Herrn Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll#
Von
Herbert Kohlmaier
Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 56/2012
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, lieber Erwin,#
neulich hast Du Dich bei einer ökumenischen Begegnung für die „ausgezeichnete Zusammenarbeit“ zwischen dem Land und den Kirchen bedankt. Da Du damit vor allem die Römisch-katholische angesprochen hast, muss ich Dir meine Verwunderung über diese Aussage mitteilen, die ich für zu wenig überlegt halte.
Hat doch seinerzeit gerade in Deinem Bundesland eine verfehlte Bischofsernennung argen Flurschaden in der Kirche angerichtet. Der nun im Amt befindliche Dr. Küng wird zwar zu Dir immer sehr nett sein, aber ein beliebter und geachteter Volksbischof ist er wohl nicht. Er wird wie alle seine Amtskollegen von Rom ferngesteuert; bei ihm kommt noch dazu, dass er einer zusätzlichen Kommandozentrale unterstellt ist, dem Opus dei. Jener sektenartigen Organisation konservativer Eiferer, die immer mehr Einfluss auf die Kirchenleitung nimmt.
Es kann Dir also, lieber Herr Landeshauptmann, doch nicht entgangen sein, dass sich der Vatikan seit einiger Zeit von der alten und ehrwürdigen Tradition losgesagt hat, dass die „Oberhirten“ im Einklang mit der Ortskirche berufen werden und ihren Dienst leisten. Nun werden nur mehr noch Filialleiter Roms ernannt, die in bedingungslosem Gehorsam die rückschrittliche Linie der Zentrale umzusetzen haben.
Ebenso kann es Dir nicht verborgen geblieben sein, dass dieser Kurs zu einer schweren Krise geführt hat. Massenhafte Kirchenaustritte finden statt, es gibt keinen geeigneten und schon gar nicht einen ausreichenden Priesternachwuchs. Die Seelsorge trocknet aus, Pfarren verwaisen. Das kann Dir doch um Gottes Willen nicht gleichgültig sein oder gar Ergebnis einer „ausgezeichneten Zusammenarbeit“!
Sehr viele Kirchenmitglieder leiden darunter und ringen um eine Kursänderung, um jenes „Aggiornamento“, welches das Konzil in die Wege geleitet hat, das aber nun verraten wird. Fühlst Du Dich als Landeshauptmann nicht auch diesen Deinen Wählern verpflichtet? Je heftiger Du – was an sich Deine sympathische Art ist – der Hierarchie kräftig auf die Schulter klopfst, um so mehr könnten das diese Menschen als Ohrfeige für sich selbst empfinden.
Hast Du mit Deinem bewundernswerten Gespür noch nichtwahrgenommen, dass die Beziehungen zwischen Staat und Kirche längst neu überdacht werden müssten? Wenn ein Politiker nach China reist, schaut die ganze Welt hin, ob er auch die Wahrung der Menschenrechte einmahnt. Ob diese auch in der größten Kirche unseres Landes geachtet werden, scheint unseren Regierenden aber egal zu sein. Zu diesem gravierenden Problem haben die Reformbewegungen eine wissenschaftliche Enquete abgehalten, deren Ergebnisse ich Dir auf Wunsch gern zur Verfügung stelle.
Du reihst Dich bei jenen Politikern ein, die es sich viel zu leicht machen angesichts der Tatsache, dass wir uns da letztlich einer Macht außerhalb unser Land beugen müssen – und das keineswegs zum Segen! Denke nur an die üblen Versuche, die sexuellen Verfehlungen, die in einem zum Zölibat gezwungenen Klerus vorkamen, zu vertuschen oder zu verniedlichen. Aber man hört immer nur, dass man sich „in die inneren Angelegenheiten der Kirche nicht einmischen“ wolle.
Auf der anderen Seite sind der Kirche erhebliche Rechte und Privilegien eingeräumt. Aber man schaut nicht hin, ob da alles in Ordnung ist, wie man es in unserem demokratischen Rechtsstaat sonst bei jedem kleinsten Verein macht. Damit Du mich nicht missverstehst: Nach wie vor geschieht in der Kirche unendlich viel Gutes, nämlich an der „Basis“. Es gibt noch – die Betonung legt auf diesem Wort – großartige Seelsorger, doch haben sie keinen Nachwuchs mehr. Aber das System, mit dem Du ausgezeichnet zusammenarbeitest, ist morsch und in seiner Selbstherrlichkeit unerträglich geworden.
Die deutschen christdemokratischen Politiker sind da aus einem anderen Holz geschnitzt. Immer wieder erheben sie ihre warnende und mahnende Stimme. So darf ich diesen meinen offenen Brief an Dich mit einer zweifachen Bitte abschließen:
Zunächst bitte ich Dich, darüber nachzudenken, ob Du tatsächlich einer Kirchenleitung Rosen streuen sollst, die sich um das Kirchenvolk nicht schert.
Zum Zweiten bitte ich Dich um Solidarität mit den um das Wohl der Kirche Besorgten. Die Reformbewegungen in der Kirche haben mit der Aktion „Bischofsernennung“, welche bisher von 3.500 Menschen unterstützt wird, an die Kirchenleitung und an die Bundesregierung den Appell gerichtet, bei Bischofsernennungen darauf zu achten, dass auf die Wünsche der Ortskirche Rücksicht genommen wird. Das Konkordat gibt ja der Regierung da ein Mitspracherecht, welches man aber nicht wahrnimmt.
Dass die Kirchenleitung das wichtige Anliegen, gehört zu werden, einfach ignoriert, entspricht der dort praktizierten Überheblichkeit. Aber auch der Bundeskanzler teilte uns mit, man wolle sich da heraushalten. Obwohl verfehlte Bischofsernennungen viel Unheil anrichten können! Man denke nur an den argen Missgriff Groer. So haben wir dann mit Spitzenbeamten des Kanzleramtes ein ernstes Gespräch geführt, das hoffentlich zumindest eine gewisse Sensibilisierung bewirkt hat.
In Deinem Bundesland steht keine Neubesetzung an, doch würde ich Dich sehr bitten, das Anliegen derer ernst zu nehmen - oder vielleicht sogar zu unterstützen! –, die für eine zeitgemäße Kirche eintreten. Für eine Glaubensgemeinschaft, die in unserem Gemeinwesen, das auf Dialog, Konsens und Mitsprache aller baut, kein Fremdkörper ist.
Diese Aufforderung richte ich gerade an Dich, der es als Politiker immer verstanden hat, mit den Menschen aber nicht über deren Köpfe hinweg zu regieren. In diesem Sinne grüße ich Dich herzlich als
Dein alter Weggefährte