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Skizze zur kunsthistorischen Bedeutung des Grazer Domes#


Von

MMag. Alois Kölbl, Hochschulseelsorger


„Der Grazer Dom ist kein „Blender", keine aufgedonnerte Baupersönlichkeit, die auf den ersten Blick besticht und bestrickt, sondern ein schlichtes, bescheidenes, beinahe scheues Wesen, - ein Stück wertvolles Österreichertum - dem man erst fremd und ratlos gegenübersteht, das man aber, wenn man sich liebevoll mit ihm beschäftigt, von Tag zu Tag lieber gewinnt, weil man an ihm bei jedem Besuch eine neue Schönheit, einen verborgenen Reiz entdeckt."- Das schreibt einer, der es wissen muss: Rochus Kohlbach, langjähriger Dompfarrer und Autor des noch immer lesenswerten und gültigen Buches über den Grazer Dom aus dem Jahr 1948.

Kohlbach beschreibt akribisch die kunsthistorisch äußerst bedeutsame Ausstattung der Kathedralkirche aus verschiedenen Zeitaltern, die beim Eintreten des außen so schlichten Bauwerkes überrascht, und hebt dabei auch für heutige Deutung noch gültig vor allem drei Kunstwerke hervor: Das Gottesplagenbild an der Außenfassade der Kirche, die „Kreuzigung mit großem Gedräng" von Conrad Laib und die Brauttruhen der Paola Gonzaga, die als Reliquienschreine neben dem Triumphbogen aufgestellt sind. Natürlich müsste man auch -wie Kohlbach das tut und akribisch beschreibt - den monumentalen barocken Hochaltar nennen, der nicht nur einer der größten Altäre unseres Landes, sondern auch einer der im Zusammenklang von Skulptur, Architektur und Malerei einer der künstlerisch gelungensten ist und zumindest auf die beiden Seitenaltäre mit den Altarblättern von Giovanni Pietro de Pomis hinweisen. Insgesamt kann wohl gesagt werden, dass die Bedeutung des Grazer Domes gerade darin liegt, dass im prachtvoll ausgestatteten Innern eine selten zu findende Harmonie zwischen gotischer Architektur und barocker Ausstattung den Raum erfüllt.

Trotz seines leider sehr schlechten Erhaltungszustandes ist das dem Meister Thomas von Villach zugeschriebene, sogenannte „Gottesplagenbild" aus dem Jahr 1485 an der Südseite der Außenfassade mit seinen Stadtansichten von Graz, den Heiligen und der Trinität zu den bedeutsamsten Fresken der Steiermark zu zählen. Es zeigt in bewegten Szenen die Plagen des späten Mittelalters: Heuschrecken, Pest und Krieg.

Im Inneren muss man wohl die beiden Reliquienschreine zu beiden Seiten des Triumphbogens als die kostbarsten Ausstattungsstücke nennen. Ursprünglich handelte es sich bei den beiden Schreinen um Brauttruhen, die Paola Gonzaga als Hochzeitsgut aus Mantua nach Schloss Brück bei Lienz zur Hochzeit mit Graf Leonhard von Görz mitbrachte. Nach dem Tod des kinderlosen Ehepaares gelangten die Truhen in den Besitz des Stiftes Millstatt, das Erzherzog Ferdinand um 1598 den Jesuiten als finanzielle Basis zur Gründung ihrer Grazer Universität übergab. Als 1617 Papst Paul V. dem Grazer Dom Reliquien spendete, ließen die Jesuiten die beiden Truhen aus Millstatt holen. Auf den Truhen aus Eichenholz sind Elfenbeinreliefs angebracht, die die „Trionfi" Francesco Petrarcas zeigen, jedes einzelne der Reliefs lässt sich genau den Versen des Dichters zuordnen. Sie sind wohl im Umkreis des bedeutenden Renaissance-Künstlers Andrea Mantegna entstanden, der damals am Hof von Mantua tätig war.

In jedem Fall lohnt ein Aufstieg zur „Friedrichskapelle" über der ehemaligen Sakristei an der Nordseite des Domes, wo seit mehr als einem Jahrzehnt das 1457 entstandene Kreuzigungsbild des bedeutenden, aus Schwaben stammenden Meisters Conrad Laib Aufstellung gefunden hat. Der Meister hat an der Wende von der Gotik zur Renaissance, beeinflusst von niederländischer wie oberitalienischer Kunst zu einem individuellen Stil gefunden, der die vielfigurige Szene mit spürbarer Liebe zum Detail und der Ausdrucksstärke der individuell empfundenen Gesichter zu einem besonders kostbaren Andachtsbild verknüpft. Ursprünglich war dieses Bild wohl als Lettnerbild am Übergang zum Presbyterium angebracht und hat nun umgeben von der Architektur seiner Entstehungszeit einen würdigen und denkmalpflegerisch passenden Rahmen gefunden.