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Die Mystik der Habsburger decodiert#

Die Laurentiuskirche in Wien Breitensee birgt einen einzigartigen Zyklus von Glasgemälden zur Kreuzesfrömmigkeit des altösterreichischen Kaiserhauses.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE (Mittwoch, 1. Juni 2011)

Von

Wolfgang Bahr


Mittelalter: Glasfenster in der Pfarrkirche Breitensee in Wien XIV. König Rudolf I. von Habsburg (1218–1291) vereidigt die Kurfürsten auf das Kreuz., Foto: © Herbert Stöcher/Pfarre Breitensee
Mittelalter: Glasfenster in der Pfarrkirche Breitensee in Wien XIV. König Rudolf I. von Habsburg (1218–1291) vereidigt die Kurfürsten auf das Kreuz.
Foto: © Herbert Stöcher/Pfarre Breitensee

Neuzeit: Glasfenster in der Pfarrkirche Breitensee in Wien XIV. Erzherzog Ferdinand III. (als Kaiser: Ferdinand II., 1578–1637) betet in höchster Not zum Kreuz)., Foto: © Herbert Stöcher/Pfarre Breitensee
Neuzeit: Glasfenster in der Pfarrkirche Breitensee in Wien XIV. Erzherzog Ferdinand III. (als Kaiser: Ferdinand II., 1578–1637) betet in höchster Not zum Kreuz).
Foto: © Herbert Stöcher/Pfarre Breitensee

Neuzeit: Glasfenster in der Pfarrkirche Breitensee in Wien XIV. Kaiser Leopold I. (1640–1705) betet zu Maria für seine Residenzstadt Wien. Foto: © Herbert Stöcher/Pfarre Breitensee
Neuzeit: Glasfenster in der Pfarrkirche Breitensee in Wien XIV. Kaiser Leopold I. (1640–1705) betet zu Maria für seine Residenzstadt Wien. Foto: © Herbert Stöcher/Pfarre Breitensee

Die Klagen von Lehrern, Fremdenführern und nicht zuletzt von kirchlichen Amtsträgern werden immer lauter, dass den Zeitgenossen Grundkenntnisse von Geschichte, Kunst und Kirche rapid abhanden kämen. Aber auch in der Tradition fest verwurzelte und gebildete Katholiken stehen manchmal vor einem Rätsel. Unzählige Male hatte Stefan Malfer, Mitarbeiter der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und aktives Mitglied der Pfarrgemeinde Breitensee, die Glasfenster in der Laurentiuskirche bestaunt.

Kreuzesfrömmigkeit#

Die Porträts von Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth, die Kaiserkrone, auch die dargestellten Personen und Themen waren dem Umstand zu verdanken, dass die Kirche eine Kaiser-Jubiläums-Kirche ist – mehrere Inschriften weisen auf das goldene Regierungsjubiläum des Jahres 1898 hin. Da überraschen Herrscher und Heilige wie Rudolf I., der spätere Kaiser Ferdinand II. und Marco d’Aviano nicht; selbst der römische Kaiser Konstantin tanzt nicht wirklich aus der Reihe, sahen die Habsburger in ihm doch einen Ahnherrn auch in ihrem Bekenntnis zum Christentum. Und König Stephan von Ungarn war natürlich der Doppelmonarchie geschuldet.

Was die Darstellungen aber im Innersten zusammenhält, eröffnete sich dem aus Südtirol gebürtigen Historiker erst bei der Lektüre von Anna Coreths Klassiker „Pietas Austriaca“ und von Ferdinand Zöhrers „Geschichtsbildern aus Österreich“, die ein Kapitel mit dem Titel „Habsburgs Kreuzesanker“ enthalten. Es ist die habsburgische Kreuzesfrömmigkeit, die die Kunstwerke verbindet. Kaiser Konstantin erblickt vor der Schlacht an der Milvischen Brücke in der Sonne ein Kreuz, in dessen Zeichen er siegen wird; Rudolf ergreift in Ermangelung seines Szepters ein Kreuz, um die versammelten Kurfürsten zu vereidigen; Ferdinand erfleht vor einem Kreuz die Errettung, als er in der Wiener Hofburg von Protestanten bedrängt wird; Marco d’Aviano hält in der Linken ein Kreuz, als er mit seiner Rechten die Feldherren vor dem Entsatz Wiens in der Zweiten Türkenbelagerung segnet.

All diese Geschichten seien zur Entstehungszeit der Glasgemälde „allgemein bekannt und tief eingesunkenes Volkswissen“ gewesen, weist Stefan Malfer anhand zahlloser Schulbücher, bildlicher Darstellungen und Predigten nach, denn der habsburgische Patriotismus war aufgrund seiner religiösen Färbung mit der katholischen Kanzel kompatibel.

Der Historiker weiß auch zu erklären, warum bei dem Breitenseer Gemäldezyklus nicht die beiden anderen Komponenten der „Pietas Austriaca“ zum Zug kamen, nämlich die eucharistische und die Marienfrömmigkeit: Die Kreuzesfrömmigkeit sei als die intimste Frömmigkeit des Herrscherhauses am ehesten mit dem bereits konstitutionellen Staat vereinbar gewesen, in dem der Katholizismus heftigen antiklerikalen Angriffen ausgesetzt war.

Es macht einen wesentlichen Reiz des mit prachtvollen Farbtafeln Herbert Stöchers ausgestatteten, vom Böhlau Verlag mit größter Sorgfalt betreuten Dokumentationsbands über die Breitenseer Glasfenster aus, dass sich in der Person des Autors profunde Wissenschaft und Mitleben mit der Kirche paaren. Stefan Malfer liegen Bilderstürmerei und Beschönigung von Missständen gleichermaßen fern: „Am Ende bleibt es uns unbenommen, uns ein Urteil zu bilden und unsere eigene Sichtweise und Interpretation zu entwickeln. Zuerst aber müssen wir innehalten und zu verstehen versuchen.“

Innehalten und verstehen#

Es sei vor allem das Verdienst des Vorsitzenden des Kirchenbauvereins, des ersten Pfarrers von Breitensee Ferdinand Ordelt, gewesen, in den Gemälden jegliche Provokation etwa durch Drohgebärden, Kampfhandlungen oder gar antisemitische Andeutungen, wie sie damals im kirchlichen Bereich durchaus vorkamen, zu vermeiden, so der auch ökumenisch engagierte Autor. Und geradezu erleichtert stellt er abschließend fest: „Die Geschichten hinter diesen Bildern sind das Eine, die unmittelbare Wirkung der Bilder ist das Andere. Betende, segnende und Werke der Barmherzigkeit übende Menschen passen wohl auch heute noch in einen Kirchenraum.“

Buchcover

Kaiserjubiläum und Kreuzesfrömmigkeit

Von Stefan Malfer

Farbtafeln: Herbert Stöcher. Böhlau Verlag 2011. 144 Seiten, geb., 35,–

DIE FURCHE, 1. Juni 2011


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