Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Fluch und Segen von Algorithmen und Ignoranten #

Wissenschafter diskutieren, ob und wie sicheres Wissen heute zustande kommen kann #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Tageszeitung Der Standard (Sonntag, 6. April 2014)


Google, Wikipedia, die Digitalisierung insgesamt, also die üblichen Verdächtigen, aber auch einige weniger übliche wie Publikationszwang, Misstrauen gegen alle Autoritäten oder Geld für Forschung von der falschen Seite: Die Komplexität bei der Gewinnung und Verbreitung von gesichertem Wissen nimmt zu, und so wundert es nicht, dass Experten sich dem Thema höchstens von vielen Seiten annähern können, aber keineswegs zu einem Konsens finden.

Rund zwei Dutzend Akademiker und Kommunikationsprofis, hauptsächlich aus Europa und den USA, kamen am Wochenende auf Einladung des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen, der Columbia Universität und des Social Science Research Council (beide in New York) zu einer Tagung nach Wien.

Deren Titel stellte bereits klar, dass akademisches Wissen bedroht ist. Aber wo und wie diagnostiziert man "threats to scholarly knowledge", und woher könnte Hilfe kommen? Einige der Teilnehmer sahen, wie zu erwarten, die Suchmaschinen als mindestens so viel Fluch wie Segen. Wenn Algorithmen die Spurensuche übernehmen, verlieren Forscher die Gatekeeper-Funktion, also die Entscheidung, welche Ergebnisse wie bedeutsam sind.

Andere Diskutanten, wie Alexander van der Bellen, sahen Google und Co eher als Hilfe und orteten Gefahr vielmehr darin, dass man als Forscher zunehmend den Vorlieben von Stiftungen, Regierungen oder Milliardären ausgeliefert sei. András Kornai (Ungarn) wiederum bezeichnete die Demokratisierung von Wissen als Unsinn, "weil die meisten Leute nichts wissen" und daher lieber nicht mitreden sollten. Da zudem so viele Ignoranten in höheren Positionen säßen, sei es ihm ganz recht, wenn Entscheidungsträger durch Algorithmen ersetzt würden. Cornelia Klinger (IWM) stellte in Rechnung, dass die Orientierung von Forschung an marktwirtschaftlichen Kriterien wesentliche informelle Aspekte wie kreativen Ideenaustausch außer Acht lasse. Und SSRC-Direktor Ira Ketznelson beklagte die Kooperation renommierter Unis wie Yale mit undemokratischen Partnern wie Singapur: Das sei eine wahre Bedrohung des Wissens. (mf)

Der Standard, Sonntag, 6. April 2014