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Der letzte Ritter als erster Marketing-Profi #

Maximilian I. zählt zu den populärsten Kaisern des Hauses Habsburg. Dafür sorgte er schon selbst zu Lebzeiten. Heute vor 500 Jahren starb der Begründer des habsburgischen Weltreiches in Wels. #


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung (13. Jänner 2019)

Von

Christian Weniger


Orden vom Goldenen Vlies
Orden vom Goldenen Vlies
Die Familie Kaiser Maximilians I. ein Gemälde von Bernhard Strigel, einem Zeitgenossen von Albrecht Dürer
Die Familie Kaiser Maximilians I. ein Gemälde von Bernhard Strigel, einem Zeitgenossen von Albrecht Dürer (KK)
Touristenattraktion in Innsbruck: Des Kaisers Goldenes Dachl
Touristenattraktion in Innsbruck: Des Kaisers Goldenes Dachl
Foto: APA
Das Porträt von Maximilian, das Albrecht Dürer 1519 malte
Das Porträt von Maximilian, das Albrecht Dürer 1519 malte
Foto: APA-PICTUREDESK

Kaiser Maximilian pflegte sein Image als wagemutiger Jäger und frommer Herrscher. Und fand so Eingang in die traditionelle Sagenwelt. Bei der Gamsjagd verstieg sich der Kaiser in der nördlich von Innsbruck gelegenen Martinswand. Er konnte weder nach vor noch zurück. Zwei Tage und Nächte harrte er aus, er sah unten sein Gefolge, sein Gefolge sah oben seinen Gebieter. Als keine Rettung mehr möglich schien, holte man unten einen Priester, damit der Kaiser wenigstens den Trost der Kirche gespendet bekommen würde. Der Pfarrer von Zirl segnete von unten den Habsburger in Not oben. Am nächsten Tag stieg plötzlich von oben ein Bauernbursch herab und führte Maximilian auf einem sicheren Pfad hinunter. Der Bursche verschwand in der Menge. Es war ein Engel, der zur Rettung geschickt worden war. Die Maximiliansgrotte, eine Naturhöhle in 800 Meter Höhe, erinnert an diese sagenhafte Rettung des Herrschers. „Wer sich im Leben kein Gedächtnis macht, der hat auch nach dem Tode kein Gedächtnis, und desselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen" ist von diesem Kaiser überliefert. Und so ließ er autobiografische Werke von seinem Sekretär Marx Treitzsaurwein verfassen. Den „Weisskunig", über Familie und Jugendjahre, als Fortsetzung den „Theuerdank", über die Reise zu seiner Braut Maria von Burgund - eigentlich der Beginn des später weltumspannenden Reiches der Habsburger. Das war bei der Geburt nicht in die Wiege gelegt worden.

Maximilian kam am 22. März 1459 in Wiener Neustadt zur Welt. Dort residierte sein Vater Friedrich III., der römisch-deutsche Kaiser und Erzherzog von Österreich, dessen eigentliche Residenzstadt Wien allerdings der ungarische König Matthias Corvinus besetzt hielt und die erst nach dessen Tod 1490 wieder habsburgisch wurde. In der Burg von Wiener Neustadt suchte er Zuflucht und er tröstete sich mit dem bis heute mysteriösen Spruch A.E.I.O.U, den er überall in seinem Herrschaftsgebiet anbringen ließ und für den es Dutzende Deutungen gibt. „Alles Erdreich ist Österreich Untertan" ist die schlichteste Auslegung, „Austria erit in orbe ultima" (Österreich wird bestehen bis ans Ende der Welt) eine andere. Bis heute hat sich diese Buchstabengruppe im Wappen der Militärakademie in Wiener Neustadt erhalten.

