DER GOLDENE PFEIL#
Herbst 1926 wurde in Paris der prachtvollste und schnellste Luxuszug seiner Bestimmung übergeben. Schon seine Bezeichnung „Der goldene Pfeil“ lässt ahnen, dass dem Fahrgast nicht nur Bequemlichkeit und eine verschwenderische Ausstattung erwarten würde.
Vorerst verkehrte der Luxus-Express nur jeden zweiten Tag zwischen Paris und Calais. Nachdem der Franc durch Sturzflug zahlreiche Touristen nach Paris lockte, besonders die wohlhabenden Engländer überfluteten die Seinestadt, in Calais ankerte ein Luxusdampfer der die Passagiere wieder nach Dover brachte.
Man wunderte sich wie sehr der Luxusdampfer und der goldene Pfeil von den Fahrgästen in Anspruch genommen wurde, war doch sein Preis um das Dreifache höher, als ein Flug von Paris nach London. Besonders die reichen Engländer hatten vor Flügen noch eine gewisse Scheu und vertrauten sich lieber der Schiene an, war man doch in 185 Minuten in Calais, eine Leistung die großartig zu nennen war, so darf der goldene Pfeil der schnellste Zug Europas oder gar der ganzen Welt genannt werden.
Der goldene Pfeil bestand aus acht Pullmanwagen, neuester Art, in einem französischen Betrieb extra für diese Bahn hergestellt. Die Bauart der Waggons war so vorgenommen, dass jeder Passagier die Fahrt bequem genießen konnte. Vorerst fehlte dem Luxuszug noch etwas ganz bestimmtes, ein Speisewaggon, aus gutem Grund, denn man wollte die Mühe dorthin zu gelangen den Fahrgästen ersparen. In jedem Coupé wird wie in einem Restaurant serviert, denn alle acht Waggon sind als Salonwagen zu bezeichnen. Jeder Salonwagen besteht aus zwei Abteile und jedes Abteil bildet einen Saal in dem 12 Personen an sechs kleinen Tischen Platz nehmen, die aber so gebaut sind, dass sie auf Druck sich für ein Schachspiel verwandeln und ein weiterer Druck ladet zu einem Kartenspiel ein. Als Sitzgelegenheiten dienen schwer gepolsterte Leder- mit Samt überzogene Sessel, ein Hebel konnte sie in eine Liege verwandeln und die Fahrt auch schlafend verbringen. Dazu gab es eine kleine Bibliothek mit Tageszeitungen und Zeitschriften. Die Salons sind mit Tapeten in verschiedenen Farben und mit Bildern an den Wänden geschmückt.
Bevor man auf anderen Bahnlinien derartige Luxuszüge einsetzte, wollte man abwarten wie sich die Frequenz des Zuges auf der Strecke Paris – Calais den Erwartungen entsprachen.
QUELLE: Wiener neueste Nachrichten, 4. Oktober 1926, Österreichische Nationalbibliothek ANNO
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