Der berühmteste aller Tiroler#
Sein Abwehrkampf gegen napoleonische und bajuwarische Truppen machte ihn zum Volkshelden: Zum 250. Geburtstag von Andreas Hofer.#
Von der Wiener Zeitung (Samstag, 18. November 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Reinhard Olt
Die Tiroler verehren ihn. Ganz gleich, ob sie in Nord- und Osttirol (österreichisches Bundesland Tirol) oder im von Italien 1918 annektierten und ihm im Vertrag von Saint-Germain-en-Laye 1919 zugesprochenen südlichen Landesteil (Autonome Provinz Bozen-Südtirol) aus Anlass seines bevorstehenden 250. Geburtstags seiner gedenken: Andreas Hofer gilt ihnen als Volksheld gemeinhin.
Selbst in der Provincia Autonoma di Trento, mit der Bozen-Süd-tirol durch Schläue und Hinterlist des damaligen italienischen Regierungschefs Alcide De Gasperi 1948 in die RegioneAutonoma Trentino-Alto Adige gezwungen worden war - genießt Hofer über die in den letzten Jahren wieder entstandenen Kompanien des Welschtiroler Schützenbundes heldische Verehrung.
Woher dies rührt? Vor allem ist der Name Hofers mit dem Tiroler Volksaufstand gegen die napoleonischen und bajuwarischen Usurpatoren verbunden. In die Wiege war ihm dies nicht gelegt worden. Der Hofer Andrä - in geburtsregisterlicher Nomenklatur Andreas Nikolaus Hofer - wurde am 22. November 1767 gegen Mitternacht als jüngstes von sechs Kindern am Sandhof im Passeiertal geboren. Seine Mutter starb 1770, woraufhin sein Vater neuerlich heiratete. Als auch er 1774 verstarb, erbte Andreas, der einzige Sohn, den verschuldeten Hof sowie das damit verbundene Wirtshaus; aus des Vaters erster Ehe waren "nur" drei Schwestern, aus der zweiten eine Stiefschwester hervorgegangen.
Knecht und Dienstbote#
Von seinem 20. Lebensjahr an war er "der Sandwirt", bei dem Säumer und Wanderhändler ebenso einkehrten wie Fuhrleute, die von Nord gen Süd (vice versa) unterwegs waren und in seinem Stall Ochsen und Pferde unterstellten. Der Weg von Sterzing über den Jaufenpass durch das Passeiertal nach Meran galt damals als wichtige Verbindung und Teilstrecke auf der für den transalpinen Handel bedeutenden Brennerroute. Dem jungen Hofer kam zugute, dass er sich nach Volksschulbesuch - Kaiser Josef II. führte 1774 in allen Erblanden die Schulpflicht ein - im benachbarten Welschtirol als Knecht und Dienstbote verdingt und daher das dort gängige italienische Idiom gelernt hatte.
Neben seinem Dasein als Bauer und Wirt - er hatte 1789 die um zwei Jahre ältere Anna Gertraud Ladurner aus Algund geheiratet und mit ihr sechs Mädchen und einen Sohn gezeugt - betätigte sich Andreas Hofer vornehmlich als Händler. Dieses Geschäft betrieb er vor allem mit den "Walschen", wie die Italiener bisweilen heute noch von Tirolern genannt werden, im benachbarten trientinischen Teil des Habsburgerkronlands. Aus seinen eigenen Aufzeichnungen geht hervor, dass er mit Pferden, Ochsen, Kleinvieh, Wein und Branntwein handelte. Meist bezog er Vieh aus dem ungarischen Reichsteil, nicht selten aus "Oberungarn", der heutigen Slowakei. Auf seinem Rückweg aus dem Inntal fasste er mitunter zudem Salz aus der Saline in Hall, damals ein kostbares, nahezu mit Gold aufgewogenes Gut.
Sohin viel unterwegs, war Hofer über die Lage im von Napoleon bedrängten Habsburgerreich sowie über die Stimmung in seiner von des französischen Eroberers bayerischen Vasallen unmittelbar bedrohten Heimat bestens im Bilde. In ersten militärischen Berührungen kämpfte der Korporal Andreas Hofer 1796 in einer Meraner Kompanie gegen Napo-leons Truppen, die von Oberitalien ins südliche Tirol zogen. Im August desselben Jahres stellten die Passeirer eine eigene Talschaftskompanie auf, in welcher der Sandwirt als "Oberleutnant vom Schießstand Passeier" aufscheint. Im Jahr darauf führte er als Hauptmann eine Landsturmkompanie nach Meran, rückte gegen Jenesien oberhalb von Bozen vor und nahm an Gefechten gegen die Franzosen teil, die sich zur Räumung Bozens gezwungen sahen und nach Brixen auswichen.
