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Der Marsch der „unbelehrbaren Ketzer"#

1752: als Ennstaler Protestanten nach Iklad verbannt und von ihren Kindern getrennt wurden.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung

Von

Robert Preis


Protestanten auf dem Weg in die Emigration
Darstellung aus dem 18. Jh.: Protestanten auf dem Weg in die Emigration
UMJ

Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) hat sich im kollektiven Gedächtnis vor allem durch die Einführung der Unterrichtspflicht verankert. Wie unerbittlich sie aber in Fragen der Religion war, wird heute außerhalb des Ennstals kaum überliefert. Rund um Pürgg-Trautenfels, Irdning und Tauplitz wissen die Leute allerdings wenig Gutes über sie zu berichten. Auch in der aktuellen Sonderausstellung im Schloss Trautenfels, „Gott und die Welt", wird sie erwähnt: als Auslöserin einer traurigen Episode heimischer Geschichte.

Die Szenen, die sich am 1. August 1752 hier im Ennstal abgespielt haben müssen, sind kaum vorstellbar. Schon lange war es der Kaiserin und ihren beratenden Jesuiten-Patern ein Dorn im Auge, dass sich in der Pfarre Pürgg der evangelische Glaube trotz aller Repressionen der Gegenreformation so hartnäckig hielt. Bereits 1525 waren Strafexpeditionen der Katholiken durchgeführt worden, 1599 schwärmte die Religionsreformationskommission mit 800 Söldnern aus, und vor allem Erzherzog Ferdinand II. (1578-1637), der von Graz aus über Innerösterreich herrschte, drangsalierte die Protestanten. Doch selbst nachdem deren Kirchen, Friedhöfe und Schulen zerstört, Bücher verbrannt und Religionsprüfungen durchgeführt worden waren, hielt sich der evangelische Glaube.

Doch die Maßnahmen wurden immer brutaler. 1626 siedelte man Hunderte Menschen aus Oberösterreich aus, 1651 emigrierten Protestanten „freiwillig" nach Bayern, 1734 folgte eine Zwangsmigration aus Salzburg. Historiker schätzen, dass insgesamt rund tausend Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Doch was sich 1752 abspielte, war noch dramatischer:

Bereits am 7. Juni erfolgte ein erster Transport von zehn Erwachsenen mit drei Kindern nach Mühlbach in Siebenbürgen, „wohl als Abschreckung für die übrigen Geheimprotestanten", wie Wolfgang Otte vom Joanneums-Standort Schloss Trautenfels anmerkt.

Doch am 1. August eskalierte die Situation: In Tauplitz, Ziem und Wörschachtal - den „Nestern unbelehrbarer Ketzer" - wurden protestantische Familien aus ihren Häusern gezerrt und gezwungen, Richtung Westen zu marschieren. Es handelte sich dabei um die Familien Schiemer, Pötsch, Sachner, Feichtner, Loreser, Lackner, Holl und Gustershuber - rund 80 Personen. Zwei Stunden später trafen sie in Stainach nicht nur auf Schicksalsgenossen aus Irdning, sondern auch auf den Kreishauptmann. Dieser Offizier ließ den Familien kurzerhand die Kinder wegnehmen. „Die Frauen fielen ihm zu Füßen. Die Kinder klammerten sich an ihre Mütter. Das Weinen der Mütter und das Geschrei der Kinder vermischten sich", schildert Paul Brandtner in seinem „Beitrag zur Geschichte der Transmigration" (1939). Bis zu sechs Kinder, wie etwa im Fall der Familie Pötsch, wurden den Eltern weggenommen und später von katholischen Familien oder in Kinderheimen fernab von ihnen großgezogen.

Der Marsch der „Unbelehrbaren" führte indes über Steyr und Korneuburg bis nach Harta, nahe der Grenze zu Slawonien. Die „Ketzer" wanderten im Frühjahr 1753 weiter nach Iklad bei Pest, wo sie vom Grafen Gedeon I. Raday als Siedler aufgenommen wurden.

Doch auch dort waren die Bedingungen für die 90 Personen aus Schwaben und 250 aus den Erblanden furchtbar. Häuser mussten erst gebaut, das Land urbar gemacht werden, in den ersten Jahren starben die Reste ganzer Familien aus. Auch hier gingen katholische Pfarrer äußerst hart vor, doch wann immer jemand zurückkehrte, wurde er neuerlich ausgewiesen. Die Eltern sahen ihre Kinder nie wieder. Selbst für die Nachkommen jener Zeit war es nicht möglich, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Erst nach über 200 Jahren knüpfte Tauplitz 1992 erste Bande mit Iklad.

Heuer wird das 25-jährige Jubiläum dieser Partnerschaft gefeiert. Am 29. Juli reisen Wolfgang Otte und Katharina Krenn vom Schloss Trautenfels gemeinsam mit Bad Mitterndorfs Vizebürgermeister Albert Sonnleitner und dem ehemaligen Ortschef von Tauplitz, Peter Schweiger, nach Ungarn. Eine Gedenktafel wird eingeweiht, auf der die Namen der einst Verschleppten angeführt sind. Ihr Schicksal kann nicht rückgängig gemacht werden, die Erinnerung aber bleibt.

das Dorf Iklad um 1930
Das Dorf Iklad um 1930
Foto: GEMEINDE IKLAD
das Dorf Iklad um 1930
Das Dorf Iklad um 1930
Foto: GEMEINDE IKLAD

© "Damals in Graz", Robert Preis


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