DER KANARIENVOGEL#

1911: Seit 600 Jahren ist der Kanarienvogel in Europa bekannt. Die ersten Kanarienvögel sind zu jener Zeit in Spanien gelandet, sie waren grün, so waren es die wilden Kanarienvögel. Die spanischen Geschäftsleute witterten sofort, dass mit dem Vogel von den Kanarischen Inseln ein blühendes Geschäft werden könnte.
Auf Madeira und den Kanarischen Inseln sind die Kanarienvögel heute in anderer Färbung vorzufinden. Folgende Kanarischen Inseln kommen in Betracht: Gran Canaria, Teneriffa, Gomera, Palma. Nicht von den Inseln hatten die Vögel ihren Namen sondern es kommt aus dem Lateinischen „canis“, der Hund, und die Kanarischen Inseln sind die Hundsinseln, weil die ersten Forscher eine Anzahl von Hunden angetroffen hatten. Der gelb-grüne Kanarienvogel lebte in großen Flügen bis zur Höhe von 1500 Meter. Er kam gut voran da die Inseln über viel Grün verfügte, den Urwald mied er.
Die Spanier entdeckten die Kanarischen Inseln 1311 und gleichzeitig die bunten Vögeln die ihr Entzücken fanden. Sie waren zutraulich und erfreuten die Besucher mit ihrem wunderbaren Gesang. In Europa machte man sich die Mühe den Gesang der Vögel weiter bis zum Kunstgesang zu bearbeiten.
Die Kanarischen Inseln blieben nicht lange spanischer Besitz, die Portugiesen spielten sich bald als die neuen Herren der Inseln auf, verstanden es aber nicht mit den sangesfreudigen Kanarienvögel Geschäfte zu machen.
1473 wurden die Inseln abermals spanisch und setzten ab nun im großen Stil den Handel mit den Kanarischen Vögel fort und machten ihn zu einem streng gehüteten Monopol, das sie 100 Jahre inne hatten. Allmählich wurde der bunte Vogel in Europa Mode. Ihre Seltenheit musste man teuer bezahlen, wieder nur für vermögende Leute. Am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts war der bunte Gefiederte so sehr in Mode, dass die Damen auf Gemälden sich mit ihm darstellen ließen.
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts aber scheiterte ein spanisches Schiff mit einer großen lebenden Fracht von Kanarischen Vogel an den Gestaden der Insel Elba. Die Vögel durften ans Land wo sie sich vermehrten, denn das Klima sagte ihnen zu es war wie in ihrer Heimat. Doch Kanarienzucht und deren Handel blühte so richtig in einem Lande auf, mit einem viel ungünstigeren Klima – Deutschland. In der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg begann man mit dem Züchten der Kanarischen Vögel in Gefangenschaft und man musste froh sein sie über die raue Jahreszeit hinüberretten zu können. Die Vorliebe für Singvögel ist in Deutschland Jahrhunderte alt. In Familien traf man die Kanarienvögel oft an, sie waren wegen ihrer Farbe, ihres Gesanges sehr beliebt.
Der Kanarienvogel ist sehr wählerisch und schließt nicht mit jedem Menschen innige Freundschaft, er sieht sich die Leute genau an und mit vielen kann er sich eben nicht befreunden. Im Gegenteil er zeigt ihnen offen seine Abneigung. Er ist leicht erregbar und eifersüchtig. Nebenbuhler oder Gesangs Konkurrenz liebt er nicht und macht sich sofort zum Kampf bereit.
Kunststücke bei schlechter Laune ist vergebliche Mühe, zwingen lässt er sich nicht. Mitunter kann er auch boshaft sein, und die Kommando seines Lehrherrn falsch ausführen.
Es dauerte nicht lange so wurde ihr wahrer Handelswert bemerkt, Türkei und Russland waren Hauptabnehmer dieser in Deutschland gezüchteten Vögel. Wie ein Schriftsteller zu berichten wusste, soll in Imst im Oberinntal wohnende Kanarienhändler ihre Ware aus Bayern, Schwaben und Franken bezogen und diese dann in Petersburg und Konstantinopel weiter verkauft zum Preis von 15 bis 20 Dukaten das Stück. Der Dukaten hatte einen Wert von 9 Mark und 50 Pfennig, also ein herrlicher Verdienst. Aus den reizenden bunten Kanarienvögel die nicht nur als Sänger beliebt, wurden bald Akrobaten die auch Kunststücke vorführten, die sehr geschätzt waren. Wie sich herausstellte war der Kanarienvogel sehr gelehrig und ließ sich sogar dressieren.
