DAS STIEFMÜTTERCHEN#
Das Stiefmütterchen ist eines der ersten Blumen die uns im Frühling begrüßen, der große Blütenreichtum und die lange Dauer der Blütezeit ist ein Grund seiner großer Beliebtheit und Verwendbarkeit. Kein anderer Frühlingsbote entfaltet diese Farbenpracht wie das Stiefmütterchen mit seinen gelben, hell- oder dunkelblauen, weißen Blüten die später üppig aus dem Grün vom dunkelsten Violett zum hellsten Lichtblau, vom satten Kaminrot zum zarten Hellrosa vom echten Purpur zum leicht getönten Lila, vom dunkelsten Braun zum hellen Bronze uns entgegen leuchtet. Die Vielfalt der Farben ist unerschöpflich und man findet, dass es zu Unrecht diesen ominösen Namen führt. Über deren Ursprung sind die Botaniker verschiedener Ansicht, es wird vermutet dass die Heimat des veredelten Stiefmütterchen England sei. Das Stiefmütterchen ist keine völlig einheimische Pflanze, es ist ein Kreuzungsprodukt des Ackerveilchen mit dem asiatisch stammenden Altaiveilchen. Bis über 80 verschiedene Arten dieser Blumenschönheit soll es bereits geben. Die Züchter verstehen es durch ständige Kreuzungen die etwas kompliziert vor sich geht, hervorragend schöne Spielarten hervor zu zaubern. Die Blumenliebhaber sind anspruchsvoll und wünschen sich besonders schöne Exemplare; wie Cassier Stiefmütterchen, Hybrid Stiefmütterchen.
Das Volk bedachte diese reizende Pflanze noch mit ganz verschiedenen Namen Dreifaltigkeitsblume, Jesusblümchen, Samtveilchen, Gedenkblume. Der Lateiner nennt es Viola tricolor, in Frankreich, Belgien und Brabant heißt sie Pensée – Gedanke, in England pansy, Fremde Sorge der Ostpreusse, Freisamkraut in Ostschlesien. Keine Pflanze erfreut sich so vieler Bezeichnungen wie das Stiefmütterchen.
Wenige wissen, dass die Pflanze Salizylsäure enthält und seit dem 16. Jahrhundert gegen Hautkrankheiten benutzt wird. Mit Vorliebe werden die Gräber unserer Lieben mit Stiefmütterchen geschmückt und sorgen für einen zauberhaften Anblick.
Als Erinnerungsblume ist das heitere Stiefmütterchen die Blume trauriger Gedanken. Die wahnsinnige Ophelia in Hamlet verteilt Blumen...
Ludwig XV,, hat seinem Leibarzt Quesnay ein Wappen mit drei Pensées verliehen. In Shakespeare Sommernachtstraum spielt das Blümchen „Love in idleness“ eine große Rolle. Man machte sich darüber Gedanken. A. Ritter von Perger, ein Wiener, hielt 1870 in Wien einen Vortrag über die Flora Shakespeare. Da musste er sich auch mit Love in Idleness beschäftigen, doch welche Pflanze der Dichter damit meinte, vielleicht ein weißes Veilchen mit einem Purpurfleck im Grunde. Nähern wir uns der geheimnisvollen Schönen. Oberon will Titania für ihre Widerspenstigkeit strafen und träufelt der schlafenden Schönen den Saft der Zauberblume auf die Augenlider; sie verliebt sich beim Erwachen ins erste Wesen das sie sieht, es ist der in einem Esel verwandelte Zettel... Hin und wieder kann auf einem Acker ein Stiefmütterchen gefunden werden, meist mit gelber Blüte, gelb die Farbe der Eifersucht.
Es wird erzählt, dass bis zum Jahr 1810 fast nur das wilde Stiefmütterchen bekannt war. Den Anlass, zur Kultur gab eine junge Engländerin, die sie zu ihrer Lieblingsblume erwählte und vor ihren Fenstern pflanzte. Pries der Erfurter Friedrich Adolph Haage in seinem Verzeichnis für das Jahr 1826 nur „Viola tricolor grandiflora“ Großblumiges Stiefmütterchen.
Bereits der Gärtner des Prinzen vön Oranien, Vandergroon, in seinem 1672 zu Brüssel erschienenen „Jardinier des Pays Bas“, dass er weiße, violette, rote und panachierte Varietäten gezogen habe. Das Farbenspiel des Stiefmütterchens ist, wie Mutter Natur nun einmal denkt, weniger zu unserer Augenweide als zur Anlockung jener Insekten bestimmt, die für die Belegung der Narben mit Blütenstaub Sorge tragen. Nach Darwin, der im Buch „Entstehung der Arten“ die Beobachtung mitteilt; „Ich habe durch Versuche ermittelt, dass Hummeln zur Befruchtung des Stiefmütterchens fast unentbehrlich sind“, sollten unsere Gärtner diesen emsigen Immen Dank wissen. In Niederösterreich wird die Viola tricolor als „Dreifaltigkeits Blümchen“ angesprochen, weil die Blume im Umriss dreieckig ist und die Fruchtkapsel sich als dreieckiger Stern öffnet. Christian Schmid bezieht sich in seinem Gedicht „Das Stiefmütterchen“ auf die Farbenpalette.
Das schöne Dreifaltigkeitskraut wurde für heilkräftig befunden, der Dreifaltigkeitstee, besonders bei Kindern verwendet. Er ist gut gegen den Milchschorf daher der Name „Freisamkraut“. Die im vorigen Jahrhundert wiederholt nachgedruckte „Flora Francica“ von Georg Frank von Frankenau rühmt das Freisamkraut. Die Dichterin Ada Negri verewigte das Stiefmütterchen im Band der „Unterdrückten“.
In der „Frauenwelt“ gab es eine Anleitung für ein Stiefmütterchen aus gekämmter Wolle und Samt, mit dem man sich selbst schmücken konnte.
QUELLEN: Wiener Zeitung, 20. Juli 1896, S 1 und 2, 21. Juli 1896; S 17, Teplitz Schönau Anzeige, 27. April 1908, S 10 Bukowiner Bote, 1. Mai 1904, S 8, Frauenwelt 15. Mai 1870, S 3, Bild S 4. Ada Negri Dillinger Reise Zeitung 10. Februar 1901 S 6 ANNO Österreichische Nationalbibliothek Bild: I.Ch.Graupp
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