Beliebte Beistrichfehler in Briefen#
Mit freundlicher Genehmigung aus der Wiener Zeitung, (Mittwoch, 1. April 2009)
Von
Robert Sedlaczek
Manchmal entsteht der Eindruck: Alles ist möglich. Das Sprachgefühl sagt mir, es ist egal, ob ich einen Beistrich setze oder nicht. Aber der Schein trügt.
Herta will wissen, ob in den klassischen Schlussformeln eines Geschäftsbriefes ein Komma steht. Mit Kolleginnen hat sie unlängst darüber gestritten. „Ich hoffe (,) Ihnen damit gedient zu haben (,) und verbleibe mit besten Grüßen.“ Sind die Kommas notwendig? Aus grammatikalischer Sicht geht es um eine Infinitivgruppe mit zu. Die einfachste Form dieser Art wäre zu dienen. Dann würde der Satz so lauten: „Ich hoffe (,) Ihnen damit zu dienen (,) und verbleibe mit besten Grüßen.“ „So kann ich keinen Geschäftsbrief beenden, das klingt ja komisch.“
„Das ist mir schon klar, aber es hilft uns weiter. Dein Sprachgefühl wird dir sagen: Hier kann ein Komma stehen, es muss aber nicht sein. Richtig ist also beides: ‚Ich hoffe Ihnen damit zu dienen und verbleibe mit besten Grüßen‘ und ‚Ich hoffe, Ihnen damit zu dienen, und verbleibe mit besten Grüßen.‘ Genauso verhält es sich bei der Infinitivgruppe gedient zu haben. Es kann ein Komma stehen, dieses ist aber nicht verpflichtend.“
Herta schaut mich verwundert an. „Also kann ich in diesem Fall gar keinen Fehler machen?“
„Oh ja! Oft kannst du lesen: ‚Ich hoffe Ihnen damit gedient zu haben, und verbleibe mit besten Grüßen.‘ Das ist falsch. Wenn nach der Parenthese, also nach dem Einschub, ein Komma steht, dann muss auch am Beginn ein Komma stehen. Viele setzen vor und das Komma, vergessen es aber am Beginn.“
„Soll ich also zwei Beistriche machen? Oder gar keinen? Was rätst du mir?“
„Es gilt der Grundsatz: Wenn Kommas nicht notwendig sind, dann verzichtet man auf sie. Wenn Kommas dazu beitragen, dass der Satz besser zu verstehen ist, dann setzt man sie. Dir würde ich raten, die beiden Kommas zu setzen. Mit zwei Beistrichen bist du fein raus. Jeder wird zufrieden sein. Verzichtest du auf die beiden Kommas, dann wird es ein paar ganz Gescheite geben, die sagen: ‚Das ist falsch. Da gehören Kommas hinein.‘ Es entsteht also ein Diskussionsbedarf, du musst dich gegenüber deinem Chef rechtfertigen. Wozu?“
„Ich kann ihm diese Kolumne zeigen . . .“
„Wenn du sie gerade parat hast. Besprechen wir noch kurz einen anderen Satz, und zwar mit nachgestellter Infinitivgruppe. ‚Wir bitten (,) den Fehler zu entschuldigen.‘“
„Das Komma ist sowas von unnötig . . .“
„Genau. Aber auch in diesem Fall ist es dir freigestellt, den Beistrich zu setzen oder auf ihn zu verzichten. Das Zeitwort bitten funktioniert in diesem Fall wie ein Modalverb, also wie brauchen, scheinen, pflegen. Normalerweise verzichten wir dann auf das Komma: ‚Sie brauchen nicht zu antworten.‘ Wenn die Sätze länger werden, haben die Beistriche eine Berechtigung. ‚Ich möchte Sie mit großem Nachdruck bitten (,) den Brief möglichst rasch und ausführlich zu beantworten . . .‘“
„Na, dann ist ja alles paletti. Oder kommst du jetzt wieder mit Ausnahmen . . .“
„Das muss ich. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Kommas bei Infinitiven mit zu generell freigegeben sind. Es geht um Satzteile, die auf sich allein gestellt nicht vollständig sind. Erst durch die nachgestellte Infinitivgruppe mit zu entsteht der eigentliche Sinn. ‚Sie hat die Absicht, so früh wie möglich in Pension zu gehen.‘ Jeder sieht sofort: ‚Sie hat die Absicht‘ – das ist unvollständig. Die Infinitivgruppe ‚in Pension zu gehen‘ bezieht sich nämlich auf ‚Absicht‘. Ein anderes Beispiel: ‚Er denkt daran, eine neue Firma zu gründen.‘ Auch hier muss (!) ein Beistrich stehen.“
„Ich danke für das Gespräch und verbleibe mit besten Grüßen!“
Robert Sedlaczek ist der Autor zahlreicher Bücher über die Sprache, zum Beispiel: „Das österreichische Deutsch“.