EDMUND VON NEUSSER#
Wieder musste die Wiener medizinische Schule, den Tod eines der Ihren, den Hingang eines Mannes, der zu den leuchtenden Zierden der Wiener Klinik zählte und ihr zu einer Zeit zur zweiten Blüte verhalf, als man anfing, nörgelnd von ihr zu sprechen und ihren Glanz als etwas Vergangenes zu betrachten.
Edmund Neusser starb am 30. Juli 1912 in Bad Fischau und sein Tod, der ihn von dem Leiden einer qualvollen Krankheit befreite, hat tiefen Schmerz über viele gebracht. Er starb allen zu früh, nicht nur den Seinen. Zu früh den Kranken, den Lernenden, den Kunstverständigen, allen guten Menschen, die in ihm die Idealfigur eines Arztes und Menschen verwirklicht sahen.
Einer der Großen der alten medizinischen Schule Wiens ist mit Hofrat Dr. Neusser aus dem Leben geschieden. Er zählte zu jenen Kapazitäten, die von Wien aus einen Weltruf gewannen und zu denen Leidende aus allen Teilen der Welt eilten um bei ihm Hilfe zu finden, Trotzdem war Neusser nie ein Modearzt gewesen, seiner vornehmen Natur lag es fern, aus seiner Wissenschaft Kapital zu schlagen und sein immenses Können in den Dienst der Plutokratie zu stellen. So blieb er Zeit seines Lebens ein Arzt, der nur der Allgemeinheit durch die wissenschaftliche Forschung und seiner Lehrtätigkeit diente. Seine Bedeutung als Diagnostiker war Welt bekannt, er hatte einen genialen Blick für die unscheinbarsten Symptome, so dass er das Krankheitsbild mit fast untrüglicher Sicherheit erkannte. Seine klinische Tätigkeit hat Tausenden Hilfe von ihren Leiden oder mindestens Linderung der Schmerzen, da er eigentlich nur für seine Patienten in der Klinik Zeit hatte und bei interessanten Fällen sich oft stundenlang einem Kranken widmete. So fanden die Erkrankungen der Niere, der Nebenniere, Blutkrankheiten in ihm einen Forscher und Beobachter, dessen Methode der Untersuchung bald vorbildlich wurde. Als Lehrer war er von einer Gründlichkeit, die hohe Anforderungen an das Wissen seiner Hörer stellte, da er fast nur die schwierigsten Krankheitsfälle demonstrierte und eine umfangreiche Geschichte der einzelnen Erscheinungen gab. So waren seine Vorlesungen nie sehr stark besucht, doch die Studierenden, die bei ihm lernten, trugen reiche Wissensschätze davon. So war Edmund Neusser als Arzt und Gelehrter ein großer Mann, die ihm näher Stehenden erkannten aber auch, dass er ein guter und edler Mensch war.
Er war am 1. Dezember 1852 in Swoszowice bei Krakau in Galizien geboren, besuchte nach Ablegung der Matura mit 19 Jahren die medizinische Fakultät der Krakauer Universität, übersiedelte nach 3 Jahren nach Wien, wo er 1877 zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert wurde. Er trat dann als Hilfsarzt bei Anton Drasches in das Allgemeine Krankenhaus ein, wurde Sekundararzt und bald darauf Assistent unter Prof. von Bamberger. Im Jahr 1881 studierte er noch in Paris und Straßburg und war kurze Zeit als Arzt im Gefolge Ferdinand von Bulgarien den er zusammen mit Prof. A. Pollitzer an einem Gehörleiden behandelte. Später wurde er Primararzt der Krankenanstalt Rudolfstiftung 1888 habilitierte er sich als Privatdozent für innere Medizin an der Wiener Universität und übernahm nach Bambergers Tod die Leitung dessen Klinik. 1893 wurde er ordentlicher Professor und Vorstand der zweiten medizinischen Klinik in Wien, für spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten, in welcher Stellung er bis zu seinem Tod verblieb. Besondere Bedeutung hatte der Gelehrte als Pionier der Hämatologie und der klinischen Chemie die in seiner Klinik großes Interesse entgegen gebracht worden war.
