Von Varianten in der Schreibweise unserer Familiennamen#
Dr. Anna L. Staudacher
Die Rechtschreibung von Familiennamen wurde erst zu Ende des 19. Jahrhunderts fixiert: Bis dahin wurde ein Name so festgehalten wie er "gelautet" hat, d.h. wie ihn der Schreiber verstanden hat. Abschriften wurden in Schreibstuben von Kopisten verfertigt. Personaldokumente wurden entweder zur Gänze handschriftlich ausgestellt oder man füllte einen vorgedruckten Lückentext aus, ergänzte diesen etwa mit Namen, Geburtsort und -datum, Wohnort und Beruf. Lag bereits etwas Schriftliches vor, so hatte man mit dem Entziffern von derartiger Schriftstücke mitunter große Schwierigkeiten, vor allem dann, wenn man nicht wußte, wie ein gegebener Name lauten sollte. Waren gleich mehrere Abschriften von ein und demselben Schriftstück erforderlich, so wurde zumeist diktiert: einer diktierte, die anderen schrieben, auch Namenslisten und Indices wurden in ähnlicher Weise erstellt.
Im Allgemeinen war man bestrebt, einen Namen so festzuhalten, dass er im Klang wiederzuerkennen war, im Vielvölkerstaat der Monarchie kam es allein dadurch je nach Nationalität und Mundart des Schreibers zu zahlreichen Namensvarianten in der Schreibung, Silben und Endungen wurden verschluckt oder auch hinzugefügt, indem man dachte, so und doch nur so müsse ein Name lauten. So enden in der deutschen Sprache zahlreiche Namen auf -er, insbesondere Berufs- und Herkunftsnamen. Einmal konnte diese Endung ja wirklich leicht "verschluckt" werden, was den einen ganz recht war, klang doch ein Name wie Mosing schon nobler als Mosinger, andererseits galt Juden und Konvertiten gerade dieses unscheinbare -er als Zeichen einer geglückten, erfolgreichen Integration - aus Hönigshof wurde Hönigshofer. Dieses Endungs -er konnte in der Lateinschrift auch ganz leicht zu einem -a verlesen werden. Andererseits wurde und wird in der Wiener Mundart ein Endungs -er als Endungs-a gesprochen, z.B. Mutter-Mutta - Namensvarianten wie Zwirner - Zwirna, Sekler - Sekla können daher sowohl durch die Übertragung von einem Dokument ins andere entstanden sein als auch bei einer Protokollierung "nach (mündlicher) Angabe".
Heute sind unsere Familiennamen geschlechtsneutral, das war nicht immer so, bis etwa zur Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert fügte man bei Mädchen und Frauen dem Familiennamen die Geschlechtsendung -in hinzu, Familiennamen hatten in jener Zeit jeweils eine männliche und weibliche Form, was in den folgenden Jahrzehnten, zu Beginn des 19. Jahrhunderts radikal abgebaut wurde. Einige Zeit gab es beide Formen, wie es die jeweiligen Schreiber gerade für richtig empfanden, z.B. einmal Huefin im Haupteintrag, Huef jedoch im Index. Nur bei slawischen Namen hielten sich in Wien die ihnen eigenen weiblichen Formen länger, vor allem bei unehelichen Kindern, welche dem ABGB zufolge den Geschlechtsnamen der Mutter zu tragen hatten, z.B. war Eleonore Woticka (Voticka) die Tochter von Joachim Woticky, ihr Sohn namens Albert wurde als uneheliches Kind nicht unter Woticky sondern als Albert Woticka eingetragen -Woticka, nach seiner Mutter.
