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Sehnsucht nach dem Licht der Welt #

Schon die Lichter des Adventkranzes bereiten stufenweise auf die Ankunft des Herrn vor. Ihre Erfüllung aber erfährt diese Sehnsucht der Menschen nach dem Licht, das für den Erlöser steht, durch den Christbaum.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung (Samstag, 24. Dezember 2016)

Von

Günther Jontes


Adventkranz
Die stufenweise Erleuchtung durch den Adventkranz bereitet auf die Ankunft des Herrn vor
Foto: GERYWOLF

Mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht, heißt es in einem unserer schönen Weihnachtslieder. Dass Christus zur kalten Jahreszeit geboren worden sei, steht nicht in der Heiligen Schrift. Andererseits kann der Dezember im Heiligen Land empfindlich kalt sein und es sogar zu Schneefall kommen. Weihnachten ist im Gegensatz zu Ostern, das nach dem Mondkalender fällt, nicht ein bewegliches, sondern ein Kalenderfest. Das heißt, dass der Christtag, das eigentliche Geburtsfest, stets am 25. Dezember gefeiert wird.

Nach alter Anschauung, so wie es die Juden noch heute halten, beginnt ein Tag immer schon am Vorabend, wenn die ersten Sterne am Himmel erscheinen. So ist der 24. Dezember eben der Heilige Abend, und vorrangig stehen als Kalenderheilige Adam und Eva, das Urelternpaar, auf dem Kalenderblatt. Früher war dieser besondere Tag wie alle Tage vor einem Hochfest ein Fasttag, der erst am Abend endete, wenn die ersten Fleischspeisen wieder auf den Tisch kamen, darunter die berühmt-berüchtigte Weihnachtsgans. Heute ist der Heilige Abend das eigentliche Familienfest mit Weihnachtsbaum, Krippe, Bescherung, Turmblasen und Weihnachtsmette.

In den Anfängen des Christentums soll Christi Geburt als Frühlingsfest gefeiert worden sein. Die Verlegung in den Winter, genauer gesagt in die Zeit der Wintersonnenwende, scheint gegen die Mitte des 4. Jahrhunderts erfolgt zu sein. Dass sich dies auch schon früher ereignet haben könnte, hängt damit zusammen, dass der heidnische römische Kaiser Aurelian den Tag Natalis Solis Invicti, den Tag der Geburt der unbesiegbaren Sonne, zum Reichsfeiertag erhoben hatte und als christliche Reaktion darauf auch der Geburtstag Christi in diese Zeit verlegt wurde, da auch er quasi als Sonne der Welt geboren worden sei. Christus als das Licht der Welt zu sehen, wird auch aus der Situation der fernen Vergangenheit her zu sehen sein. Tage mit den längsten Nächten des Jahres, in den Behausungen der Menschen nur Kienspan, Kerze und Öllampe, dazu Kälte, die kaum vom flackernden Feuer des Herdes oder des offenen Kamins zu bändigen ist, lassen die Sehnsucht nach Licht und Wärme wachsen. Die Ewigkeit bei Gott wird als von Licht erfüllt gesehen. Den Toten wünscht man „Et lux perpetua luceat eis“, das ewige Licht leuchte ihnen, wie es im Re quiem heißt. Davon künden auch heute noch die Ewiglichtstiftungen für die Toten, die sich in den wunderschönen Friedhofsleuchtsäulen manifestieren, deren schönste aus der Gotik auf dem Friedhof der Pfarrkirche von Murau zu sehen ist. Unter den Symbolen dieser Lichtsehnsucht steht heute in unserer Weihnacht der Christbaum an erster Stelle. Aber schon vorher hatte die stufen weise Erleuchtung des Sonntags durch die Lichter des Adventkranzes auf die Ankunft des Herrn – das Wort „Advent“ bedeutet dies im Lateinischen – vorbereitet. Auch das Grün, wie es dieser Kranz und der Weihnachtsbaum vorgeben, deutet auf das erhoffte Erwachen in der Natur hin. Im Lied wird der Tannenbaum besungen, dessen Blätter (!) so grün sind. Ein schöner Christbaum wird daraus nicht, da muss schon eine schönwipfelige Fichte her.

Dabei ist in unseren Breiten gerade der Christbaum eine relativ junge Errungenschaft des Festdekorums der österreichischen Weihnacht. Er ist als mit Kerzen besteckter Baum zwar schon am Beginn des 16. Jahrhunderts in Mitteldeutschland und dem Elsass durch Darstellungen in der Kunst und aus Schilderungen bezeugt. Zu uns kommt er aber erst durch Vermittlung des habsburgischen Kaiserhofes in Wien, wo 1814 der erste mit Kerzen besteckte Lichterbaum im Haus der Fanny von Arnstein, einer aus Hamburg stammenden, ihrer gesellschaftlichen Cercles wegen berühmten Jüdischen Dame, aufgestellt wurde. Bei ihr verkehrten auch Mitglieder des Wiener Hochadels, die diese Neuheit mit Interesse aufnahmen. Und zwei Jahre darauf gab es einen solchen Lichterbaum auch schon im Hause der aus dem Norden Deutschlands stammenden Gattin des Erzherzogs Karl, Henriette von Nassau-Weilburg. Damit war der Bann gebrochen. Als Nächste führten Familien des Großbürgertums diesen neuen Brauch bei sich ein, aber es vergingen Jahrzehnte, bis der Weihnachtsbaum Allgemeingut wurde. In einigen entlegenen Alpentälern dauerte es noch an die hundert Jahre.