Bei all dem Mirakel, Debakel und Schuldenbergen des hartnäckig und unerschütterlich von der Sendung seines Hauses überzeugten Friedrich III. gelang ihm ein genialer Schachzug. Nämlich 1477 die Durchsetzung der Heirat seines ältesten Sohnes und Erben Maximilian mit der reichen Maria von Burgund, der Tochter von Karl dem Kühnen, der wenige Wochen vorher in einer Schlacht gefallen war. Mit dieser nicht unumstrittenen Hochzeit kam der Orden vom Goldenen Vlies zu den Habsburgern (wo er auch blieb) und die burgundischen Ländereien, zu denen Brabant, Flandern, Holland. Luxemburg und Lüttich gehörten. Eine angebliche Liebesheirat, die zu Krieg mit Frankreich führte. 1482 verunglückte Maria bei einer Falkenjagd so schwer, dass sie Tage später starb. Sie hinterließ drei Kinder, darunter Philipp, der mit dem Beinamen „der Schöne" in die Geschichte einging.

Maximilian folgte seinem Vater in den österreichischen Erbländern als Herrscher und in der Folge auch als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Hof hielt er vor allem in Innsbruck, Tirol hatte er von seinem Verwandten Sigismund übernommen.

Nun wird dieser Maximilian von der Geschichte auch mit dem Beinamen „der letzte Ritter" gehätschelt. Der Kaiser liebte angeblich Ritterturniere wie auch die Falknerei. Vom Erker, den er in Innsbruck an die Residenz des Tiroler Landesfürsten bauen ließ, dem Goldenen Dachl, aus, soll er die ritterlichen Festivitäten beobachtet haben. Das Goldene Dachl mit seinen 2657 feuervergoldeten Kupferschindeln zählt zu den Touristenattraktionen von Innsbruck, ebenso das Grabmal in der Hofkirche, mit den 28 überlebensgroßen Bronzestatuen, den „schwarzen Mandern", die Familienangehörige des Kaisers darstellen. Begraben wurde Maximilian in einer schlichteren Umgebung, nämlich in der Kirche von Wiener Neustadt.

Wie eine Spinne begann Maximilian knüpfen, die das Reich der Habsburger erweiterten. Sein Sohn Philipp, der von der verunglückten Mutter Burgund geerbt hatte, wurde mit Johanna, der Tochter der spanischen Könige Isabella und Ferdinand verheiratet. Philipps Schwester Margarete ehelichte den spanischen Thronfolger Juan, der allerdings kurz darauf starb. Kurzum, nach einigen familiären Streitigkeiten und dem frühen Tod von Philipp fiel in der Folge das spanische Reich samt Kolonien an dessen ältesten Sohn Karl, dem späteren Karl V, dem Enkel von Kaiser Maximilian. Nach dessen Tod wird Karl über ein Reich herrschen, in dem die Sonne nicht untergeht.

Zuvor aber setzt Maximilian den nächsten Schritt. Seine erst neunjährige Enkelin Maria wird mit dem gleichaltrigen Ludwig von Ungarn, dessen Vater König von Böhmen, Kroatien und Ungarn ist, vermählt. Gleichzeitig wird Ludwigs zwölfjährige Schwester Anna mit Maximilians Enkel Ferdinand, auch erst zwölf Jahre alt, in den Stand der Ehe gebracht. Das ganze Ereignis findet sich in den Ge-schichtsbüchern als „Wiener Doppelhochzeit" wieder und wird den Habsburgern dereinst die Kronen von Ungarn und Böhmen, die sie dann bis 1918 behalten, einbringen.

li. oben: „Festzug für Kaiser Maximilian': ein Holzschnitt von Albrecht Dürer - Foto: APA-PICTUREDESK., Das Grabmal für Maximilian in der Tiroler Hofkirche. Die Bronzefiguren wurden vom Volksmund die „Schwarzen Mander' genannt - Fotos: ANDREAS SCHAAD, APA
li. oben: „Festzug für Kaiser Maximilian": ein Holzschnitt von Albrecht Dürer - Foto: APA-PICTUREDESK.
Das Grabmal für Maximilian in der Tiroler Hofkirche. Die Bronzefiguren wurden vom Volksmund die „Schwarzen Mander" genannt - Fotos: ANDREAS SCHAAD, APA