Leicht konnte etwas "verschluckt" werden, wie ein zwischen zwei Konsonanten befindliches unbetontes e , besonders häufig am Wortende, in der Endung -el: Zeis(e)l, Mand(e)l, Gerst(e)l, ... nicht nur am Wortende:
Ab(e)les, Hutt(e)rer, Eng(e)lhart, ... . Auch ganze Silben konnten verschwinden: Blum(en)feld, Alm(en)stetter, aus Schoriot wurde Scho, aus Hornung Horn. Einzelne Buchstaben oder Laute konnten jedoch auch hinzugefügt werden, einmal, weil man tatsächlich meinte, so und nicht anders müsse ein bestimmter Name lauten, zum anderen, weil es ja darum ging, das Lautbild eines Namens festzuhalten, genau so, wie man ihn vernommen hat. Hin und wieder schlich sich ein b als Gleitlaut zwischen m und s, aus Samstag wurde Sambstag, aus Gams Gambs, schließlich Gamps. Kamen Zweifel auf, dann wurden gleich beide Varianten festgehalten.
Häufig treffen wir auch auf den Wechsel von weichen und harten Verschlusslauten, von b und p, welcher überaus häufig auftrat, im Anlaut, in der Wortmitte und am Wortende: Blonski - Plonski, Probst - Propst, Korb - Korp, ... . Nicht so häufig kam es zu einem Wechsel von d und t, wie in Dänzer - Tänzer, Leinhard - Leinhart; seltener wurden g und k ausgetauscht, wie z.B. in Gahn - Kahn, Figdorovitsch - Fiktorowitsch, Ludwig - Ludwick, ... .
Namensvarianten ergaben sich nicht nur durch die Austauschbarkeit bestimmter Konsonanten, auch Vokale waren nicht so festgelegt, überaus häufig kam es zum Wechsel von a und o, was ganz sicherlich vor allem durch die Wiener Mundart bedingt war: Schuld daran war ein Mittellaut, ein abgedunkeltes a, das von manchen noch als a interpretiert wurde, von anderen aber als o - so kam es zu den Namensvarianten wie Walfisch - Wolfisch, Kapper - Kopper, Barvil - Borvil. Schon seltener erscheint der Wechsel von a mit e : Einige Beispiele: Jamnitzer - Jemnitzer, Ungar - Unger. Nicht ganz so häufig wie a und o wechselten o und u, z.B. in den Namen Margolies - Margulies, Politzer - Pulitzer und Cohn - Kuhn.
Auch (geschlossenes) e und i lagen eng beieinander und waren daher austauschbar: Leon - Lion, Suschetzky - Suschicky, Morawetz - Morawitz. Umlaut-Vokale wie ä, ö und ü wechselten mit lautlich ähnlich klingenden einfachen Vokalen, mit e bzw. i: Kämpf - Kempf, Färber - Ferber, Mändel - Mendel; Hecht - Höcht, Geppert - Göppert, Lehnert - Löhnert; Schüller - Schiller, Würth - Wirth. Umlaut ö konnte auch mit dem Diphtong eu wechseln: Schöringer - Scheuringer, eu wieder mit ai, ay und ei, ey: Breuer - Breyer - Breier, eu und äu waren austauschbar, bloße Schreibvarianten: Käusch - Keusch.
Um Schreibvarianten - gleiche Aussprache, verschiedene Verschriftlichung - ging es auch beim Wechsel von k und ck, wie in Ekstein - Eckstein oder Telek - Teleck. C vor a, o und u als k gesprochen wurde auch als simples K verschriftlicht, so Cantor - Kantor, Cohn - Kohn, ebenso in Benedict - Benedikt. Etwas Gutturales, wie ein intervokalisches ch in Tachezi, konnte einerseits sich zu h reduzieren, andererseits sich zu einem ck aufbauen: Tachezi - Tahezi - Tackezi. Doppelkonsonanten wechselten überaus häufig mit ihrer einfachen Form, nahezu jeder Konsonant konnte als Doppelkonsonant auftreten, häufig waren es die harten Verschlusslaute p und t, dann f, l, m, n, r und s: Pope - Poppe, Bata - Batta, Ofenbach - Offenbach, Bramer - Brammer, Bruner - Brunner, Schor - Schorr.
