FREIHERR VON WEIGELSPERG#

Kaiser Wilhelm lud 1891 zu einer sogenannten Arbeiterschutz-Konferenz nach Berlin ein, um die Gesetzgebung der einzelnen Länder Europas miteinander zu vergleichen. Da stellte sich heraus, dass auf dem Gebiet der Regelung der gewerblichen Verhältnisse und auch der Schutzmaßnahmen für die in den Industrien beschäftigten Personen Österreich einen der ersten und vornehmsten Plätze unter den Mächten behauptet. Ein Verdienst leitender Staatsmänner, welche in Verbindung mit hervorragenden Parlamentariern die die entsprechenden Gesetze schufen, aber auch der Verdienst jener Personen die im Hintergrund agieren und ohne deren Hilfe an dem Zustandekommen der Gesetze undenkbar wäre.
Diese besondere Tätigkeit fiel dem Ministerialrat im Handelsministerium Freiherrn Bela von Weigelsperg zu. Ihm war die schwierige Aufgabe zugewiesen worden, den Übergang von der älteren ungeregelten und regellosen Epoche in die neue Ära der Organisation zu vermitteln. Der Übergang vollzog sich in aller Ruhe, obwohl die österreichische Industrie sich gerade im heftigsten Zollkampfes mit dem Ausland befand, trotzdem konnte der Umwandlungsprozess in eine neue innere Gestaltung ohne Schädigung vollzogen werden, verdankt man vor allem der Umsicht, der Mäßigung, dem Wohlwollen, dem klugen und freundlichen Sinne des Mannes, dem als Referenten im Ministerium die gewerblichen Angelegenheiten anvertraut waren, und der dieselben mit Verständnis und aufopfernden Hingebung verwaltete.
Bela Freiherr von Weigelsperg stammt aus einer Soldatenfamilie und ist der Sohn des Feldmarschall-Leutnants Freiherrn von Weigelsperg, wandte sich jedoch dem Staatsdienst zu. Er kam ins Handelsministerium, das von Minister Freiherrn de Pretis geleitet, fand in der Präsidialkanzlei Verwendung und erhielt später das Referat für die gewerblichen Fachschulen. Um dieses Gebiet gründlich kennen zu lernen, reiste Baron Weigelsperg in die wichtigsten Länder Deutschland, Belgien und Frankreich und erstattete über deren gewerblichen Unterrichtsanstalten einen glänzenden Bericht, der einst großes und berechtigtes Aufsehen hervorrief. Kaum wieder in Österreich, beeilte sich der Baron seine gewonnenen Erfahrungen im heimischen Gewerbestand zu verwerten. Er verstand es, die verschiedenen Körperschaften für das gewerbliche Schulwesen zu interessieren, mit welchem Erfolg, denn bisher gab es in Österreich kaum ein Dutzend gewerbliche Fach- und Fortbildungsschulen. Doch sein Bericht zeigte Wirkung und unter seiner intensiven Fürsorge entstanden nun zahlreiche Anstalten mit einem erfreulichen Ergebnis von 393 Fach- und Fortbildungsschulen, die von 61.567 Schülern besucht wurden.
Ein Jahr später, im Dezember 1892 ereignete sich in Wiener Neustadt eine furchtbare Tragödie. Belas Bruder, Oberst Friedrich Franz Baron von Weigelsperg, Kommandant des Dragoner Regiments Nr. 4, geboren zu Ödenburg am 26. Oktober 1844, verübte Selbstmord durch einen Kopfschuss, und erlag Tags darauf dieser Verletzung. Obwohl das Motiv zu dieser Tat noch ungeklärt ist, vermutet man, dass der Offizier der seit einiger Zeit an einem Nervenleiden laborierte, und von den Ärzten eine Verschlimmerung desselben festgestellt worden war, zu den verhängnisvollen Entschluss gelangte, seinem Leben ein gewaltsames Ende zu bereiten.
Das Schicksal dieses bekannten und beliebten Menschen erregte in der Gesellschaft allgemeine Teilnahme. Nach der Hainburger Kadettenschule wurde er als Leutnant in die Kavallerie eingeteilt. Seine Fähigkeiten ließen ihn rasch vorwärts rücken so als Subaltern-Offizier zu besonderen militärischen Missionen Verwendung fand. Als Rittmeister bei den „Ludwig-Ulanen“ wurde Freiherr von Weigelsperg im Jahr 1883 dem Hofstaate des Erzherzog Albrecht zugeteilt. 1885 wurde er zu Major befördert und ein Jahr darauf zum Flügel-Adjutanten des Kaisers ernannt. In dieser Eigenschaft wurde er dem Kronprinzen Rudolf zur Dienstleistung zugeteilt und gleichzeitig zum Dragoner-Regiment Graf Sternberg Nr. 8 vom 3. Ulanen-Regiment transferiert. 1888 wurde er in seiner Stellung als Flügel-Adjutant enthoben, avancierte er zum Oberstleutnant. Oberst wurde Weigelsperg erst am 28. Dezember 1890. Oberst Freiherr von Weigelsperg galt als tüchtigster Stabsoffizier der Armee und hatte bei allen Beratungen zum Thema Kavallerie-Waffe betreffend im Kriegsministerium ein gewichtiges Votum. Der Selbstmord des Barons wurde auch in Verbindung mit einer Depression gebracht, die wahrscheinlich in Familien-Angelegenheiten zu suchen sind. Der Selbstmörder hinterließ keinerlei Aufzeichnungen die auf ein Motiv schließen ließen. Als der Verblichene zuletzt in Wien weilte, wo er dem Thronfolger von Rumänien als Ehrenkavalier zugeteilt, wollten so manche seine Niedergeschlagenheit bemerkt haben.
