Kutná Hora#
Kuttenberg und seine gotische Bergmannskirche zur hl. Barbara#
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Die Bilder wurden vom Verfasser 2016 aufgenommen. Sie sind Teil des Archivs „Bilderflut Jontes“.
Die städtebildende Kraft des Bergbaues erweist sich auch an der böhmischen., heute in Tschechien gelegenen Stadt Kutná Hora/Kuttenberg. Der Mensch ist ja gezwungen, den Lagerstätten von Bergschätzen zu folgen. Sie kommen ja nicht zu ihm. Und wo Bergbau herrscht, muss eine Infrastruktur aufgebaut werden, die sich immer mehr ausbreitet und schließlich zu ökonomischen, sozialen und kulturellen Formen führt, die eine Stadt definieren. So war es auch an beiden Seiten des mitteldeutsch/böhmischen Erz- und Riesengebirges, wo anfänglich die reichen Silbervorkommen lockten. Eine dieser Siedlungen ist auch das südöstlich von Prag gelegene Kutná Hora, zu deutsch Kuttenberg.
Heute ist Kuttenberg ein Städtchen mit 20.000 Einwohnern. Aber im Spätmittelalter war es wegen der Silbergruben und seiner Bedeutung als Münzprägestätte nach Prag die zweitgrößte Stadt Böhmens. Es drängen sich da Vergleiche mit Schwaz in Tirol auf, wo damals ebenfalls Silber und Kupfer diesen Ort zum bevölkerungsreichsten nach Wien gemacht hatten.
Der Bergbau setzte in Kuttenberg um das Jahr 1200 ein. Um 1260 sind hier erstmals deutsche Bergleute bezeugt, die ihr theoretisches und praktisches Wissen aus Sachsen und Thüringen mitbrachten, wo damals der technisch fortschrittlichste Erzbergbau betrieben wurde. Die große Ausbeute an Edelmetall führte auch dazu, dass der Stadt 1300 das Münzrecht verliehen wurde und man dann begann, hier den Prager Groschen als gehaltvolle Münze zu prägen. 1289 findet die erste urkundliche Erwähnung des Ortsnamens als Cuthna Antiqua statt. Mit einer Teufe von 500 Metern war um 1400 der Schacht Osel der damals tiefste der Welt.
Die Zeitereignisse gingen an Kuttenberg nicht spurlos vorüber. 1420 wurde während der Böhmen und seine Nachbarn verwüstenden Hussitenkriegen fast die gesamt Einwohnerschaft ausgerottet. An der Wende zur Neuzeit hatte die Stadt aber wieder eine derartige wirtschaftliche Potenz gewonnen, dass noch Kunstwerke entstehen konnten, die die Altstadt von Kuttenberg 1995 zum Weltkulturerbe der UNESCO machten. Nach dem Versiegen der Erzlagerstätten verlor die Stadt allerdings ihre vorige Bedeutung.
Zu den Höhepunkten spätgotischer Architektur in Böhmen zählt die der hl. Barbara geweihte Kirche. Der Baubeginn ist um das Jahr 1403 anzusetzen und es dauerte nach den Katastrophen der Hussitenzeit mehr als ein Jahrhundert, bis die Kirche 1512 tatsächlich baulich abgeschlossen war, nachdem Baumeister Benedikt Ried die monumentalen Maßwerkgewölbe geschaffen hatte.
Die Weihe an die hl. Barbara passt genau in diese Zeit, denn diese Heilige, die zuvor als wirkende Patronin gegen jähen Tod verehrt wurde, löste mit der Ausdehnung auf die Gefahren der Arbeit unter Tag die zuvor dominierenden hl. Anna und Daniel ab. Im Giebel des mächtigen Kuttenberger Gotteshausen ist Barbara mit ihrem Attribut, dem Turm zu sehen, in welchem ihr heidnischer Vater sie gefangen gehalten hatte.
Der mächtige Bau steht eher in französischer Tradition und lehnt sich an die Prager Hofbauhütte an. Die ersten Entwürfe werden dem Prager Baumeister Jan aus der Dynastie der Parler zugeschrieben, der der Sohn des berühmten Peter Parler gewesen war. Es bestehen deshalb auch übereinstimmende Wesenszüge mit der Architektur des Prager Veitsdomes. Im Laufe der Zeit erfolgten außer den langen Phasen der Unterbrechung des Baues auch radikale Änderungen des Grundkonzeptes.
Die Errichtung ist als ein Prestigebau der Bergbaustadt anzusehen, mit welchem sich Kuttenberg von dem nahe gelegenen Zisterzienserkloster Sedletz freimachen wollte, das ein quasi geistliche Vormundschaft ausgeübt hatte. 1388 tat man diesen Schritt.
Ein Durchblick im Inneren zeigt, dass die Wände des Chores und der Schiffe nahezu vollständig durch die riesigen Fenster aufgelöst sind. Deshalb wird auch deutlich, wozu die Menge der „schwebenden“ Strebepfeiler außen vonnöten ist. Sie stützen den gesamten Bau und ermöglichen im Inneren die Fülle des einströmenden Lichtes
Die Deckengewölbe sind ein architektonisches Wunder für sich. In kunstvoller Verschlingung bauen sich die einzelnen Felder auf und bieten Raum dafür, dass über dem Presbyterium mit seinem Kapellenkranz Zonen frei bleiben, die mit Schlusssteinen und Fresken geschmückt sind. Diese tragen Wappenmalereien und bergmännische Symbole, die dem Betrachter den Hintergrund dieser Pracht erläutern. Die Gewölbe sind geometrisch auf dem Sechserzirkelschlag konstruiert und die Rippen haben echte tragende Funktion.
