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Wilhelm von Tegetthoff (1827-1871)#


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem Buch: Große Österreicher. Thomas Chorherr (Hg). Verlag Carl Ueberreuter, Wien. 1985.


Admiral Tegetthoff
Admiral Tegetthoff
© Kronprinzenwerk

"Ich erachte es als meine Pflicht, Ihnen, Herr Admiral, zu erklären, daß ein solches Vorgehen mir zum öffentlichen Austausch von Höflichkeitsakten zwischen den Kriegsschiffen zweier befreundeter Nationen wenig geeignet scheint und kaum in Übereinstimmung zu bringen ist mit jenen guten und freundschaftlichen Beziehungen, welche zwischen den Regierungen Seiner Majestät meines erlauchten Souverains und Ihrer Majestät der Königin von England herrschen."

Der Mann, der dieses nicht gerade freundliche Handschreiben dem britischen Vizeadmiral Sir Houston Stewart, Kommandant des Linienschiffs »Hannibal«, an Bord bringen ließ, war ein 28 Jahre alter k. k. Linienschiffsleutnant namens Wilhelm von Tegetthoff, Kommandant der österreichischen Fregatte »Taurus«.

Die Szene spielt im Hafen der griechischen Insel Syros an einem Septembertag 1855. Die »Taurus« war am frühen Morgen eingelaufen. Nebel lagen über dem Meer, und als die österreichische Fregatte neben dem bereits vor Anker liegenden Engländer vertäut wurde, nahm dieser die Österreicher nicht zur Kenntnis. Namentlich wurden, wie der ergrimmte junge österreichische Kommandant schrieb, »zwei Höflichkeitsacte unterlassen, welche bei allen Nationen gebräuchlich sind«. Es ging darum, die Flagge auf dem Topmast zu hissen und ein Boot auszusetzen, um den Komman¬danten des neuangekommenen Kriegsschiffs zu begrüßen.

Ob sich der britische Vizeadmiral, von dem um vieles jüngeren österreichischen Offizier gerügt, sehr »geniert« hat, berichtet die Historie nicht. Wohl aber weiß man, daß Sir Houston Stewart prompt flaggen ließ und persönlich an Bord der »Taurus« kam, um Tegetthoff die Hand zu reichen. Die Geschichte, so belanglos sie sein mag, zeigt doch ein wesentliches Merkmal der Persönlichkeit des späteren Oberkommandierenden der k. u. k. Kriegsmarine: nicht persönliche Eitelkeit, sondern Achtung der Regeln. Nicht das In-den-Vordergrund-Rücken der eigenen Person, sondern Be-dachtnahme darauf, daß dem Vaterland, der Heimat, der man dient, die gebührende Achtung gezollt wird. Wilhelm von Tegetthoff hat dies sein Leben lang so gehalten. Er mag das gewesen sein, was man im landläufigen Sinn einen »Seehelden« nennt. Aber er war mehr. Er war ein Mensch der Selbstdisziplin. Und er ist zudem ein Schiffsoffizier gewesen, der die Aufgabe der Kriegsmarine keineswegs im ersten Teil des Wortes begründet sah. Für Tegetthoff ist der Begriff Marine wichtiger gewesen als der Begriff Krieg.

In der Tat hat die österreichische Kriegsmarine mindestens soviel geforscht wie gefochten. Und wenn Tegetthoff heute zumeist als der Sieger von Lissa in der Seeschlacht gegen die Italiener vor der kleinen dalmatinischen Insel bekannt ist, so war dies wohl ein wichtiges Ereignis, hat aber nicht sein Leben geprägt. Schon fast ein Dezennium vorher ist er im Golf von Aden unterwegs gewesen, um als Reisender, nicht als Schiffskommandant, jene Weltgegend zu erkunden, in welcher der Suezkanal projektiert war. Gemeinsam mit einem Reisegefährten mietete er damals, 1859, eine Dahabie, ein einheimisches Segelschiff, durchkreuzte mit einer eingeborenen Besatzung das Rote Meer, wurde von aufrührerischen Eingeborenen gefangengenommen, konnte das geforderte Lösegeld von 4 000 Talern auf 1 100 herunterhandeln - und mußte schließlich in Aden vier Wochen lang ausharren, weil er völlig »abgebrannt« war und es so lange brauchte, bis Geld aus der Heimat eintraf und er heimkehren konnte.

Wilhelm von Tegetthoff: gewiß, der Name erinnert an das berühmte Romako-Gemälde - der Admiral, von Pulverrauch umgeben, auf der Brücke seines Schiffes, den Angriffsbefehl gebend. Das ist die eine Seite des Mannes. Die andere ist Tegetthoff, der Erkunder und Erforscher. Der in Marburg 1827 geborene Sohn eines Stabsoffiziers hätte, wäre es nach den Eltern gegangen, eigentlich einen Zivilberuf ergreifen sollen. Aber es drängte ihn zur See, der Vater ließ ihn gewähren, Wilhelm besuchte die Seekadettenschule in Venedig, das damals österreichisch war, und ging am 23. Juli 1845 als »effectiver Marinekadett« erstmals im regulären Dienst an Bord eines Schiffs. Es war der Anfang einer Karriere, die ihn bis an die Spitze der Marine bringen sollte.

