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DER ZYLINDER#

Wien
Mein Film,Gemeinfrei

Ein Mann von Welt trug Zylinder, ein Symbol für Eleganz, Wohlstand und Vornehmheit. In der Gegenwart gibt es nur mehr wenig Gelegenheit der feierlichen Anlässe, eventuell noch der Wiener Opernball in der Staatsoper, erwähnenswert. Der Zylinder verlieh dem Mann etwas Festliches, nun sind sie des Schmuckes beraubt, dafür tragen sie jetzt Bärte die mit der Jetztzeit nicht harmonieren.

Die Zylinder gehören einer längst vergangenen Epoche an, auch die Engländer nehmen allmählich Abschied von dem schönen Andenken der Viktorianischen Zeit.

Das Wissen über den ersten Zylinder lebt wieder auf. Der Kolonialwarenhändler John Hetherington hatte im Jahr 1797 den ersten Zylinder in London getragen und als mit der ungewöhnlichen Kopfadjustierung in der Öffentlichkeit erschien gab es sofort einen Menschenauflauf der derartige Formen annahm, dass einer Frau beide Arme gebrochen wurden. Der Ärmste wurde damals wegen Störung der öffentlichen Ordnung zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach diesem aufsehenerregenden Erlebnis war er der Ansicht, dass der Zylinder sehr interessant sein müsse und gründete eine Zylinderfabrik und kam dadurch zu Reichtum und Ansehen. Seit den Tagen der Gründung hatte der Zylinder viel erlebt. Durchlebte die Geschichte, die Revolution und brachte so manche Veränderung mit sich. 1813 wurde der Zylinder in Wien heimisch. Auch wurden bald darauf verschiedene historische Facona in Sammlungen zusammengetragen. Auch Oberlandesgerichtsrat Dr. Pick, der Sohn des Komponisten, dem das berühmte Fiakerlied zu danken ist, besaß eine derartige Sammlung. Es gab auch Zylinderhüte aus Strohgeflecht aus den Tropen. Beau Brummel ein Dandy mit Weltgeltung brachte einen niederen Zylinderhut ohne Glanz in Mode, doch gerade der mit den „acht Reflexen“ war es, den man gerade zur Schau tragen sollte.

Ab 1848 wurden durch die Wiener Studenten die „Angströhre“ ein muss. Dank des Grafen d'Orsay entwickelte sie sich zur „Ofenröhre“, hoch und ganz schmal mit kleinem Rand präsentierte er diesen in Paris, und die Salonlöwen des zweiten Kaiserreiches trugen den schwarzen Seidenhut. Der Prinz von Sagan bevorzugte wiederum einen grauen Seidenzylinder und der Marquis de Massa sind die Erfinder des grauen Seidenzylinders. Der Erzeuger des Chapeau claque ist der Pariser Hutmacher Gibus; er ist das letzte Andenken, das uns das gezierte Rokoko, das ihn zu den Kniehosen und Schnallenschuhegarnituren bei den Empfängen in den Tuilerien trug. Hinterlassen hat. Er war das feinste, vornehmste Erzeugnis der Herrenmode, der aristokratische Gipfel und in seiner Hypernoblesse bereits dekadent. Den letzten Todesstoß gab ihm Eduard VII., der als Prinz von Wals noch Zeit hatte, sich dafür einzusetzen, dass der Hut nicht in den Salon mitgenommen, sondern im Vorzimmer gelassen werde. Damit fiel der Chapeau claque.

Der Zylinder war in seinen Anfängen die Geburt der Freiheit. Seine Urheimat, wie kann es anders sein, England. Nicht nur der Zylinder kam aus England, noch ein Engländer nistete sich in Wien ein, der „Stößer“ den Fürst Trauttmansdorff mitbrachte.

Der amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin kam 1776 als Vertreter des amerikanischen National-Kongreß nach Paris wo er 1778 einen Allianzvertrag abschloss und dann mit hoher diplomatischer Kunst den Frieden vom 3. September 1783 zustande brachte. Auffallend an dem schlichten Amerikaner war sein hoher Hut und als er damit auch bei Hof in Versailles erschien, wurde er im hohen Maße populär. Als er nach einigen Jahren starb, da hatte ein Hutmacher die glorreiche Idee den Hut des Amerikaners als „Franklin Hüte“ als Erinnerung in den Handel zu bringen. Er fand reißenden Absatz und war nichts anderes als der bekannte Zylinder.

Der Zylinder hat den Krieg nicht überdauert, auch die mondäne Welt hat sich verflüchtigt, man ist zu arm geworden, oder besser gesagt, das Gewöhnliche kam zutage.

Der Huterzeuger Habig erzählte, dass er jetzt jährlich 2000 Dutzend Zylinder herstelle, in seiner Fabrik und mit seinen Angestellten. England beherrschte mit diesem Artikel den Weltmarkt, dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass ein guter Teil der englischen Zylinder, die nach Österreich gebracht und um viel Geld verkauft werden bis auf die Marke, die sie über den Kanal erst erhalten, in Wien XX., produziert werden. Die Wiener Industrie hat sich auch an den komplizierten Chapeau claque gewagt und ein vorzügliches Ergebnis erzielt.

QUELLEN: Neues Österreich 10. August 1948, Neues Wiener Journal, 12. Mai 1919, Czernowitzer Zeitung, 19. März 1905, Leitmeritzer Zeitung, 23. August 1890. Österreichische Nationalbibliothek, ANNO

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