1897 vermählte er sich mit der ehemaligen Opernsängerin Paula Mark, mit welcher er in glücklicher Ehe lebte, war er doch selbst ein talentierter Pianist. Vom Kaiser wurde er durch Verleihung des Hofratstitels, durch Erhebung in den Adelsstand ausgezeichnet, außerdem erhielt er eine ganze Reihe von Orden. Bekanntlich wurde bei der letzten Erkrankung des Kaisers vom Leibarzt des Monarchen sein wissenschaftlicher Rat eingeholt. Auch am Krankenbett Dr. Luegers spielte Hofrat von Neusser eine große Rolle.
Zu seinen bedeutendsten Schüler zählen, sein Nachfolger Norbert von Ortner und Wilhelm Türk.
Der Tod an einem Nierenkrebs, gegen den auch ein operativer Eingriff der am 12. Oktober 1911 im Sanatorium Löw vorgenommen, wobei ihm die linke Niere wegen einer Eiterung entfernt wurde, die ihm derartige Qualen bereitet hatte, blieb erfolglos. Seine Kollegen wollten ihm die Wahrheit über seine Krankheit verschweigen, doch nach der Operation stellte sich keine Linderung ein, im Gegenteil er litt weiter an furchtbaren Schmerzen und so forderte er die Operateure auf, ihm die entfernte Niere zu zeigen. Man half sich aus der Verlegenheit indem man ihm eine fremde Niere vor legte, die Neusser kopfschüttelnd betrachtete. Er schwieg, später äußerte er Bedenken, dass ihm wirklich die Niere entfernt worden sei. Anfang Dezember verließ er das Sanatorium, und bezog seine Wohnung. Im Februar übersiedelte er dann nach Bad Fischau. Allmählich wurde ihm sein Leiden bewusst und ohne zu klagen, wartete er unter Qualen auf das Ende.
Der Kaiser, der dem erkrankten Professor Neusser lebhafte Teilnahme entgegen brachte, ließ am 13. Juni, durch den Erzherzog Rainer Erkundigungen nach dem Befinden des Professors einziehen. Der Erzherzog besuchte damals Hofrat von Neusser in Fischau.
Obwohl man seit Wochen mit dem tödlichen Ausgang seiner Krankheit rechnete, kam die Katastrophe überraschend. Am Morgen besuchte ihn noch sein behandelter Arzt Dr. Bauer von der Klinik Hohenegg, fand den Patienten wohl bei getrübtem Sensorium, sein Zustand war aber nicht derart, dass man mit einem plötzlichen Tod rechnen musste. Der Arzt fuhr nach Wien.
Gegen Mittag verschlechterte sich plötzlich der Zustand Neussers. Es stellte sich Herzschwäche ein, das Bewusstsein schwand vollständig. Man holte den in Fischau zur Sommerfrische weilenden Primarius des Krankenhauses in Mährisch-Ostrau Dr. Hans Sederl. Dieser fand Hofrat von Neusser vollständig bewusstlos. Herz und Puls waren bereits sehr schwach. Der Arzt machte die anwesenden Familienmitglieder, Freunde und Pflegerinnen darauf aufmerksam, dass die Minuten Neussers gezählt seien. Einige Minuten vor zwei Uhr am 30. Juli 1912 starb der Gelehrte ohne Todeskampf. Vorher war noch der Ortspfarrer bei dem Sterbenden. Vom Tod Neussers wurde die Kabinettskanzlei des Kaisers, die Wiener Universität und die Klinik des Verstorbenen telegraphisch verständigt.
Das Leichenbegängnis fand unter riesiger Teilnahme der wissenschaftlichen und Gesellschaftskreisen am 2. August in dem Sterbeort Fischau an der Schneebergbahn statt. Laut Wunsch des Verblichenen erfolgte die Beerdigung in seinem Lieblingsort Fischau und zwar an der Seite seines Freundes, des Villenbesitzers Sturle, mit dem ihn eine innige Freundschaft verband. Die Gemeinde Fischau beabsichtigt, dem Gelehrten ein Ehrengrab zu widmen. Im Arkadenhof der Universität Wien befindet sich ein Denkmal Neussers, geschaffen von Heinrich Karl Scholz
QUELLE: Illustrierte Österreich Journal 1. Mai 1909, S 4, Illustrierte Kronen Zeitung 31.Juli 1913, S 6,Neue Freie Presse, 31. Juli 1893, S 2,und Bilder, ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Grabstein von der Gemeinde Bad Fischau freundlicher Weise zur Verfügung gestellt
HINWEIS; Fischau https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/EDMUND_VON_NEUSSER