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Eine bemerkenswerte Predigt des Papstes#


Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 37/2012


Papst Benedikt XVI. hat am Gründonnerstag vor im Petersdom versammelten Priestern zur Pfarrerinitiative und damit wohl auch indirekt zu den Reformkräften in der Kirche überhaupt Stellung genommen. Was er dabei sagte, ist bemerkenswert und kann sogar als Ermutigung oder auch Rechtfertigung der Erneuerungsbewegungen verstanden werden!

Keine Rede von „Spaltung“ und Strafen#

Dem Papst erscheinen also die Aktivitäten der Pfarrerinitiative als wichtig genug, um sich bei einem wichtigen Anlass damit kritisch auseinanderzusetzen. Er tut das sehr wohl in Form einer Ermahnung und auch Zurechtweisung. Es fehlt aber jede Form von Drohung oder „Verdammung“. So bleibe dahingestellt, was ihn dazu bewog: Klugheit, Einsicht oder die Erkenntnis, dass er gar nicht mehr die Möglichkeit hat, bestimmte Entwicklungen aufzuhalten?

Oft werden von konservativen Kreisen die Bemühungen der Reformbewegungen als große Gefahr und Weg zu einer „Spaltung“ verteufelt. Benedikt spricht hingegen vom Umtreiben in Sorge um die Kirche. Er räumt ein, dass es eine Trägheit der Institutionen gibt. Das lässt immerhin manche Einsicht erkennen! Wir erfahren, die Kirche wäre auf die Höhe des Heutigen zu bringen. Ungehorsam sei jedoch dafür der falsche Weg. Aber welcher soll der richtige sein?

Konsequenter Weise stellt Benedikt also den ihm und dem Lehramt zu leistenden Gehorsam in den Mittelpunkt. Den vermisst er bei der angesprochenen Gruppe von Priestern. Zugleich betont er mehrfach, dass es in Wahrheit dabei immer um den Gehorsam gegenüber Gott ginge. Dabei stellt er Jesus als Beispiel hin. Und diesen „übersetzten“ ja eben nur Lehre und Ordnung der Kirche richtig.

Das Entscheidende: Wem ist Gehorsam zu leisten? #

Die Predigt erwähnt Jesu Demut. Diese bezog sich aber, wie wir immer wieder erfahren, keineswegs auf Vorschriften, die sich Menschen erdacht haben, nicht auf Ämter, Ränge und Würden. Verwarf doch der Herr jede Form des Herrschens und Unterdrückens, deren Merkmal ja das Einfordern von Gehorsam ist! Ihm nachzufolgen kann nur bedeuten, in der geschwisterlichen Gesinnung aller Getauften zu achten, was Menschen guten Willens anstreben. In Befolgung ihres Gewissens und im fortwährenden Ringen um die Wahrheit! Da haben ein „unwiderruflich“ und ein „endgültig“ keine Rechtfertigung.

In Vielem, wo sich die Hierarchie auf Jesus beruft, ist sie von bestimmten (und nicht nur ganz lauteren) Absichten geleitet. Dabei folgt sie dem eigentlichen Gehalt der Frohbotschaft keineswegs immer getreu. Wieder spricht Benedikt von der fehlenden Vollmacht zur Frauenordination. Das ist unsinnig. Jesus hat bekanntlich nirgendwo von Ämtern und Priestern geredet – außer von denen des Tempels, denen er kultkritisch gegenüberstand und mit denen er ja in tödlichen Konflikt geriet.

Wieder kommen wir zum eigentlich Entscheidenden: Kann und darf sich die Hierarchie tatsächlich die alleinige Befugnis anmaßen, Jesu Willen stellvertretend zu deuten und das dabei gefundene vermeintliche Ergebnis allen vorzuschreiben? Das Evangelium, auf das sich die Predigt beruft, zeigt uns im deutlichen Gegensatz dazu einen Christus, der von uns eine unmittelbare und vertrauensvolle Beziehung zu seinem und unserem Vater will.

Logik ist zu vermissen#

Die Predigt wird mit der Feststellung eingeleitet, Priester seien geheiligt. Wieder beruft sie sich auf den Pfarrer von Ars, der den Inhabern dieses Amtes schon bei der Eröffnung des Priesterjahres als leuchtendes Beispiel hingestellt wurde. Benedikt betonte damals die von Johannes Vianney beschriebene Heiligkeit und Macht des Priesters, dem nach Gott nichts gleiche. Könne er doch diesen sogar durch Jesus in die Hostie gebieten.

Wenn dem tatsächlich so ist, stellt sich die Frage, warum jenen, die zum Ungehorsam gegen überholte Vorschriften aufrufen, diese besondere Heiligkeit nicht zukäme? Sind sie in ihrem Ringen um eine fruchtbare Glaubensvermittlung weniger „geheiligt“ als ihre Obrigkeit oder andere Amtsbrüder? Muss Einsatz und hingebungsvoller Dienst wirklich bedeuten, sich kritik- und bedingungslos einem Regelwerk zu unterwerfen, das längst brüchig geworden ist? Ist es nicht sogar Pflicht verantwortungsvoller Seelsorger, erkannte Hindernisse für den Glauben abzulehnen?

Unzählige Geistliche anderer und auch unierter Kirchen leisten ihren Dienst, für den Vorschriften Roms nicht gelten. Kann ihnen allen die Heiligkeit ihres Wirkens abgesprochen werden? Ist nicht jenen Hunderten katholischen Theologen, die Neuerungen einmahnen, zuzubilligen, dass sie nach ihrem Glaubensgewissen handeln? Dieses stellt selbst nach der Lehre die höchste moralische Instanz dar. Und das gilt sicher für alle, die sich heute in redlicher Absicht für eine Erneuerung ihrer Glaubensgemeinschaft einsetzen!

Schön ist, dass Benedikt von den frischen Strömen des Lebens spricht, die von der Freude des Glaubens, der Dynamik der Hoffnung und der Kraft der Liebe ausgehen. Doch hat er ein sehr unschönes Wort eingefügt: die „Radikalität des Gehorsams“. Eine solche einzumahnen steht im krassen Widerspruch zu christlichem Glauben, wenn nicht beigefügt ist: Nur Gott gegenüber und sonst niemandem. Auf der Liebe zu ihm und dem Nächsten beruht nach Jesu Wort alles Gesetz.

Für die Welt „auf der Höhe des Heute“, wo die Kirche wirken muss, ist Gehorsam keine Kategorie des Glaubens mehr. Die Menschen wollen auf ihrer unvermindert vorhandenen Suche nach Gott und der Wahrheit einfühlsam und überzeugend begleitet werden. Sie bedürfen dabei, um beim Bild Jesus zu bleiben, der guten Hirten. Aus vielen und berechtigten Gründen wollen sie aber alles nicht mehr, was mit „Radikalität“ von oben kommt.


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