Im bäuerlichen Bereich gab es aber auch eine Vorstufe, die sich etwa im steirischen Ennstal bis heute gehalten hat. Es ist dies der Hofbaum, ein Fichtenwipfel (Grössing), welcher im Hof des Bauernanwesens, zuweilen sogar auf dem Misthaufen steht. Er ist gleichsam in winterlicher Zeit ein Vorbote des kommenden Frühlings. Sein Immergrün versinnbildlicht die erhofften Kräfte des Wachsens mitten im Winter. Er wird mit weiß-grünen Bändern geschmückt. Auch der Berchtlboschn zielt in diese Richtung. Heute ist dieser Brauch bei uns nahezu erloschen, aber vor Zeiten wurde in der Stube des Hauses ein grüner Grössing an der Decke aufgehängt. Es gab auch Kritik am Weihnachtsbaum, als dieser aufkam. Erzherzog Johann alterierte sich über den Christbaum und die Geschenkeflut in der kaiserlichen Familie seines Bruders Franz. Der Prinz fürchtete um die Wälder, die die Bäume zu liefern hätten, und bemerkte auch die Verschwendung bei den Geschenken unter dem Baum. Besonders das teure Spielzeug für die kleinen Prinzen und Prinzessinnen sei in kurzer Zeit demoliert und damit das Geld hiefür ein hinausgeworfenes gewesen.

Heute ist der vorweihnachtliche Christbaummarkt ein weltlicher Vorbote des Festes. Kaum werden heute noch Bäume ihres Wipfels beraubt. Christbäume werden in erwünschter Größe in richtigen Plantagen gezüchtet. Importe aus Skandinavien überfluten das Angebot. Und jeder Baum muss heute eine Plakette tragen, die seine legale Herkunft bezeugt.

Zauber des Christbaums
Der Zauber des Christbaums erreichte uns zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Foto: GERYWOLF

Neue Elemente dieses Lichterbaumkultes sind im 20. Jahrhundert aufgekommen. Zum einen ist es der Weihnachtsbaum für alle, zum anderen das Bäumchen auf dem Grab. Heute gibt es kaum einen größeren Ort, wo nicht im Mittelpunkt der Siedlung ein mächtiger Baum steht. Der Technik geschuldet ist auch der Ersatz der Wachskerzen durch elektrische. In Graz stand 2011 eine 140 Jahre alte Fichte mit einer Höhe von 30 Metern. Und für Österreich ist es eine besondere Ehre, wenn auf dem Petersplatz in Rom ein heimischer Baumriese aus unseren Alpen das Zentrum der Ewigen Stadt schmückt.

Ein Bäumchen auf dem Grab soll im Ersten Weltkrieg aufgekommen sein. Man gedachte damit der Gefallenen an der Front. Die billigen Stearinkerzen waren damals in der Masse an die Stelle der sündteuren Wachskerzen getreten, und diese Bäumchen durften auch in der Nacht brennen, da es damals noch keine Gefahr durch nächtliche Bombenangriffe gab.

Licht für die Gefallenen, Vermissten oder die Kriegsgefangenen bürgerte sich bei uns nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Da stellten die Leute am Heiligen Abend eine brennende Kerze ins Fenster. Das hat sich vielerorts bis heute gehalten, wenngleich der ursprüngliche Sinn längst vergessen zu sein scheint. Häufig tauchen heute auch bei uns in den Fenstern die sächsischen Schwibbogen auf. Das sind kunstvoll aus Sperrholz gesägte Bögen mit Darstellungen von Engeln, Bergleuten und Handwerkern. Auch hier brennen Kerzen, seien sie nun aus lebendiger Lichtspeise oder an einem Stromkabel hängend. Man sieht also: Neuerungen allenthalben. Brauchtum lebt, ist einem steten Wandel unterworfen.

Meist werden die Lichter am Christbaum nur am Heiligen Abend im Zusammenhang mit der Bescherung entzündet. Man fürchtet, dass der langsam austrocknende Baum allzu leicht in Brand geraten könnte, und Feuerwehreinsätze in dieser Zeit sind nichts Seltenes. Hat der Baum alles überstanden, wird er am 2. Februar, am Tag Maria Lichtmess, abgeräumt. Der Weihnachtszauber ist vorbei.

Kleine Zeitung, Samstag, 24. Dezember 2016