Am häufigsten war wohl der Wechsel von l und ll, wie in Balner - Ballner, Kolinsky- Kollinsky, Skal - Skall. S wechselte mit ss, ss wurde in der Lateinschrift, auch in der lateinischen Rundschrift, für das deutsche scharfe-ß gesetzt: Jasniger - Jassnüger - Joßnüger. Vor einem Doppelkonsonanten werden Vokale kurz gesprochen, um einen langen Vokal zu erhalten, konnte man a, e und o doppelt setzen, woraus wieder Doppelformen entstehen konnten, wie in Maaß - Mass, Weegscheider - Wegscheider, Boode - Bode. Mit einem nachgestellten h konnte dieselbe Wirkung erreicht werden, z.B. bei Haan - Hahn, Paalen - Pahlen, bei i hingegen wird - um dieselbe Wirkung zu erzeugen - normalerweies ein e nachgestellt - und wieder erscheinen Doppelformen wie Spieler - Spiller, Kieser - Kiser.
Im Vielvölkerstaat der Donaumonarchie wurden Namen eingedeutscht, deutsche Namen an slawische Schreibweisen angepasst: Polacek - Pollatschek, Spitzer - Spiczer, Salzberger - Szalczberger, Zwillinger - Cvilinger. Andererseits konnten Namen durch eine andere Aussprache in einer Weise verfremdet werden, dass aus der neuen Schreibweise wohl kaum mehr die ursprüngliche Schreibung und Herkunft zu erkennen war, wie beispielsweise bei Jolles, Broch und Cocheles - in französicher Aussprache deutsch zu Scholl, Brosch und Coschell verschriftlicht.
Bis zum Jahr 1941 war die Kurrentschrift ganz eng mit der deutschen Sprache verbunden, die Lateinschrift hingegen wurde in ihrer einfachen Form oder als "Rundschrift" in einem kurrentschriftlichen Text bloß bei Fremdwörtern, eventuell bei Namen, zur Hervorhebung von Datumsangaben und - wie heute - bei Geldbeträgen zur größeren Rechtssicherheit eingesetzt. Nicht selten kam es im Nebeneinander beider Schriftsysteme zu Irrtümern und damit zu Namensveränderungen. So kam es immer wieder zu Verwechslungen beim s der Rundschrift, welches exakt so aussah wie ein Kurrent-h, zusammengefügt mit einem kleinen runden s vertrat es das scharfe-ß der Kurrentschrift. In späterer Zeit kam es bei der nachträglichen Anlegung von Indices wiederholt zu Irrtümern, wie beispielsweise um das Jahr 1940 beim Anlegen eines Namensindex für die Handschrift der Wiener Memorabilien, wo jenes s, das wie ein Kurrent-h aussieht, tatsächlich mit h transkribiert wurde, aus Jassnüger wurde Jahsnüger.
In der Kurrentschrift sehen sich u, n und e oft zum Verwechseln ähnlich, sind kaum voneinander zu unterscheiden - es entstanden Namensvarianten mit n und u in Tanz - Tauz, Zikan - Zikau (mit u-Haken!), wie auch mit e und u in Speller - Spuller und Zelzer - Zulzer.
Wurde in der Lateinschrift die Lasche von r zu weit auf die Zeile hinuntergezogen - so konnte daraus ein n entstehen, oder umgekehrt, die Lasche von n blieb hängen, Jonas steht nun neben Joras, Kröpfelmacher neben Knöpfelmacher. Ein zu kurz geratenes l konnte zu einem e mutieren wie in Campbel - Campbele oder Iltis - Ietis, und nach einem i ganz verstummen wie in Pilpel - Piepel. Ein l konnte sich auch als t präsentieren bzw. umgekehrt, wie in Huppert - Hupperl, Couton - Coulon, in Schotz - Scholz und Neuwall - Neuwalt. Hin und wieder wurde ein üppiges e zu o verlesen, oder o geriet so schmal, dass es als e interpretiert werden konnte wie in Perdan - Pordan. Ein e konnte sich zu c reduzieren, ein c durch Kursivierung sich in ein e verwandeln, Pick in Piek, Hock in Hoek, Massock in Massoek und weiter in Massök, relativ häufig bei sch: Schilo zu Sehilo.
