CHARLOTTE FROHN#

1864: Hamburg: Da verschiedene Opernmitglieder durch Unpässlichkeit ausgefallen waren, wurde das Schauspiel mehr in den Vordergrund gerückt und so den Mitgliedern Gelegenheit gegeben, auch ihre Leistungsfähigkeit dem Publikum näher zu bringen. Gegeben wurde „Die bezähmte Widerspenstige“ und „Faust“. In beiden Stücken glänzte der Liebling des hiesigen Publikums, welche den Hauptteil des Beifalles nicht nur, sondern auch des kritischen Interesses für sich in Anspruch nehmen durfte.
Bereits 1863 wurde über die Künstlerin folgendes geschrieben, Frohn ist ein Talent, welches gleich ihrer berühmten Namensschwester Charlotte Wolter berufen und auserwählt ist, einst, sogar bald eine hervorragende Stellung auf der deutschen Bühne einzunehmen. Jugend in einer imposanten Figur bringt schon von vorneherein einen günstigen Eindruck für dieselbe hervor und wird diese noch gesteigert durch den unwiderstehlichen Reiz einer poetischen duftigen Weiblichkeit welche der Erscheinung des Fräulein Frohn ausgedrückt ist....
Aus Altona wird über die Aufführung „Egmont“ berichtet, dass Frohns Clärchen in jeder Hiinsicht eine Meister- und Musterleistung, so innig und poetisch, wie sie die zarte, jungfräuliche Liebe des einfachen Mädchens veranschaulicht und so hinreißend, wie sie sich in den aufgeregten Momenten des letzten Aktes erhebt....
1868 Augsburg: Die bescheidene Zahl derer, die der Schiller Poesie zu Liebe auf den Genuss eines schönen Frühlingstages verzichteten, äußerte sich nach der Vorstellung dahin, ein Maria Stuart, wie sie Fräulein Frohn darstellt, sei doch noch nicht dagewesen....
Charlotte Frohn eilte von Erfolg zu Erfolg bis sie im August 1872 im Wiener Carltheater mit Birchs „Waise von Lowood“ einen Gastspielzyklus eröffnete, ohne den gewohnten großen Erfolg damit zu erringen. Zwar gab es Beifall und Hervorrufe, aber bei einer so eminent dankbaren Rolle, wie jene der Eyre, bedeutet derlei weniger. Fräulein Frohn ist vor allem dem ersten Akt zu sehr entwachsen um das mädchenhaft Trotzige richtig zu spielen, was geboten wurde, mahnte an das Energische einer selbstbewussten Frau. Der Leistung der folgenden Akte, in welchen sie als ernsthaftes Mädchen entwickelt erscheint, fehlte das Einfache, Gewinnende, Liebenswürdige. Es war zwar alles richtig verteilt, dem Dialog fehlte es nicht an Licht und Schatten, sogar nicht an Wärme, aber das Seelische, Anmutige, der poetische Zug in Janes Wesen wurde schmerzlich vermisst. Sie blieb stets die trockene Puritanerin. Möglich fügt sich auch ihre ganze Erscheinung nicht recht in diese Rolle. Die Künstlerin ist groß, von wenig geschmeidigem Wesen. Ihr Antlitz entbehrt des Ebenmaßes, ihr Auge verfügt nur über einen stechenden Blick. Ihrem Organ fehlen helle weiche Töne, der Kontrealt harmoniert nicht mit dem seelischen Ausdruck. Auch ihre äußere Erscheinung stimmt nicht mit der einfachen Jane überein....
1874: Ziehrers Deutsche Musik Zeitung bringt über die Künstlerin Charlotte Frohn einige biographische Einzelheiten und so erfährt man, dass die gegenwärtig am Carltheater unter ehrenden Erfolg gastierende kaiserlich russische Hofschauspielerin, eine geborene Hamburgerin die in ihrer Vaterstadt Schülerin des Prof. Küchenmeister, später der bewährten Meisterin Dr. Adele Peroni-Glaßbrenner in Berlin war. Frohn hatte während ihrer Engagements im Hamburgs Stadttheater, an den Hoftheatern zu Darmstadt und Petersburg Gelegenheit, diesen in zarter Jugend empfangenen Unterricht trefflich zu verwerten und auf solcher künstlerischer Grundlage weiter schaffend, sich selbst zu läutern, zu bilden. Wenn sie auch nicht die grandiose packende, hinreißende Verve einer Charlotte Wolter, Ziegler, Wahlmann besitzt, so werden ihre gediegenen Darstellungen stets wohltuend und sympathisch berühren; der Zuschauer merkt sofort, dass Charlotte Frohn eine hochachtbare, künstlerische Kraft von Verständnis, redlichstem Willen und instinktivem Treffen des Rechten und Wahren beseelt und geläutert.