Tegetthoff avancierte schnell. Bald wurde der Bruder des Kaisers, Erzherzog Ferdinand Maximilian, Chef der Kriegsmarine, auf den jungen, talentierten und engagierten Offizier aufmerksam. In seinem Auftrag absolvierte er die abenteuerliche Erkundungsreise ins Rote Meer, zusammen mit Erzherzog Maximilian verfolgte auch Tegetthoff mit großem Interesse die Weltumseglung der Fregatte »Novara«, die mit reichem Forschungsmaterial heimkehrte. Es lockte den Marineoberkommandierenden, selbst ein solches Forschungsunternehmen mitzumachen. Gemeinsam mit seinem Adjutanten Tegetthoff ging er an Bord der Fregatte »Elisabeth«, nicht um neuerlich eine Reise rund um den Globus anzutreten, sondern um eine mehrmonatige Fahrt nach Brasilien zu unternehmen.

Tegetthoff kommandierte das Schiff, die Reise dauerte vom 14. November 1859 bis zum l. April 1860. Als erste österreichische Marineeinheit querte die »Elisabeth« damals den Äquator, mit reichem botanischem, zoologischem und geographischem Material kamen die Österreicher nach Hause.

Für Wilhelm von Tegetthoff wird jetzt der Kriegsdienst wieder aktuell. Im Krieg gegen Dänemark, den Österreich an der Seite Preußens um Schleswig führt, erficht der inzwischen zum Linienschiffskapitän beförderte Offizier als Flottenabteilungskommandant einen Sieg bei Helgoland gegen eine dänische Eskadron, die Elbe und Weser blockiert. Er wird Konteradmiral, der Kaiser verleiht ihm das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens. In dem für Österreich so verhängnisvollen, für Tegetthoff freilich ruhmreichen Jahr 1866 erreicht der Admiral dann den Gipfel seines Lebens als Kommandant einer fechtenden Einheit. Nur wenige Wochen nach der verlorenen Schlacht bei Königgrätz, erleiden die mit Preußen verbündeten Italiener, die auch zu Lande geschlagen wurden, durch die von Tegetthoff kommandierte österreichische Flotteneinheit bei Lissa eine vernichtende Niederlage. Admiral Persano, der Befehlshaber der italienischen Eskadron, hat damals über elf Panzerschiffe verfügt, Tegetthoff nur über sieben. Dennoch haben die Österreicher gesiegt: entscheidend war dabei der Rammstoß, den das von Tegetthoff persönlich befehligte Admiralschiff »Ferdinand Max« dem italienischen Flaggschiff »Re d'Italia« versetzte. Das italienische Panzerschiff wurde dabei in den Grund gebohrt, vier andere wurden kampfunfähig, der Rest der italienischen Flotte zog sich schwer beschädigt zurück.

Der Sieger von Lissa ist damals zum Vizeadmiral befördert worden, ein Regen von Ehrungen ging auf ihn nieder, so wurde er mit dem Kommandeurkreuz des Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet. Und doch reichte er wenig später, keine 40 Jahre alt, um seinen Rücktritt ein, tief enttäuscht und verbittert. Denn in der Siegesfreude - und weil die Italiener verbreitet hatten, auch das österreichische Panzerschiff »Kaiser« sei vernichtet worden - hat Tegetthoff damals an Bord der »Kaiser« ein Sieges-Festbankett veranstaltet. In Wien erfuhren mißgünstige Hofräte davon, rechneten die Kosten des Festessens aus, meinten, daß der Admiral seine Befugnisse überschritten habe und mit den Spesen allzu freizügig umgegangen sei, kurz: man warf ihm vor, eitel und verschwenderisch zu sein.

Tegetthoffs Pensionierungsansuchen wurde vom Kaiser verworfen, aber der Admiral wurde auf einen längeren Urlaub geschickt, den er zu einer Studienreise nach England und in die USA benützte, wo er Schiffswerften besichtigte. Nach Hause zurückgekehrt, ist er mit offenen Armen begrüßt und vom Kaiser huldvoll wieder aufgenommen worden.

Ihm wurde dann auch die Auszeichnung zuteil, die historische »Novara« noch einmal zu kommandieren. Als sie nämlich von Mexiko die Leiche des erschossenen einstigen Marineoberkommandierenden heim nach Österreich brachte, des Erzherzogs Ferdinand Maximilian, den die Verstrickungen der europäischen Machtpolitik zum Kaiser in der Neuen Welt - und vor ein Exekutionspeloton gebracht hatten.

Wilhelm von Tegetthoff stieg weiter auf. Er wurde Vizekriegsminister und selbst Oberkommandierender der Kriegsmarine. Er hat in dieser Funktion nicht nur die Erneuerung der Flotte begonnen, sondern auch das Seeverwaltungswesen entstaubt, modernisiert und umgekrempelt. Er hat Schulen in Pola, dem Kriegshafen der Monarchie, eingerichtet. Er ist einer der populärsten Figuren des Landes geworden.

Mit 44 Jahren ist er dann plötzlich gestorben. Im Delirium phantasierte er von Organisationsentwürfen und von Budgetzahlen. Seinen Tod betrauerte die ganze Monarchie, die Leiche wurde als besondere Ehrenbezeugung durch die Burg geführt, inmitten einer großen Truppenparade.

Dann aber fuhr der Leichenwagen ganz allein zum Matzleinsdorfer Friedhof, die Truppen kehrten in die Kasernen zurück. Waren da noch einmal die Hofräte am Werk gewesen? In einer Zeitung stand rügend über den plötzlichen Abbruch des Kondukts: »Ein Tegetthoff wäre dessen schon wert gewesen, und wenn schon allenfalls etwas mehr Fatigue für die Truppen herausgekommen wäre, man hätte denselben dafür den nächsten Übungsmarsch erlassen können.«
Aber dafür hat Wilhelm von Tegetthoff ein schönes Denkmal bekommen.


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