EIN RIESENBETRUG#

1921: Durch Wiens Blätterwald rauscht helle Empörung. Ein Riesenbetrug wurde zufällig noch rechtzeitig aufgedeckt. Es handelt sich um das bekannte Objekt auf dem Kärntnerring Nr. 4. Jonas von Königswarter ließ sich das Palais in den Jahren 1860 bis 1862 durch August Schwendenwein von Lanauberg und Johann Romano von Ringe errichten.
Das repräsentative Zinshaus schräg der Oper gegenüber sollte verkauft werden. Nur die Besitzerin Hofschauspielerin Katharina Schratt dieses Gebäudes hatte davon keine Ahnung, war auch nicht zugegen.
Zufällig kam jener Bruder der Schratt vorbei der auch der Hausverwalter dieses Palais war und bemerkte Herrn Dr. Jakobowicz. Er sprach ihn an und erkundigte sich nach dessen Besuch. Zu seiner großen Überraschung erfuhr der Bruder: „Ich vertrete Herrn Otto Frankl und habe für ihn dieses Haus an Herrn Ungar, den Chef der Firma Ungar und Comp., auf dem Kohlmarkt, verkauft.“ „Aber das ist ausgeschlossen... das Haus gehört meiner Schwester... ich müsste doch etwas davon wissen, ich bin doch der Hausverwalter...“ „Ihre Frau Schwester hat doch meinen Klienten bevollmächtigt, dieses Haus zu verkaufen und ich....“ „Aber das ist ausgeschlossen! Meine Schwester kann keine Ahnung davon haben...“ „Bitte schön, hier ist die Vollmacht,“ der Rechtsanwalt zog einen Brief und eine Vollmacht aus seiner Aktentasche, die die Unterschrift, Katharina Schratt trugen. Herr Schratt griff nach den Papieren... studierte diese kurz und rief: “Die Papiere sind falsch! Von A bis Z...Fälschungen,,,hier geht ein Verbrechen vor!“ Nun erfuhr Schratt von dem Rechtsanwalt das Haus mit der gesamten Einrichtung hinter dem Rücken der Frau Schratt an Herrn Ungar um den Kaufpreis von 47 Millionen Kronen verkauft und der Verkauf war bereits bis zur Vergebührung gediehen, als der Zufall Herrn Schratt diesen ungeheuren Betrug, der gegen Frau Schratt versucht wurde, auffliegen ließ.
Der Rechtsfreund der Frau Schratt, Dr. Weißenstein, unternahm sofort die nötigen Schritte. Er erhielt von Dr. Breitner, dem Vertreter des Käufers, die gefälschten Papiere ausgefolgt. Einen Tag später erteilte ihm Frau Schratt die Vollmacht zur Verfolgung des Täters und Dr. Weißenstein hat die Anzeige bei der Polizei bereits gemacht. Die Anzeige, der der geschilderte Vorfall zugrunde liegt, lautet gegen unbekannte Täter, da es die Sache der Polizei sein wird, festzustellen, ob Otto Frankl selbst der Urheber des versuchten Verbrechens oder nur ein Werkzeug war. Es ist nämlich noch nicht festgestellt, wie die Durchführung der Tat geplant wurde. Otto Frankl, Sohn des verstorbenen Baugrundspekulanten gleichen Namens, der durch die Erwerbung der Schwenderschen Neue Welt Gründe in Hietzing ein großes Vermögen erworben hatte. In einem der Franklschen Häuser in der Auhofstraße, hatte Frau Schratt ein Kriegsspital errichtet, welches sie mit großen Opfern während der ersten drei Kriegsjahre erhalten und selbst geführt hat.
Es gibt zwei Möglichkeiten.
Die eine ist die, dass man Frau Schratt das Opfer eines ganz großen Verbrechens werden lassen wollte. Zum endgültigen Abschluss des Verkaufes ist nämlich die notariell beglaubigte Unterschrift des Verkäufers selbst gesetzlich gefordert und in diesem Fall hätte der Schwindler nicht nur die Unterschrift, sondern auch die Stampiglie des Notars fälschen müssen, um Frau Schratt um die gesamten 47 Millionen zu prellen.
Die andere Möglichkeit ist die, dass der Täter sich mit der Herauslockung einer Provision oder einer Anzahlung begnügen wollte, ein Vorgang, der ihm immerhin Millionen verschafft hätte. In jedem der beiden Fälle hätte er aber Wien und Österreich schleunigst verlassen müssen, denn das Verbrechen wäre bestimmt aufgedeckt worden, da ja Herr Schratt, der Hausverwalter, von dem durchgeführten Verkauf hätte erfahren müssen.
Zu der Angelegenheit bekommen wir noch von einer der Frau Schratt nahe stehenden Dame folgende Darstellung: Vor einigen Wochen erschien bei Frau Schratt ein Mann, der sich als Architekt Otto Frankl vorstellte und bei Frau Schratt wegen einer Wohnungsmiete in ihrem Haus auf dem Kärntnerring vorsprach. Frau Schratt erklärte sie habe keine Wohnung abzugeben habe. Im Verlauf des Gespräches fragt dann Herr Frankl ganz unvermittelt, ob Frau Schratt nicht geneigt wäre, das Haus zu verkaufen.
Von einem Hausverkauf kann absolut keine Rede sein, denn das Haus steht unter Kunstschutz und zweitens wisse sie nicht, was sie mit dem Geld anfangen sollte. Herr Frankl entfernte sich und es stellte sich später heraus, dass er versucht hatte, von einem Bediensteten der Frau Schratt sich eine Aufstellung über das Inventar ihres Hauses auf dem Kärntnerring zu verschaffen, was ihm aber nicht gelang. Über Wochen herrschte Stillschweigen......
Wie schon erwähnt, hatte Frau Schratt ihrem Rechtsberater Dr. Weißensteiner mit der Angelegenheit betraut. Zum Glück hatte sie keinen Schaden erlitten, jedoch Herr Ungar, der bereits sämtliche Gebühren zahlte.
Frankl war ein gut situierter Realitätenbesitzer. Er besaß das Haus Nr. 17 in der Jaquingasse, angeblich auch mehrere andere Gründe in Wien und Grundstücke auf dem Semmering. Interessant ist, dass heute ein Prozeß wegen des Hauses in der Jaquingasse stattfinden soll. Frankl wollte das Haus verkaufen, der Käufer hatte bereits eine Angabe von zwei Millionen geleistet. Wegen Differenzen kam der Kauf nicht zustande, Frankl erklärte die Angabe als verfallen, darüber soll ein Gericht entscheiden....
QUELLEN: Wiener Morgenzeitung, 13. Juni 1921, Ill. Kronen Zeitung, 14. Juni 1921, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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