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Weil es Brauch ist ...#

Ob Maibaum, Perchtenlauf oder Osterfeuer – auch in unserer modernen Gesellschaft spielen tradierte Bräuche zu den verschiedenen Jahreszeiten nach wie vor eine Rolle.#


Mit freundlicher Genehmigung aus der Wiener Zeitung (Freitag, 2. Mai 2008) übernommen.


Von

Mathias Ziegler


Maibaumkraxler - fotografiert bei Bad Füssing in Niederbayern
Maibaumkraxler - fotografiert bei Bad Füssing in Niederbayern.
Foto: Walter J. Pilsak, Waldsassen. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 3.0

Hallstadt ist an und für sich eine kleine, beschauliche Gemeinde im Salzkammergut mit nicht einmal 1000 Einwohnern. Einmal im Jahr, zu Fronleichnam, geht es aber rund hier. Da drängen sich dann Touristen wie Einheimische zunächst in der örtlichen Kirche zum Festgottesdienst, ehe es hinaus zum Hallstätter See geht. Dort steht schon der „Muzen“ für die berühmte Seeprozession bereit. Dabei handelt es sich um einen Nachbau jener Holzzillen, mit denen die Salzschiffer bis 1965 ihre Ware über den See führten.

Seit 1628 gilt die Fronleichnamsprozession auf dem Wasser als immerwährende Stiftung des Hallstätter Salzbergbaues, und so wird auch heuer am 22. Mai der Salinendirektor von Hallstatt an der feierlichen Überfahrt nach Lahn teilnehmen. Die Gläubigen begleiten die Muzen zu Fuß auf der Seestraße. Nach der Station in Lahn geht es zurück in die Hallstätter Kirche, wo Bischof Ludwig Schwarz den Schlusssegen sprechen wird – alles in allem dauert die Fronleichnamsfeier gute drei Stunden.

Hallstatt ist aber nicht der einzige Ort in Österreich, in dem die Gläubigen zu Fronleichnam aufs Wasser gehen. Farbenprächtige Seeprozessionen gibt es unter anderem auch auf dem Traunsee und der Donau bei Aschach. Dort allerdings ist der Brauch noch keine 30 Jahre alt. Ihren Ursprung haben die Fronleichnamsumzüge als solche in der Zeit der Gegenreformation, vor allem die Jesuiten förderten diese Form der Volksliturgie. Der Hauptgrund für die Seeprozession in Hallstatt dürfte übrigens schlicht Platzmangel gewesen sein. In Traunkirchen wiederum war ein Brand des Klosters 1632 der Anlass, die Fronleichnamsprozession auf den See zu verlegen.

Während in Hallstatt der Linzer Diözesanbischof im Muzen übers Wasser gleitet, wird andernorts unter dem Maibaum ausgelassen gefeiert. Auch heute noch wird dieser in vielen Ortschaften aufgestellt, wobei es hier die verschiedensten Rituale gibt, vom Maitanz über das Liebesmaien (kleine Maibäume vor den Fenstern der unverheirateten Frauen im Dorf) bis hin zum Maibaumstehlen. Letzteres unterliegt stets ganz bestimmten Regeln, die nach Region variieren: In Teilen Niederösterreich beispielsweise darf der Baum nur in den ersten 60 Stunden nach dem Aufstellen (meist am 1. Mai) gestohlen werden. Dabei genügt es, ihn um 45 Grad umzulegen, das Wegtragen ist eigentlich nur ein Bonus. Ende Mai wird der Baum dann wieder zurückgebracht. Zum Stehlen wie auch zur Bewachung sind grundsätzlich alle Mittel erlaubt, und so sollen Maibäume auch schon mithilfe von Baustellenkränen entfernt worden sein.

Im Mostviertel wiederum sind zum Umlegen nur jene Hilfsmittel erlaubt, die auch beim Aufstellen benutzt wurden. Hat eine Gemeinde einen Maibaum gestohlen, muss er ausgelöst werden, meist in Form von Bier, das dann gemeinsam mit den Aufstellern getrunken wird. Im Idealfall ist das gegenseitige Maibaumstehlen also ein diebischer Spaß. Das sah auch jener Richter so, der vor einigen Jahren den Linzer Bürgermeister Franz Dobusch abblitzen ließ: Statt den gestohlenen Maibaum auszulösen, wollte Dobusch nämlich das Corpus Delicti einklagen – unter Verweis auf das Brauchtum wurde dies abgelehnt.