Der Franzose Jeantet trat 1760 in Paris auf um einen Kanarienvogel vorzuführen, der damals eine Sensation auslöste, denn die Kunststücke die er zeigte waren erstaunlich. Die Kanarienvögel konnten nämlich lesen und rechnen. Nannte man ihnen ein Wort, so flogen sie auf ein Kästchen mit Buchstaben und holten die betreffenden Buchstaben hervor, die dann das Wort ergaben. Nicht nur die Ziffern verstanden sie, außer diesen konnten sie addieren, subtrahieren und multiplizieren. Die Vögel achteten auf den Wink des Dresseurs und erfuhren so die an sie gerichtete Aufgabe.
Ludwig XIV., hatte einen Kanarienvogel, der pfiff zehn Arien und Präludien ganz ausgezeichnet. Er versorgte den Vogel selbst, bis er einmal auf Wasser vergaß und sein gefiederte Künstler verdurstete.
Unter Ludwig XV., ...die Vögel kamen aus ihren Käfigen setzten sich auf eine Trommel, rührten sich auch dann nicht als ein Trommelwirbel einsetzte und wurden anschließend als Soldaten ausgestattet. Seltsam mutete es an wenn sie Wache standen und vor der Schildwache auf und ab marschierten. Einer von ihnen warf sein Gewehr weg und desertierte. Er wurde jedoch von den anderen Vögel eingefangen, dem Kriegsgericht vorgeführt und zum Tode verurteilt. Man brachte ihn zum Friedhof lud den Toten ab, als dieser sich erhob und einen Jubelgesang anstimmte in die seine Kameraden einfielen.
Die Zucht der Kanarienvögel haben sich im Laufe der Jahrhunderte besonders in Deutschland sehr gesteigert, die Orte sind dafür andere Hannover, Thüringen, Franken im Schwarzwald, im Harz. Belgien und die Schweiz sind gefährliche Konkurrenten. Deutschland züchtet jährlich zwei Millionen Kanarienvögel und exportieren nach Nordamerika, Südamerika, Brasilien, Argentinien, China, Australien und in Europa Russland, England und Rumänien. Nach England gehen allein 150.000 Stück jährlich dahin. Viele Bezieher dieser Vögel legen Wert auf Gesangsart und Farbe.
Kein gutes Leben hatten die Kanarienvögel bei den sogenannten Zauberkünstler. Joseph Delmont bekämpfte diese Tierquäler mit ihren winzigen Vogelkäfigen aus Metall in dem sich ein lebender Vogel befand der darin zerquetscht wurde, und erreichte dessen Verbot.
1915: Der Erste Weltkrieg machte auch vor den Kanarienvögel nicht halt. Die Engländer die den „German Roller“ den sie sonst so heiß liebten, haben sie nun den Krieg erklärt. England und Deutschland die zusammen mit den Vögel den besten Handel unterhielten, schien vorbei zu sein.
Engländers Stimmen erhoben sich, es musste sich sofort etwas ändern, dass der deutsche Roller in England und Amerika ein geliebter und gern gesehener Hausgenosse ist. Sie diskutierten darüber wie man den verhassten Deutschen Schaden zufügen könne um ihn für immer aus Handel und Züchtung von Kanarienvögel zu vertreiben. Nun wie stand es wirklich mit dem kleinen Liebling? Der gelbe, fröhliche Sänger hatte bisher in der deutschen Wirtschaft, eine beachtenswerte Stellung eingenommen. Wie wollten die Engländer die Deutschen vernichten, ihnen die Züchtung von diesen entzückenden Geschöpfen verleiden? Dabei hatten private Leute sich mit der Züchtung von Kanarischen Vögel beschäftigt und ansehnliche Summen damit eingenommen. Im Dorf Algermissen bei Hildesheim galt als Hochburg der Kanarienvogelzucht und erwirtschafteten mit dem Harzer Roller alljährlich zwanzigtausend Mark. Nach Amerika wurden durch Reisende jährlich bis zu 300.000 Harzer Roller gebracht. Das Haus Ruhe zahlte an den Lloyd und an die Hamburg-Amerika Linie an Frachtgebühr über 75.000 Mark. So kann man annehmen dass in Deutschland mehr als eine halbe Million Kanarienvögel umgesetzt wurden, die einen Wert bis zu drei Millionen Mark Gewinn brachte.
Ein Salzburger Fürstbischof hatte im 18. Jahrhundert im Mirabellgarten ein Vogelhaus errichten lassen, die von den beliebten munteren Wesen bewohnt waren.
QUELLEN: Sonntags-Zeitung fürs Deutsche Haus, 1911, Jahrgang 14, Heft 51, Freiheit, 25. Februar 1932, Bozner Zeitung, 22. Februar 1870, Mährisches Tagblatt, 14, September 1915, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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