Ein Schreiber mit slawischer Muttersprache konnte bei der Endung -er in Versuchung geraten, diese als -cz aufzulösen, er brauchte e nur als kursiviertes c auffassen, das nachfolgende vertraute z ergab sich dann unschwer aus dem Endungs -r: Zerner - Zerncz.
Umlaut-Vokale wechselten bisweilen auch mit dem Grundvokal - zu häufig, als dass ein solcher Wechsel auf die Nachlässigkeit eines Schreibers zurückgeführt werden könnte, der es unterließ, die Umlautstriche zu setzen: Wahringer - Währinger, Loser - Löser, Burger -Bürger. Ein u-Haken seinerseits konnte sich tildenförmig in distinkte Umlautzeichen auflösen. Es scheint absolut keinen Unterschied gemacht zu haben, ob nun ein Name mit oder ohne Umlaut geschrieben (und gesprochen) wurde.
Buchstaben wurden auch vertauscht: Als David Gelber, wurde der aus Czernowitz stammende Mediziner in das Taufbuch der evang. Kirche AB Währing eingetragen, im Übertrittsprotokoll finden wir ihn jedoch als David Gebler wieder.
Bisweilen war für das Vertauschen von Buchstaben, ein verrutschter i-Punkt verantwortlich, so ganz sicherlich in Weiner, Wiener, Meiser - Mieser, Freidmann - Friedmann und Corolani - Corolain.
Auch Großbuchstaben waren nicht unangreifbar, alte Formen gerieten in Vergessenheit, wie beispielsweise das C, in seiner altertümlichen Form dem heutigen L recht ähnlich . Aus Camilla wurde Lamilla, aus Cohn Lohn. Eine ganze Reihe von Großbuchstaben wurden miteinander werwechselt, B und R in Bessel-Ressel, J und T in Samek - Jamek, Jaussig - Taussig, K mit H in König - Hönig, M und W in Mettendorfer - Wettendorfer, nicht selten F und T, wie in Frankel - Trankel, Fritsch-Tritsch und Fischler-Tischler oder Frey - Trey, es konnte noch schlimmer kommen wie bei Il(l)itsch - Nitsch, in welchem sich I und l zu einem N verschmolzen hatten!
Bei der Übertragung von Namen, beim Abschreiben, um leichter eine bestimmte Zeile im abzuschreibenden Text wiederzufinden, behalfen sich Schreiber nicht selten mit einem Blatt Papier oder mit einem Lineal, das sie unter jene Stelle legten, die sie gerade im Begriff waren abzuschreiben. Dieses Stück Papier bzw. das Lineal verdeckte nun die Unterlängen, gelesen wurde folglich nur das, was auf der Zeile stand, d.h. was übrig blieb von Buchstaben wie g, j, p, x (in der alten Form) und y: Lustig - Lustia, Porjes - Pories, Fux - Fua, Brody - Broda, Krzepicki - Krzehicki, und in einer weiteren Reduzierung von e zu c - Krzchicki.
Bei der mündlichen wie bei der schriftlichen Protokollaufnahme von Namen spielten bisweilen auch Assoziationen eine gewisse Rolle, wie bei Barndorf - Barnfeld, Felsenberg - Felsenbach, Seywald - Seywall, Buchfelder - Buchwälder, Deblanco - Delbanco.
Literatur#
Anna L. Staudacher, Taussig - Jaussig - Dausek. Namensveränderungen in Wiener Matriken und ähnlichen seriellen Quellen (18./19. Jhdt.), Teil 1, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (MIÖG) 110 (2002), 329-360; Teil 2, in: MIÖG 113 (2005), 108-134,in einer gekürzten Fassung: Schriftinterferenzen, Hörfehler und Verballhornungen. Namensveränderungen im 19. Jhdt., in: 58. Deutscher Genealogentag in Wien, 15.-18. September 2006.
CD Heraldisch-Genealogische Gesellschaft "Adler" [Wien 2007].