Nachdem die Angehörigen von dem traurigen Vorfall in Kenntnis gesetzt worden waren, begaben sich der Bruder, Bela von Weigelsperg und der Schwager Baron Nestoff, nach Wiener Neustadt. Die Beisetzung findet auf dem Wiener Zentralfriedhof statt.
Der Oberst war verheiratet, seine erste Gattin war Gräfin Philomena Kuenburg, die er am 6. August 1871 auf Schloss Strilek in Mähren ehelichte, sie starb 1872. 1883 heiratete er Freiin von Klaimayern. Außer seiner Witwe hinterlässt der Freiherr noch zwei Kinder, einen 29 jährigen Sohn der studiert, und eine Tochter. Die greise Mutter des Obersten lebt ebenfalls in Wien.
In den Sälen der Gartenbau-Gesellschaft fand am 15. April 1894 die Wiener Möbel-Industrie Ausstellung durch den Sektionschef des k.k. Handelsministeriums Freiherrn von Weigelsperg, in Anwesenheit des Herrn Landmarschalls Freiherrn von Gudenus, des Herrn Vizebürgermeisters Matzenauer und zahlreicher anderer Gäste statt. Der Präsident an der Spitze der Kommission begrüßte Freiherrn von Weigelsperg und stellte die einzelnen Kommissionsmitglieder vor. Weigelsperg bedauerte, nicht selbst die Ausstellung eröffnen zu können und versicherte dem Gewerbestand stetes Wohlwollen entgegen bringe und daher die Ausstellung mit Interesse verfolge, und sich selbst von den Fortschritten der Möbel-Industrie überzeugen und erklärte die Ausstellung für eröffnet. Unter Führung des Präsidenten besichtigten sie die verschiedenen Ausstellungs-Objekte.
Einige Zeit nach der Eröffnung erschien Erzherzog Ludwig Victor, unterzog die Ausstellung einer eingehenden Besichtigung und sprach in anerkennender Weise über die Leistungen der Aussteller aus. Die Ausstellung wurde am vergangenen Tag von 621 Personen besucht.
Der Gewerbeausschuss beschäftigte sich im Dezember 1994 mit dem Gesetz, betreffend der Sonn- und Feiertagsruhe. Bei einzelnen Kategorien von Gewerben bei denen eine Unterbrechung oder Aufschub unmöglich ist, wollte man eine Ausnahme machen......
Sektionschef Freiherr von Weigelsperg ist am 18. Mai 1903 aus dem aktiven Staatsdienst ausgetreten. Aus diesem Anlass erhielt er das Großkreuz des Franz Joseph Ordens. Sein Gesuch um Versetzung in den Ruhestand war vom Kaiser genehmigt worden. Weigelsperg verbrachte 37 Jahre im Handelsministerium und 10 Jahre als Chef der Sektion Gewerbe, Handel und Seeschifffahrt. Er hat die Gewerbenovellen der Jahre 1883 und 1885, ferner das Gesetz über die Gewerbe-Inspektoren ausgearbeitet und im Parlament vertreten. Der Kommission zur Vorbereitung des Kranken- und Unfallversicherungsgesetz gehörte er als Mitglied an. Bei allen Ausstellungen die in den letzten 30 Jahren stattfanden war der Freiherr organisatorisch tätig. Er leitete die Arbeiten der Kommission für das Patent- und Hausierergesetz. Zu seinen Agenden gehörte auch die Seeverwaltung.
Freiherr von Weigelsperg wurde von den Christlichsozialen mit Unrecht angefeindet, weil er angeblich dem Standpunkt dieser Partei in Gewerbefragen nicht genug entgegenkam. 1897 wurde er geheimer Rat, 1900 wurde er in die dritte Rangklasse der Staatsbeamten befördert.
In einem Sanatorium Nähe Wiens, starb am 11. Juli 1918 Geheimer Rat Freiherr von Weigelsperg im 76. Lebensjahr, nach längerer Krankheit. Die Leiche wird in der Kapelle des Hietzinger Friedhofes eingesegnet und in der Familiengruft beigesetzt.
QUELLEN: Wiener Allgemeinen Zeitung, 12. Juli 1918, 13. Dezember 1892, Arbeit, 20. Mai 1903, Vorarlberger Landeszeitung 3. Dezember 1894, Wiener Montags Post, 23. April 1894, Wiener Montags Journal, 20. Juli 1891, Österreichische Naionalbibliothek, ANNO
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