Der russische Staatsrat Maximilian von Heine, Bruder Heinrich Heines und selbst anerkannter Schriftsteller in deutscher und russischer Sprache, zudem ruhmgekrönt in den Schlachten unter Diebitsch Kommando, war der erste, der von Hamburg aus in einem Poem: „Seiner Lorelei“ gewidmet, die Aufmerksamkeit der hervorragendsten Petersburger Elitekreise auf die junge Künstlerin lenkte und der rastlos tätige Hoftheaterdirektor Dr. Alexander von Königk-Tollert bot alles auf, um am großherzoglichen Hoftheater zu Darmstadt, Dieselbe aufs neue dem deutschen Hoftheater in Petersburg wieder zu gewinnen, wo sie sich schon während ihres ersten Aufenthaltes der allgemeinen Gunst des Hofes und Publikums erfreute. Zu ihrer Ehre sei ferner erwähnt, dass sie von ihrer einflussreichen Stellung nie Missbrauch gemacht.
Charlotte Frohn hat ihren deutschen Landsleuten gegenüber, unendlich viel Gutes getan und verstand es mit seltener Delikatesse in jenen Kreisen, wo sie stets gerne gesehen war, so manche hochgestellte Persönlichkeit durch angeborene Gutherzigkeit und liebevolle Worte zur Barmherzigkeit anzuregen. Mögen ihr diese edlen Züge reiner Herzensgüte wohlverdiente Zinsen tragen.
Charlotte Frohn hat in ihren Darstellungen Analoges mit der unvergesslichen Auguste Rudloff, der jetzigen „Herrin von Helgoland“, und sich den unvergänglichen Adel der Seele erhalten; sie wird in der Cäsarenstadt des Nordens auf Händen getragen und ist ein Muster edler Weiblichkeit!
Im Mai 1877 kam aus Petersburg die Meldung, dass die Künstlerin den Komiker Anno heiraten werde und die Trauung in den Ferien im Ausland stattfinden werde.
Auch das Ende der Künstlerin Charlotte Frohn, der Gattin des k. Schauspiel-Direktors Anno, kam unerwartet.
Wie die Blätter zu berichten wussten, kehrte Frau Anno von ihrer Gastspielfahrt nach Königsberg und Danzig Lorbeer schwer und in bester Stimmung wieder gekehrt. Vor etwa fünfzehn Tagen noch in einer Gesellschaft, fühlte sie am nächsten Tag an einem Finger, der sich gerötet hatte und von Stunde zu Stunde Schmerzen bereitete. Eine kaum sichtbare Verletzung machte ihr zu schaffen, wusste aber nicht womit sie sich diese zugefügt hätte. Die Schmerzen wurden immer ärger, dehnten ihr Gebiet rasch aus, eine Anschwellung machte sich bemerkbar, und dem Arzt wurde alsbald klar, dass es sich hier um eine Blutvergiftung handelte. Ihr Nacken schwoll an, der Finger wurde amputiert, nicht weniger als siebenmal musste operiert werden. Im heißen Fieber lag sie fantasierend da. Ihre kräftige Natur setzte sich zur wehr. Am Freitag schon hatten die Ärzte die Kranke aufgegeben und erwarteten ihr baldiges Ende. Doch erst am Montag hatte die Kranke ausgelitten. Der Gatte hatte am Krankenbett ausgeharrt.
Im neuen Heim „am Karlsbad“ fühlte sich Charlotte irgendwie unbehaglich und erzählte, dass sie mit einer Ahnung eines Missgeschicks beklommen das Haus betreten habe. Gerade am Jahrestag jenes ersten Betretens lag sie entseelt in demselben Haus.
QUELLEN: Wiener Theater Chronik, 2. April 1863, 24. März 1864, 16. April 1868, 25. Mai 1877, Blätter für Musik, 2. August 1872, Deutsche Musik Zeitung, 1874 Nr, 27, Wiener Allgemeine Zeitung, 28. März 1888, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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