Ein Natur- und ein Kirchenjahr. Im Unterschied zu den Fronleichnamsprozessionen hat der Maibaum keinen religiösen Konnex, der allerdings bei vielen Ritualen im Verlauf der Jahreszeiten gegeben ist. Wenngleich man oft eine Trennlinie ziehen muss zwischen alten (meist heidnischen) Traditionen und jüngeren christlichen Bräuchen, meint Franz Grieshofer, langjähriger Direktor des Wiener Volkskundemuseums: „Es wird ja oft behauptet, dass die meisten christlichen Feste Adaptionen von heidnischen Bräuchen wären. Aber das ist eine Mär, ein christliches Fest ist ein christliches Fest. Viele wurden allerdings mit Bräuchen aus dem Naturjahr gekoppelt.“ So wie Ostern, das auf dem jüdischen Pessachfest beruht und im Jahr 325 an einen bestimmten Termin gebunden wurde, nämlich nach dem ersten Frühlingsvollmond.

Gleichzeitig gab es aber auch schon in früheren Kulturen Heilsfeste zu Fühlingsbeginn, bei denen Götter angebetet wurden. Und auch damals wurden schon Feuer angezündet, „als Symbol für Reinigung, für die Sonne, für das Gedeihen der Landwirtschaft“, wie Grieshofer erklärt. So gibt es neben dem liturgischen Osterfeuer (dem „Lumen Christi“) auch unabhängig davon in vielen Regionen sogenannte Osterfeuer, die aber mit dem christlichen Fest eigentlich nur den Termin gemeinsam haben.

Mit dem Weihnachtsfest verhält es sich übrigens ähnlich. Die Wintersonnenwende (heuer am 21. Dezember) war nämlich schon lange vor dem Christentum ein beliebter Zeitpunkt für Erneuerungsfeste. Dementsprechend vertreiben die Perchten Ende Dezember die bösen Geister und begrüßen das kommende Jahr. Dass die Gestalt des Krampus als Begleiter des Nikolaus in Gestalt und Auftreten von diesen Perchten beeinflusst wurde, dieser Schluss liegt natürlich nahe.

Ostereier sind älter als Ostern. Typisch für die Koppelung von Religion und Profanem ist auch das Weihnachtsfest an sich: So ist der klassische Christbaum eine Erfindung der bürgerlichen (protestantischen) Gesellschaft und hat mit dem eigentlichen Geburtsfest wenig zu tun, sondern sollte Weihnachten zu einem Familienfest machen. Das Osterei wiederum ist als Symbol für neues Leben weitaus älter als das Auferstehungsfest, zu dem es vernascht wird. „Und der Osterhase hat überhaupt keinen Bezug zum christlichen Osterfest“, meint der Volkskundler.

Während der Zeitpunkt der alten Naturfeste sich aus der jeweils passenden Jahreszeit ergibt, funktionieren die christlichen Bräuche anders: Sie sind nämlich liturgisch angeordnet und spiegeln so übers Jahr – ausgehend vom Advent – die Lebensgeschichte Jesu wider. Und so werden seit dem 8. Jahrhundert am letzten Sonntag vor Ostern Palmzweige gesegnet und bei der Prozession geschwenkt, als Erinnerung an den feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem kurz vor seiner Kreuzigung – wobei grüne Zweige im Frühling schon an den Häusern der alten Römer steckten. Auch der Zeitpunkt von Festen wie Darstellung des Herrn, Pfingsten oder Christi Himmelfahrt ergibt sich aus der chronologischen Anordnung.

Nur am Ende weicht das Kirchenjahr etwas ab, wenn Anfang Oktober Erntedank gefeiert wird. Dies ist ein weiteres Beispiel für ein Fest, das es schon lange vor dem Christentum in allen Kulturen gab, ehe es ins Kirchenjahr aufgenommen wurde. Heute ist es aber nicht nur ein reines Dankfest, sondern auch ein geeigneter Anlass für die Kirche, auf den Hunger in der Dritten Welt aufmerksam zu machen. Am Land gibt es als zusätzliche Komponente festliche Umzüge mit Erntekronen, die zwar eine jahrhundertealte Tradition haben, aber vor allem im Nationalsozialismus eine Blütezeit erlebten: Dem Führer wurde damals vom Volk eine Krone dargebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es auch ein Fest für die örtliche Landjugend, quasi als herbstliches Gegenstück zum Maibaum.

Überhaupt betreffen die Aktivitäten rund um alte Bräuche vor allem die Jugend. Dass sie in den meisten Gegenden verantwortlich für Oster- und Sonnwendfeuer ist, liegt wohl in erster Linie daran, dass viele der Involvierten bei der Freiwilligen Feuerwehr engagiert und mit der Materie vertraut sind. Perchten- und Krampusläufe wiederum geben den Jungspunden einen willkommenen Anlass, völlig ungeniert die übrige Bevölkerung zu erschrecken (oder mitunter auch Schlimmeres anzurichten – die Grenze zur Straftat ist hier fließend).

Bei der Dreikönigsaktion büßen sie dafür wieder ihre Sünden ab, wenn sie schwitzend von Haus zu Haus durch den Schnee stapfen und Spenden für die Entwicklungshilfe ersingen. Auch das gehört zur Brauchtumspflege – immerhin hat die Sternsingeraktion auch schon 53-jährige Tradition.

Wiener Zeitung (2. 5. 2008)