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Der Geist Gottes drängt uns#

(Beitrag für die Zeitschrift der Pfarre St. Erhard, Wien-Mauer)


Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 91/2013


Unübersehbar leben wir in einer Zeit, die uns dazu veranlasst, unseren Glauben und unser Gottesbild neu zu überdenken. Dies betrifft besonders den Heiligen Geist, den wir als eine der göttlichen Personen in der Einheit der Dreifaltigkeit verehren. Papst Franziskus erinnert uns nun daran, dass dieser "sich nicht zähmen lässt, sondern die Menschen frei macht und sie auf dem rechten Weg voranbringt". Jede statische Betrachtung erweist sich da als verfehlt. Wir sind nicht nur so etwas wie gehorsame Vollstrecker ewig gültiger Gesetze, die ein gebietender Gott erließ. Schon in der biblischen Schöpfungsgeschichte wird der Mensch als "in-spiriert" beschrieben. Gott haucht ihm den Atem des Lebens ein, als Quelle einer eigenständigen Entwicklung menschlichen Daseins.

Wir haben also den Geist Gottes in uns und er wirkt hier, mit und um uns! Die Gottes-Ebenbildlichkeit des Menschen besteht darin, dass er als einzige Kreatur wiederum schöpferisch tätig ist und seine Existenz selbst gestaltet. So ist die Welt, in der wir leben, nur mehr zum geringeren Teil von der Natur vorgegeben, im Wesentlichen aber das, was wir selbst geschaffen haben. Und immer ist es ein Werk des Geistes! Es ist gar nicht anders denkbar, als dass göttliche Kraft und Fähigkeit zum Werden von Kultur, Kunst und Religionen gedrängt haben. Auch die Philosophie Griechenlands, die das Entstehen der kirchlichen Lehre maßgeblich beeinflusst hat, war zweifellos in hohem Maß "inspiriert".

Dies gilt aber auch für die kleinsten und scheinbar banalen Dinge, also für das, was wir im Alltag entscheiden müssen. Der Mensch kann eben nur als Wesen verstanden werden, das schöpferisch wirkt. Er hat dabei wahrlich unbegrenzte Möglichkeiten. Aber auch eine dem entsprechend gewaltig große Verantwortung! Ganz schwer zu verstehen ist ja, dass dieser uns von Gott gegebene Geist auch Kreator des Bösen sein kann. Genialität wird missbraucht, um Methoden der Erniedrigung, der Zerstörung und des Missbrauchs zu erfinden. Da wehrt sich dann alles in uns, anzunehmen, auch dabei wären Fähigkeiten am Werk, die mit Gott zu tun hätten.

Aber bedenken wir immer: Wäre von Gott verhindert worden, dass wir Falsches und Böses unternehmen, hätten wir keine Freiheit. Und gerade diese kennzeichnet das Wesen des Menschen! Als Geschöpfe Gottes sind wir von ihm dazu berufen, unser Leben selbständig und eigenverantwortlich zu gestalten. Nichts ist uns da einfach vorgegeben - außer das wahrhaft Endgültige, nämlich das, was Jesus als das Reich Gottes bezeichnet. Es kann nur gewonnen werden, wenn unser ganzes Tun in einer ständigen und lebendigen Verbindung mit dem geschieht, den er als unseren Vater bezeichnet. An ihn sollen wir uns stets und unmittelbar wenden, mit einem Herz, von dem wir das Böse stets fernhalten sollen.

Jesus hat uns also dem Göttlichen nicht einfach unterworfen sondern er will, dass wir selbst es in uns zur vollkommenen Entfaltung bringen. Daher sagt er, dass der Mensch nicht für das Gesetz da wäre, sondern es sei umgekehrt. Scharf tadelt er jene, die mit ihren Regeln den Menschen schwere Lasten aufbürden. Paulus, zu Recht als eigentlicher Kirchengründer verstanden, greift diesen Gedanken immer wieder auf. Nicht das Gesetz mache frei, sondern der Glaube! Er erkennt, was die Auferstehung des Herrn bedeutet: Jene unüberbietbare Rechtfertigung, die Gott seinem Sohn zuteil werden ließ, der sich niemandem und nichts anderem beugen wollte als der Liebe zu Gott und Mitmensch.

Es hat seine Tragik, dass Jesus in dieser seiner Haltung so sehr missverstanden wurde. Hat es nicht eine geradezu wuchtige Bedeutung, dass er das Handeln der Menschen nicht durch Vorschriften regulieren wollte, sondern "nur" durch ein radikales Liebesgebot? Und ist nicht das Wesen der Kirche dadurch bestimmt, dass uns der Christus nach dem österlichen Geschehen, wie Johannes schreibt, den Geist der Wahrheit als Beistand hinterlässt? Dieser wird in denen sein, die ihm nachfolgen. Da ist nirgendwo von Stellvertretern die Rede, die im Namen Jesu Vorschriften zu erlassen hätten, die er selbst niemandem erteilte.

Wenn eingangs vom Umdenken die Rede war: Bedarf es da nicht auch eines Prüfens beim Verständnis der Eucharistie, dem Zentrum unseres Glaubens? Die Kirche hat immer größten Wert darauf gelegt, dass nur ihre Amtsinhaber in der Lage sind, Jesus am Altar in Brot und Wein zu befördern. Man kam da zum Glaubensbild der "Wandlung", die durch die Anrufung des Heiligen Geistes bewirkt wird. Aber hat dieser dann seine Aufgabe erfüllt, wenn er die Substanz der Gaben geändert hat? Ist es nicht vielmehr so, dass die Erinnerung an das letzte Mahl eine Anwesenheit Jesu bewirkt, die sich nicht nur in Kultgegenständen ereignet, sondern vor allem in den Herzen? Hier, also in uns, die wir uns zur Liebesgemeinschaft zusammengefunden haben, bewirkt wohl der Geist Gottes die eigentliche Wandlung, soll er nicht "gezähmt" sein, wie der neue Papst sagt.

Heute wird viel von der Wiedergewinnung des Glaubens gesprochen. Doch "Neuevangelisierung" wird wohl nicht gelingen können, wenn sie nicht auf die Stimme des Geistes hört. Alles Leben hat ein absolut gültiges Merkmal, nämlich die Weiterentwicklung durch Veränderung und Krisenbewältigung. Das gilt auch für das Glaubensleben. Zu dessen Erneuerung wurde uns von Papst Benedikt empfohlen, wir sollten uns wieder ganz dem Katechismus zuwenden. Der Gehorsam gegenüber Formeln und Regeln, die man früher einmal gefunden und damals für richtig befunden hat, ist für Manche in unserer Kirche das Um und Auf ihrer Frömmigkeit. Diese ist sicher zu respektieren, aber sie übersieht, dass auch das, was man nun für unabänderliche und absolute Wahrheit hält, einmal gefunden wurde, weil der Geist stets zur Erkenntnis drängt. Er tut das aber ebenso heute. Und Jesus sagt bekanntlich, dass jede Sünde vergeben werden kann, nur nicht jene gegen den Geist.