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IST MINERAL- AUCH HEILQUELLE#

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Heilquelle, Foto: Graupp

1930: Wenn beim Suchen nach Trinkwasser oder sonst irgend einer Gelegenheit eine Quelle zutage tritt, die durch einen seltsamen Geruch oder einen besonderen Geschmack auffällt, auch wenn einmal das Vieh das Wasser einer Quelle nicht genießen will, dann erlebt man oft, dass schnell der Gedanke auftaucht: Hier ist ein Heilschatz, ein kostbarer Besitz, der der leidenden Menschheit nicht vorenthalten werden darf. Schnell wird irgendwo eine chemische Analyse gemacht und der Sachverständige gesucht und wenn gefunden, der Punkt für Punkt jeden einzelnen Bestandteil der Quelle nach Art und Menge mit den bekanntesten und berühmtesten Kurorten vergleicht, und bald liest man in allen Zeitungen die frohe Botschaft von der glücklichen Auffindung einer neuen Quelle, die besser ist als Karlsbad, wirksamer als Nauheim und vor allem durch ihre Radioaktivität Wunder wirkt. Nun gilt es, eine kapitalkräftige Gesellschaft zu finden, dann ja dann muss der Staat helfen. Also heran, Herr Wohlfahrtsminister! Lasse nur ja nicht deiner Volksgesundheit diesen Schatz entgehen. Und damit die Kaufllust des Wohlfahrtsministers noch eine kleine Belebungsspritze bekommt, werden auch die Krankenkassen und Landesversicherungsanstalten bombardiert, und wenn niemand anbeißt, dann wird auf die Bürokratie des Staates geschimpft. Der kein Verständnis für das Wohl seiner Bürger hat. Wir erleben es immer wieder, dass der glückliche Besitzer solcher Quelle nach Erfinderart seinen letzten Pfennig für die Verwertung des „kostbaren Schatzes“ ausgibt und als armer Mann von Haus und Hof gehen muss. Es wäre manchmal besser gewesen, wenn er die Quelle mit den seltsamen Eigenschaften schnellstens zugeschüttet hätte.

Glücklicherweise liegen die Dinge nicht immer so unglücklich, sondern manche Quelle, die der Zufall zutage treten ließ, hat sich wirklich als wertvolles und kostbares Geschenk für die Menschheit erwiesen und auch ihrem Besitzer Segen gebracht.

Wie sondert man aber die Spreu vom Weizen, und wie findet man, ob die neue Quelle eine Heilquelle ist oder nicht? Dazu gehört erstens, dass man jeden voreiligen Enthusiasmus und Optimismus beiseite lässt, sondern Schritt für Schritt sachlich und kritisch vorgeht. Zunächst soll man eine Orientierungs-Analyse machen, das heißt in einem anerkannten chemischen Institut eine Bestimmung der wichtigsten Bestandteile der Quelle vornehmen lassen, und zwar soll der Chemiker unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen das Wasser der Quelle selbst entnehmen. Ein zuverlässiger Chemiker wird sich auf die Untersuchung eines eingesandten Wassers nicht einlassen. Diese Orientierungs-Analyse dient, wie schon die Bezeichnung sagt, lediglich dazu, einen Überblick zu bekommen, nach welcher Richtung die Quelle untersucht werden soll. Eine Veröffentlichung dieser Orientierungs-Analyse darf unter keinen Umständen erfolgen. Jeder Chemiker von Ruf wird es auch von vornherein nicht gestatten, dass sein Name in Verbindung mit dieser Orientierungs-Analyse in der Öffentlichkeit genannt wird. Die Orientierungs-Analyse steht zu der echten Analyse in dem Verhältnis wie die Skizze des Malers zum Gemälde.

Ergibt die Orientierungs-Analyse Anhaltspunkte, dass die Quelle einen Wert hat, dann wird erst die gründliche Original-Analyse ausgeführt.

Aber auch die Originalanalyse berechtigt noch nicht dazu, die Quelle als Heilquelle zu bezeichnen oder gar aus dem Vergleich mit anderen Heilquellen, bei denen dieser oder jener Bestandteil in ähnlicher Menge vorhanden ist, Heilanzeigen für sie herzuleiten. Es kommt bei der Beurteilung der Heilquelle nicht auf die einzelnen chemischen Bestandteile an, sondern auf das Verhältnis der einzelnen Bestandteile zu einander und auf ihr Zusammenspiel. Die Arbeit des Chemikers verrät von der Quelle nichts weiter als die Tatsache, dass hier ein beachtenswertes naturwissenschaftliches Phänomen vorliegt. Ob und wie dieses naturwissenschaftliche Phänomen sich auf den Organismus auswirkt, ist Sache der biologischen Untersuchung und kann nur in einem physikalischen Institut wissenschaftlich und experimentell durch Beobachtungen und Versuche festgestellt werden.

Damit ist das Wasser aber immer noch keine Heilquelle, denn zu dem Begriff der Heilquelle gehört die Feststellung der Tatsache, dass das Wasser imstande ist, kranken Menschen Heilung zu bringen, und das kann nur festgestellt werden am kranken Menschen. Hier entscheidet der Pharmakologe, der die theoretischen Grundfragen der Wirkung der Quelle auf die kranken Organe und den kranken Menschen festlegt, und vor allem der klinisch geschulte Arzt, der die letzte Entscheidung trifft, ob die Quelle dem kranken Menschen Hilfe und Heilung bringen kann. Aber es soll auch nicht das Urteil eines einzelnen Klinikers entscheiden, sondern die Quelle sollte erst dann als Heilquelle angepriesen werden, wenn sie Prüfungen und Nachprüfungen über sich hat ergehen lassen, wenn sie hieb- und stichfest war gegen Kritik und Gegenkritik, Nur dann darf man sie als Heilquelle empfehlen, nur dann darf sie in den Dienst zur Wiederherstellung der Gesundheit stellen.

Der Weg sieht dornenvoll aus. Er ist auch dornenvoll, und jede neue Etappe des Versuches kann zeigen, dass die Hoffnungen trügerisch waren, dass Erwartungen nicht erfüllt werden. und jede Etappe des Versuches kann eine Quelle von der man hoffte, dass sie eine Heilquelle ist, als unbrauchbar für diesen Zweck ablehnen. Nicht jede geologische Auslaugung braucht eine Heilquelle zu sein. Sie kann vielleicht Bestandteile enthalten, die sie etwa ein vorzügliches Düngungsmittel sein lassen, und sie kann dadurch einen großen volkswirtschaftlichen Wert besitzen, aber eine Heilquelle ist sie nur dann, wenn wirklich einwandfrei nachgewiesen ist, dass sie Kranke zu heilen vermag.

QUELLE: Pharmazeutische Rundschau, 25. Mai 1930, S 3, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp