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Getauft auf Kaiser Franz Joseph#

Ein Blick auf die Inseln, Fjorde, Gletscher und Bergeshöhen, die den Namen des Kaisers tragen, der am 18. August 1830 geboren wurde.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 18. August 2016).

Von

Wolfgang Machreich


Franz-Joseph-Land in der Arktis
„Niemals Zurueck!“. Zwei österreichische Offiziere, Julius Payer (1852-1915) und Karl Weyprecht (1838-1881), entdeckten und benannten 1874 das Franz-Joseph-Land in der Arktis, „Niemals Zurueck!“ (re.) von Julius Payer Entstand um 1892.
Foto: Imagno/Austrian Archives (AA)

Im Saal VI im Wiener Naturhistorischen Museum hängen sie an der Wand: die geographischen Punkte und Landschaften, die nach Kaiser Franz Joseph I. benannt sind. Aber wer sich nicht eigens nach ihnen umschaut, kann sie leicht übersehen. Ursprünglich als Vortragsraum gedacht, findet sich heute im „Kaisersaal“ eine Erdgeschichte- Führung. Wer hat da noch Augen für sechs Landschaftsgemälde unter der Decke des Saals? Wer aber doch hinaufschaut, sieht nur Eis und Schnee. Ist es ein Zufall, dass kein lieblicher, grüner Flecken nach dem strengen, dienstbeflissenen Langzeitkaiser benannt worden ist? Stattdessen finden sich nur kalte, eisige und felsige Orte – auf ihre herbe Art schön sind aber auch sie.

„Es ist der dreißigste August des Jahres 1873 auf 79°43‘ nördlicher Breite und 59°33‘ östlicher Länge. Ein Tag, den der Bootsmann Pietro Lusina mit der Logbucheintragung Terra nuova scoperta – Neues Land wurde entdeckt – beschließen und so die Erlösung der Alten Welt von einem ihrer letzten weißen Flecke zum erstenmal aufzeichnen wird“, schreibt Christoph Ransmayr in seinem Roman „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“.

Ransmayrs Gewährsmann über die damalige Expedition ist vor allem der Bergpionier und Polarforscher Julius Payer. Der steht an diesem denkwürdigen Tag um die Mittagszeit an der Bordwand des Forschungsschiffes Admiral Tegetthoff und starrt in die flüchtigen Nebel „durch welche dann und wann das Sonnenlicht brach, als eine vorüberziehende Dunstwand plötzlich raue Felszüge fern in Nordwest enthüllte, die sich binnen wenigen Minuten zu dem Anblick eines strahlenden Alpenlandes entwickelten!“ Der Maschinist Otto Krisch vermute zurecht: „Es scheint ein ziemlich großes Land zu sein, da man es weit nach Nord und West verfolgen kann, bei der Taufe desselben brachte jeder mit einem Glas Wein in der Hand ein dreimaliges ‚Hurah‘ aus …“ Und der Erste Jäger, Heiler und Hundetreiber Johann Haller aus dem Passeiertal berichtete kurz und bündig: „Es war eine große Freude für uns alle. Das Land hat von uns den Namen ‘Kaiser- Franz-Joseph-Land’ bekommen.“

Gefangene des Packeises #

An Land gehen konnte die „Österreichisch- Ungarische Nordpolexpedition“ nicht, da sie und ihr Schiff Gefangene des Packeises waren, die sich nach der Drift richten mussten. Erst im Frühling 1874 konnten Payer und Gefährten das Inselarchipel auf drei Schlittenreisen erkunden; sie erreichten eine Meridianhöhe von 82 Grad 5 Minuten – so weit im Norden waren Menschen zuvor noch nie (verbrieft) gewesen.

Zuhause schlägt Payer nicht nur Bewunderung entgegen: „Ich stand vor einem Publikum, das vorzugsweise aus Generalen bestand. Als ich von Franz-Josefslande sprach, da hörte ich von der ersten Sitzreihe die laut geäußerten Worte: Ja, wenn es existieren würde!“ Payer verlässt das Militär und schreibt verbittert ins Tagebuch: „Als Honorar empfing ich für die Entdeckung des Franz- Joseph-Landes am 1. Oktober 1874 die Summe von 44 Gulden.“ Davon konnte sich der Entdecker nur ein paar neue Hosen kaufen. Doch Payers Expeditionsbericht wurde zum Bestseller mit dem Kaiser als prominentesten Leser. Er ließ dem Buch sogar eine Subvention von 1000 Gulden zukommen, und zeigte generell großes Interesse an der Expedition: „Durch Oberlieutenant Payer geleitet, erkundigte sich Se. Majestät um die einzelnen Umstände der Ausrüstung, verweilte namentlich bei den Ditmarschen Lampen, den Lohner’schen Schlitten, den Stehle’schen Schießgewehren, den Kochmaschinen mit großem Interesse, kostete von dem für die Expedition bestimmten künstlichen Weine und sprach seine volle Zufriedenheit über die Umsicht, mit welcher die Ausrüstung ins Werk gesetzt wurde, aus.“

