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Der Schatz – und die Mühen – der Vielfalt #

Beim „dialogisch-konfessionellen Religionsunterricht“ sollen alle christlichen Schüler (und solche ohne Bekenntnis) gemeinsam über sich und andere Konfessionen und Religionen lernen. Eine erste Evaluation zeigt die Vorzüge, aber auch die Schwierigkeiten dieses Modells.#


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus der Wochenzeitschrift DIE FURCHE (Donnerstag, 7. September 2017)

Von

Doris Helmberger


Blick über Tellerrand Schüler und Eltern wünschen sich eine Ausweitung des Modells auch auf andere Religionen.
Blick über Tellerrand Schüler und Eltern wünschen sich eine Ausweitung des Modells auch auf andere Religionen.
Foto: https://pixabay.com

Die erste Schulwoche ist anstrengend. Für Religionslehrerinnen und -lehrer ist sie aber besonders starker Tobak: Bis Freitag müssen sie hoffen, dass sich die Zahl der Abmeldungen in Grenzen hält – und sich genügend Schüler mit entsprechendem (oder auch ohne) Bekenntnis finden. Grundsätzlich finanziert der Staat zwei Religionsstunden pro Woche. Nehmen weniger als zehn Schüler teil, die zugleich weniger als die Hälfte der Klasse darstellen, zahlt er nur noch eine. Finden sich nicht einmal drei Kinder in einer (auch klassen- oder schulübergreifenden) Gruppe, fallen diese um den Religionsunterricht um.

Minderheiten wie die evangelischen Kirchen in Österreich müssen seit jeher um Schüler ringen, doch auch die katholische Kirche sieht sich tendenziell schrumpfenden Zahlen gegenüber. Zugleich wächst die religiöse Vielfalt in den Klassen – und auch die Zahl der Schüler ohne Bekenntnis.

Dialog fördern, Identität stärken #

Um angesichts solcher Entwicklungen den konfessionellen Religionsunterricht zu bewahren und den Umgang mit Vielfalt zu fördern, hat man in Wien 2001 – nach deutschem Vorbild – den konfessionell- kooperativen Religionsunterricht (KoKoRu) gestartet, getragen von der Altkatholischen Kirche, den Evangelischen und Orthodoxen Kirchen sowie der katholischen Erzdiözese Wien. 2015/16 wurde schließlich in der Bundeshauptstadt der Modellversuch „dialogisch- konfessioneller Religionsunterricht“ gestartet. Die Idee dahinter: Alle christlichen Schülerinnen und Schüler einer Klasse sowie solche ohne Bekenntnis sollten gemeinsam ihre Dialogfähigkeit einüben und zugleich das Bewusstsein der eigenen Identität vertiefen. Die Kooperationsformen waren dabei unterschiedlich: An manchen Standorten gab es ein „Tandem“ in Form eines konfessionsübergreifenden Teameinen teachings zweier Religionslehrer, manchmal nur ein semesterweises Nacheinander („Semestertausch“) oder das „Gastmodell“, bei dem alle Schüler ausschließlich durch Religionslehrer einer Konfession unterrichtet wurden.

Wie all das von den Beteiligten aufgenommen wurde, haben nun Thomas Krobath (evangelischer Religionspädagoge sowie Vizerektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems) sowie Doris Lindner (ebenfalls KPH) evaluiert. Dazu wurden an vier Standorten Schüler-Gespräche geführt, Religionslehrkräfte interviewt bzw. um Projekt-Tagebücher gebeten und Eltern sowie Schulleitungen befragt. Die Ergebnisse sind durchaus aufschlussreich: So sprachen sich die Schülerinnen und Schüler größtenteils für dieses Modell aus (und zwar möglichst in Form des Teamteachings von Lehrern aller betroffenen Konfessionen), weil man durch die authentische Begegnung mit Andersglaubenden mehr über sich selbst und die anderen lernen könne, Vorurteile geringer würden und es positive Auswirkungen auf das Klassengefüge gäbe. (Wobei auch bedauert wurde, dass muslimische Klassenkollegen bei diesem Modell nicht mitmachen konnten.) Zugleich reagierten die Schüler aber auch sehr sensibel auf Unterrichtsveränderungen, etwa wenn sie sich bei einer anders konfessionellen Religionslehrerin nicht aufgehoben und in ihrer eigenen Konfessionalität nicht respektiert fühlten. Auch Sorge vor dem Vermischen von Inhalten oder dem Verlust einer vertrauten Lehrerin wurde geäußert. Die Art der Kommunikation und die Qualität der Absprachen der Lehrkräfte sei demnach für das Gelingen zentral, so die Evaluatoren.

Interessant waren auch die Rückmeldungen der Religionslehrpersonen. Sie drückten einerseits große allgemeine Zustimmung aus, weil durch dieses Modell ein wertvoller Beitrag für ein friedliches Zusammenleben in einer zunehmend pluralen Gesellschaft geleistet werden könne, die eigene Identität vermehrt reflektiert würde und – ganz pragmatisch – der konfessionelle Religionsunterricht leichter erhalten werden könne. Zugleich berichteten sie aber auch von zahlreichen Herausforderungen. Die nötige Vorbereitung und Absprache mit den Kollegen sei sehr aufwändig, außerdem müssten interkonfessionelle Teams „gut miteinander können“. Weil es zudem kaum Anleitungen und keine abgestimmten Lehrpläne gibt, fühlten sich nicht wenige Pädagogen überfordert. Ein Problem sei in der zunehmend säkularen Großstadt auch die „fehlende Basis“ vieler Schüler: „Wenn sie überhaupt nichts über die eigene Konfession wissen, wie können sie dann (…) die anderen Religionen verstehen?“, meinte eine Lehrerin.

Die Conclusio von Krobath und Lindner: Der dialogisch-konfessionelle Religionsunterricht bringe einen „deutlichen Mehrwert an religiösem Lernen“ – wobei die Anregung durch Schüler und Eltern, das Modell in Richtung anderer Religionen (vor allem Islam) auszuweiten, als Erfolg des Begegnungslernens gesehen wird. Es bedürfe aber einer „Verbesserung der organisatorischen und kommunikativen Aspekte sowie gezielter Unterstützungsmaßnahmen zu Personalund Qualitätsentwicklung“.

„Lehrpersonen nicht allein lassen“ #

Eine Forderung, der sich die Leiterin des Schulamtes der Erzdiözese Wien, Andrea Pinz, anschließt. Für das Gelingen christlicher Kooperationen im Religionsunterricht brauche es ein „didaktisches Gesamtkonzept“ samt Zusammenschau der Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien. „Damit dürfen wir die einzelnen Lehrpersonen nicht alleine lassen“, so Pinz. Auch der evangelisch-lutherische Oberkirchenrat Karl Schiefermair betont die Bedingungen für einen Erfolg dieses Modells: „Dazu gehören nicht nur Religionslehrer, die darin geschult und auch willens sind, sondern auch dazu bereite Eltern und Schulleitungen sowie entsprechende Schülerzahlen: Wenn es in einer Schule nur fünf Evangelische gibt, die auf vier Klassen aufgeteilt sind, wird es wohl keine solche Kooperation geben.“

Und was sagen die Muslime zu einem möglichen gemeinsamen Unterricht? „Ich bin sehr dafür, dass man Kooperationen an einzelnen Standorten ausbaut“, erklärt die stellvertretende Leiterin des Schulamtes der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati. „Aber bis das in einen gemeinsamen Unterricht gegossen wird, ist es noch ein weiter Weg.“

DIE FURCHE, Donnerstag, 7. September 2017


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