All diese Heiratssachen haben natürlich ihren Preis wie auch dutzende Kriege - vor allem gegen Frankreich, aber auch in Italien oder gegen die vordringenden Osmanen -, die glanzvolle Hofhaltung, die Bestechungsgelder, damit Enkerl Karl dem Großvater als Kaiser nachfolgen kann. Weil der Habsburger unter notorischer Geldnot litt, fand sich ein kongenialer Finanzier aller politischen Großmachtspläne. Der Augsburger Bankier Jakob Fugger, der dafür vom Kaiser mit Verpfändungen von Silber- oder Kupferminen oder der Gewährung anderer Privilegien belohnt wurde. Der US-amerikanische Finanzexperte und Journalist Greg Steinmetz rechnete nach und weist in seinem 2015 erschienenen Buch Jakob Fugger als reichsten Mann der Weltgeschichte aus, mit einem Vermögen von 400 Milliarden Dollar nach heutiger Kaufkraft.

Wobei der Habsburger nicht davor zurückschreckte, sich selbst ritterlich in die Schlacht um das notwendige Kleingeld zu werfen. Um die Haushaltskasse aufzubessern, nahm der Witwer 1493 Bianca Sforza, deren Familie das Herzogtum Mailand innehatte, zur Frau. Eine nicht standesgemäße Braut zwar, aber eine sehr einträgliche. Laut Chronisten betrug die Mitgift 400.000 Dukaten in bar und Juwelen im Wert von 40.000 Dukaten. Und im Gegenzug schaut für den Onkel der Braut der Herzogtitel heraus. Auch diese Vermählung lief so ab, wie es damals in Herrscherhäusern krempelte in seinen österreichischen Erblanden die Verwaltung um, legte den Grundstein für eine zentrale Verwaltung und für das Berufsbeamtentum.

Der Kaiser, der das Reich vom 15. ins 16. Jahrhundert führte, konnte mit großzügigen Zuwendungen - ja, die Fugger ließen sich auch diesmal nicht lumpen - an die deutschen Fürsten noch durchsetzen, dass sein Enkel Karl zum deutschen König und damit zum Nachfolger für die Kaiserwürde gewählt wurde.

Ein nüchternes Bild des Kaisers zeichneten seine Zeitgenossen. Im Standardwerk „Die Habsburger", herausgegeben von Brigitte Vacha, wird Niccoló Machiavelli - der Autor von „Der Fürst" - zitiert, der Maximilian aus persönlicher Bekanntschaft beurteilte: „Er ist schwankend, weil er heute eine Sache will und morgen nicht." Auch andere Höflinge berichteten von einem zaudernden, sich überall einmengenden Kaiser. Doch Maximilians Selbstvermarktung griff besser als die schlechte Benotung durch den Techniker der Macht.

Er machte sich im Leben ein Gedächtnis. Auch mit seinem Sterben. Den Sarg führte er schon längere Zeit bei seinen Reisen mit. Der Kaiser litt an den Folgen eines Schlaganfalls, an einer Darmerkrankung und mit aller Wahrscheinlichkeit war er von der Syphilis gezeichnet. Während einer Reise, die den im 60. Lebensjahr stehenden Maximilian von Innsbruck nach Linz führen sollte, starb der Kaiser am 12. Jänner 1519 in Wels. Für den Todesfall hatte er klare Anweisungen hinterlas-sen. Der Leichnam durfte nicht einbalsamiert werden, die Zähne mussten ausgebrochen und der tote Körper gegeißelt werden. Als Buße. Der Kaiser bestimmte, dass er in Wiener Neustadt in der Georgskirche beizusetzen ist. Nach einer dreitägigen Aufbahrung im Wiener Stephansdom.

Mit seinem Tod war die Zeit der Ritter endgültig beendet, die durch die technischen Entwicklungen ohnehin überholt gewesen war. Doch was die Selbstvermarktung betraf, blieb Maximilian bis zuletzt modern. Flugblätter verkündeten im Reich den Tod des letzten Ritters. Auch zum Schluss machte sich Maximilian ein Gedächtnis.

Kleine Zeitung, 13. Jänner 2019


Siehe auch

-- Lanz Ernst, Freitag, 25. September 2020, 14:01