Drei der sechs Gemälde im Saal VI des Wiener Naturhistorischen Museums hat Payer gemalt, dreimal Franz-Joseph-Land-Motive. Vom deutschen Maler Albert Zimmermann stammt das Gemälde des Kaiser-Franz-Joseph-Fjords an der Ostküste von Grönland. Entdeckt und benannt wurde aber auch dieser Weltfleck im Rahmen der Zweiten Deutschen Nordpolar- Expedition im Sommer 1870 von Julius Payer. Der Bremer Polarverein, Initiator und Investor der Expedition, empörte sich über diese Namensgebung und wollte sie rückgängig machen. Payer bettelte um seiner Karriere willen, „eine Beleidigung des Kaisers von Österreich in dieser Dimension zu unterlassen“. Die Bremer lenkten ein, der Kaiser bekam den grönländischen Fjord nach ihm benannt und Oberleutnant Payer den Orden der Eisernen Krone Dritter Klasse verliehen.

Der vom Alpenverein für Gletscher- und Berg-Malexkursionen engagierte österreichische Landschaftsmaler Adolf Obermüllner hat das Bild des Franz-Josef-Gletschers im Naturhistorischen Museum beigesteuert. Es zeigt ein Eismeer auf der Südinsel Neuseelands. Wie sein Nachbar, der Fox- Gletscher, fließt er die steile Westflanke der Neuseeländischen Alpen hinunter. Ursprünglich waren diese Gletscher nach dem englischen Königspaar Victoria und Albert benannt. Die Bezeichnung geriet aber in Vergessenheit. Glück für Neuseelands Premier William Fox und den österreichischen Kaiser, der seinen Namen somit auch auf der Südhalbkugel verewigen durfte.

Wobei Ewigkeit im aktuellen Klimastress der Gletscher ein relativer Begriff geworden ist. So wie sich der Franz-Josef-Gletscher schon lange nicht mehr bis an die Meeresküste ausdehnt und in die Tasmansee kalbt, so schwappen auch die Ausläufer der Pasterze nicht mehr an die Felsen der Kaiser- Franz-Josefs-Höhe. Der Rektor der Wiener Akademie der bildenden Künste, Eduard Peithner von Lichtenfels, hat das Gemälde vom einzigen Ort in dieser prominenten Reihe gemalt, an dem Franz Joseph selbst gewesen ist.

1856, zwei Jahre nach ihrer Hochzeit, machte das Kaiserpaar von Heiligenblut aus einen Bergausflug ins Glocknermassiv. Der Kaiserin reichte der Ritt hinauf bis zu einer Almweide, die seither „Elisabethruhe“ heißt. Der Kaiser, den sie 100 Jahre nach seinem Tod den „ewigen Kaiser“ nennen werden, wollte hinauf zum „ewigen Eis“. Auf knapp 2400 Meter erreichte er sein Ziel. Der Kaiserstein erinnert daran. So weit weg wie der Kaiser ist 160 Jahre danach aber auch die Gletscher-Königin der Ostalpen. Um heute die Pasterze bewundern zu können, müsste der Monarch viel weiter als damals zu ihren Rückzugskammern steigen.

Franz-Joseph, Stalin, Gerlach #

Bis auf 2655 Meter hinauf müsste Franz Joseph kraxeln, wollte er auf den höchsten einmal nach ihm benannten Ort kommen. Franz-Joseph-Spitze hieß der höchste Berg der Slowakei von 1896 bis 1919. Die folgenden Namen beschreiben die politischen Verwerfungen: Polnische Spitze, Spitze der tschechoslowakischen Legionäre, Stalin-Spitze und seit 1959 wieder – wie vor Franz Joseph schon – Gerlachspitze.

Im Naturhistorischen Museum stört der Namensentzug nicht. Ein Gemälde mehr hätte unter der Decke im Saal VI sowieso nicht Platz. Und wer schaut denn noch hinauf? Wer aber einen Blick riskiert, sieht Bilder von Eis und Schnee – streng, aber auf ihre herbe Art auch schön. Passender könnte 100 Jahre nach seinem Tod der kritische, aber zunehmend wohlwollende Blick auf Kaiser Franz Joseph nicht beschrieben werden.

DIE FURCHE, Donnerstag, 18. August 2016


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