In der Kapelle der Haspler, die innerhalb der Knappschaft wichtige Aufgabe zu erfüllen hatten, zeigen Bergknappen, die das Stadtwappen begleiten. Sie weisen neben Schlägel und Eisen auch auf einen Haspelzug hin, mit welchem das geförderte Erz an die Oberfläche gebracht wurde. Sie sind in den weißen Bergkittel, die damalige funktionelle Arbeitskleidung der Bergleute, gehüllt.
Die barocke Orgel nimmt mit ihrer jubilierenden Schar musizierender Engel die Empore unter dem großen Westfenster ein
Von der gleichzeitigen gotischen Ausstattung mit Altären, deren es besonders in den Umgangskapellen eine große Anzahl gegeben haben muss, hat sich nichts erhalten. Und so ist das, was heute als Hochaltar im Presbyterium steht, ein eher problematisches Produkt des Historismus, das einen Kompromiss aus gotischem Flügelaltar und barockem Schrein darstellt.
Wie sehr die wirtschaftliche Macht der Berggewerken den Gesamteindruck prägt, lässt sich an den zahlreichen bildhaften Hinweisen auf die Bergleute als die Werte Schaffenden erkennen. In Plastiken und Gemälden treten sie uns entgegen. Sie tragen die weiße Arbeitskleidung ihrer Zeit, den weißen Bergkittel, der in ostalpinen Bergwerksregionen Österreichs auch als maximilianische Bergwerkstracht bezeichnet wird, da sie in ihrer Funktion in der Zeit Kaiser Maximilians, des großen Förderers des Montanwesens, Gestalt angenommen hat. Der Bergkittel besteht aus weißem grobem Leinen, um im Dunkel der Schächte und Stollen auch noch den geringsten Lichtschein zu reflektieren. Er ist eine Kombination aus knielangem Mantel und angehefteter Kapuze, um im feuchtkalten Milieu der Abbaustätten körperlichen Schutz zu geben.
Der gegürtete Kittel trägt hinten das sogenannte Anfahr- oder Arschleder, das bei rutschenden Fahrten in die Tiefe in gleicher Weise schützt wie beim Sitzen oder Kauern vor Ort. An der Vorderseite erkennt man das Tschärpertäschchen, in welchem der Knappe Utensilien für sein Geleucht wie Feuerstahl und Schwamm sowie Talg als Lichtnahrung verwahrt.
Die Froschlampe war das übliche Geleucht und musste mit ihrem Funzellicht die Arbeitsstätte erkennbar machen. Man konnte sie mit ihrer Halterung an jeden Felsvorsprung hängen
Auf einem barocken Altargemälde zeigt sich ein Bergmann in derselben Position mit seinem Geleucht. Zur Heiligen aufblickend ist er von deren Glanz ganz geblendet und sucht mit seiner Kapuze die Augen zu schützen
1620 verliert nach der Schlacht am Weißen Berg bei Prag Böhmen seine politische Selbständigkeit gegenüber Habsburg und auch Kuttenberg muss die mit Gewalt durchgesetzte Gegenreformation über sich ergehen lassen. 1626 ziehen die Jesuiten ein, um die Stadt wieder für den Katholizismus zu erobern. Aus dieser Epoche stammt die große, hoch aufragende Kanzel in den Formen der Spätrenaissance, von der aus die Predigten der Patres die starrsinnigen Gemüter der innerlich noch utraquistisch gesinnten Kuttenberger erweichen sollten.
Der Eindruck, den man im Inneren des Barbaradomes gewinnt, wäre unvollständig, würde man den Eindruck, den das Licht aus der Einrichtung mitformt, unberücksichtigt lassen. Dieser steht mit der letzten Phase der Ausgestaltung im Zusammenhang. Die Kunst der Glasmalerei war mit dem Ende des Mittelalters und seiner Sakralbauten zu Ende gegangen und hatte nur im Kleinformat der Kammerscheiben der Bürger- und Adelshäuser überlebt. In der Neogotik besann man sich wieder des Lichtcharakters, schmückte die Neubauten damit und schuf bei der Restaurierung der alten Kirchen und Kathedralen wieder handwerklich und inhaltlich meist überzeugende Serien von Fenstern. So geschah es auch in Kuttenberg im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Die hohe Glaskultur der böhmischen Länder konnte hier voll zur Wirkung kommen.
In Kuttenberg waren große und leistungsfähige Offizinen am Werk, welche die figuralen und dekorativen Darstellungen in nobler Buntheit aufleuchten ließen, ohne je in Grellheit zu verfallen.
Über dem Motto der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs, der ja auch ungeliebter König von Böhmen war, das VIRIBUS UNITIS („Mit vereinten Kräften“) lautete, kniet der Herrscher im Ornat des habsburgischen Hausordens vom Goldenen Vlies. Krone ist keine zu sehen, ihn begleiten nur der Doppeladler und der böhmische Löwe. Damit war der Loyalität wohl Genüge getan.
Die Kuttenberger historistischen Fenster zeigen hohe formale und inhaltliche Qualitäten. Sie sind trotzdem „modern“ im damaligen Sinn, denn der Art Nouveau hatte in Böhmen und Mähren im Gegensatz zum Münchener Jugendstil und zur Wiener Secession ganz eigenständige Formen entwickelt, die ihn gleichrangig neben diese stellen.
Musik spielte im Gottesdienst seit dem Mittelalter eine große Rolle. Bis ins Barock herein wurde noch diese Empore geschaffen, die ein Orgelpositiv beherbergt und in Reliefs Musikinstrumente zeigt.
Welche Stadt hat wie Kuttenberg noch eine so kunstvolle Brunnenanlage aus der Gotik zu bieten?