Aufstandspläne#
Von Dezember 1805 (Vertrag von Schönbrunn) an gehörte Tirol zu Bayern. Die wirtschaftliche Lage spitzte sich zu, was besonders Händler und Wirte zu spüren bekamen. Befreundete Wirte weihte Hofer in Aufstandspläne ein, welche er mit seinen bedeutendsten Mitstreitern - Josef Speckbacher, seine "rechte Hand", sowie Peter Mair, "Wirt an der Mahr" - entworfen hatte. Im Passeiertal, im Vinschgau, im Etschtal sowie am Nonsberg und am Sulzberg verschaffte er sich Bundesgenossen.
Anfang April 1809 kam es zur ersten Attacke: Auf Hofers Appell ließ ein einfacher Haufen Bauern zwei bayrische Kompanien in Sterzing festsetzen. Auch in Welschtirol fanden seine Aufrufe starken Anklang: reguläre kaiserliche Truppen und Aufständische, vor allem Passeirer Schützen, eroberten Trient, woraufhin die Franzosen bis zur südlichen Landesgrenze zurückweichen mussten.
Nach Scharmützeln deutsch- und welschtiroler Schützen Anfang Mai 1809 gegen französische Einheiten im Etschtal kam es zur Monatsmitte zu ersten Gefechten am Bergisel. Unmittelbar davor hatte Hofer ein Aufgebot von 5000 gut bewaffneten Schützen gen Norden abmarschieren lassen. Dessen erstes Aufeinandertreffen mit bayerischen Verbänden endete mit einem Sieg der Tiroler. Ein weiteres Gefecht am 29. Mai brachte keine Entscheidung; gleichwohl zogen die Bayern ins Unterinntal ab.
Mitte Juli 1809 wurde Hofer, Kommandant der Wehrverbände des südlichen Tirol, zum Oberkommandanten des ganzen Landes ernannt. Am 13. August kam es zur dritten Bergisel-Schlacht, welche wegen Erschöpfung und Munitionsmangel auf beiden Seiten ohne Entscheidung endete. Dennoch feierten die Tiroler ihren "Sieg". Zwei Tage danach übernahm der Sandwirt im Namen des Kaisers die Regierung des Kronlandes Tirol und zog als "Landesregent" in die Innsbrucker Hofburg ein, dem nicht militärisches oder diplomatisches Geschick zu dieser Position verhalfen, sondern den seine Landsleute als einen von ihnen akzeptierten und dem sie sich unterordneten.
Unmittelbar nach dem mit der Verheiratung seiner Tochter Maria Luise besiegelten Friedensschluss des österreichischen Kaisers Franz I. mit Napoleon (14. Oktober 1809) verließ der "Landesregent" die Innsbrucker Hofburg und war entschlossen, sich zu unterwerfen, ließ sich aber dann doch umstimmen. Während er sich in Matrei am Brenner aufhielt, endete das letzte Gefecht am Bergisel am 1. November mit der völligen Niederlage.
Tod in Mantua#
Hofer, der seine Tiroler neuerlich zu den Waffen rief, musste sich die folgenden Wochen in Verstecken verborgen halten, da auf seinen Kopf ein beträchtliches Lösegeld ausgesetzt war. Verraten von einem Landsmann, wurde er dann am 28. Jänner 1810 verhaftet und nach Mantua überstellt. Unmittelbar davor hatte er in einem Brief an Erzherzog Johann seine Enttäuschung darüber geäußert, "von Österreich im Stich gelassen worden zu sein".
Am 20. Februar 1810 wurde Andreas Hofer in Mantua füsiliert. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion exhumierten fünf österreichische Kaiserjäger unter Führung eines aus Freiburg/Breisgau (ehedem Vorderösterreich) stammenden Leutnants die sterblichen Überreste des auf dem städtischen Friedhof Bestatteten und verbrachten sie nach Innsbruck, wo sie seitdem in der Hofkirche ruhen. Markante Denkmäler in allen Tiroler Landesteilen zeugen von seinem Ruhm, und die jeweiligen Landesfeiern, die alle 25 Jahre in Erinnerung an 1809 begangen werden, tragen Volksfestcharakter. Der Fama zufolge soll Andreas Hofer während seiner Mantuaner Gefangenschaft den Liedtext "Ach Himmel, es ist verspielt" gedichtet haben. Angeblich auch habe er - nach zwölf Schüssen des aus sechs Soldaten bestehenden Exekutionskommandos - noch ausgerufen: "Ach, wie schießt ihr schlecht"; woraufhin ihn dessen Kommandant mittels Kopfschusses vom Leben in den Tod befördert haben soll. Immerhin nahm Julius Mosen diese Sentenz in die abschließende 6. Strophe seines 1831 verfassten Gedichts "Zu Mantua in Banden" auf, das Leopold Knebelsberger 1844 vertonte und das seit 1948 als "Andreas-Hofer-Lied" die gesetzlich fixierte Tiroler Landeshymne ist.
Reinhard Olt, geboren 1952, war viele Jahre Korrespondent der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Wien, wo er nunmehr lebt. Er lehrt an österreichischen und ungarischen Hochschulen. Zuletzt von ihm als Buch erschienen: "Standhaft im Gegenwind. Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes".