in sein Loch nach innen.
Die Einfahrt war so, als wäre die Zeit stehen geblieben und wir hätten das 19. Jahrhundert. Ein Renaissanceinnenhof mit Arkaden rundherum und über drei Stockwerken.
Der Besitzer, Herr Einzinger gab mir Anweisung, wo ich mein Rad abstellen konnte. Dann fragte er mich, ob ich ein warmes oder ein kaltes Zimmer wolle. Die heißen seien oben unter dem Dach. Natürlich entschied ich für das kühle und das war es auch. Vom Gang ging man hinein. Es hatte ein Gewölbe. Dahinter ein Bad und ein Klo. Sehr gefühlvoll in den alten Bau eingegliedert. Das Zimmerfenster ging auf den Gang hinaus. Es war wirklich angenehm drinnen. Ich duschte und zog mich an, weil ich bei Liesl Zogmayer einen Massagetermin bekam. Mit dem Rad fuhr ich hinunter nach Krems in die Lederergasse. Leo war zu Hause. Er ist ein guter Schulfreund von mir. Ein erfolgreicher Künstler. Er entschuldigte sich, dass er keine Zeit habe, weil er noch nach Wien fahren muss und sich alles herrichtet.
Liesl massierte mich eine ganze Stunde. Das tat gut. Die eingeschlafenen Finger wachten aber nicht auf.
Nachdem ich die Massage bezahlt hatte blieben mir nur mehr fünf Euro. Als ich Geld ab-heben wollte verweigerte das der Bankomat. Es seien nur 42 Euro verfügbar. Ich versuchte Hanne-lore zu erreichen. Sie war in den letzten Tagen nur mit ihrem Enkelkind beschäftigt und hat auf die Finanzen vergessen. Ich hatte kein Geld. Ich probierte es an mehreren Geldautomaten, aber ohne Erfolg. Hannelore riet mir, bei Opa Geld auszuborgen.
Ich war schon etwas panisch, weil ich ja noch etwas Essen sollte und auch morgen das Zimmer bezahlen muss. Peinlich, wenn ich kein Geld habe. Ich fuhr zu Opa. Das Heim war schon gesperrt. Eine Frau sperrte mir auf. Das heißt, sie bat mich aufzusperren, weil sie es nicht konnte. Ich läutete mehrmals. Einmal rief er, aber dann war es wieder ruhig. Die alte Dame kam vorbei und meinte „Der Herr Schaller geht schon früh schlafen. Der macht nicht mehr auf.“ So war auch diese Chance vertan. Dann ein neuer Versuch. Ich ging wieder zur Bank und versuchte es mit den Kreditkarten. Am Telefon war Hannelore und diktierte mir die Codes. Erst die dritte Karte funktionierte und spendete mir 200 Euro. Nun war ich wieder liquid.
Nun konnte ich auch essen gehen.
Nach dem Abendessen im Gasthaus Elefant, gleich gegenüber von meiner Pension ging ich noch zum Heurigen. Der Besitzer ist ein Schwede. Er hat hier in einen alteingesessenen Steiner Hauer-betrieb eingeheiratet. Alle waren damals skeptisch. Er hat sich aber gut eingelebt. Seine Töchter sind alle blond und servieren. Der Wein ist sehr gut. Es gab zwei verschiedene Riesling, wobei einer 1,5 und der andere 3,5 Euro kostete. Ich fragte den Unterschied. Es war ein Herumgerede. Ich bestellte zuerst den billigen, der ausgezeichnet schmeckte. Einer der besten, den ich heuer getrunken habe. Dann bestellte ich den teureren. Der war auch sehr gut und sehr voll, aber er hatte nicht die Leichtigkeit des ersten. Da ich im Gasthaus schon ein Krügerl Bier getrunken hatte ging ich beschwingt nach Hause. Jetzt musste ich den Hintereingang nehmen. Das Haupttor war schon zugesperrt, beziehungsweise der Schlüssel in der Lucke war eingezogen.
Ich schrieb noch am iPad. Als ich mir aber durch ein Versehen dann den Großteil wieder löschte, oder dieser verschwand, schloss ich die Arbeit um nicht noch mehr zu zerstören und ging ins Bett.