JENNY LIND#
Am 8. Oktober 1887 wurde der Direktion der Anstalt für kranke Kinder in Norwich, von Jenny Lind mit 500,000 Mark, gegründet, ein Brief zugestellt, indem ihr Sohn folgendes mitteilte: „Meine Mutter ist schwer krank und hat die letzten drei Wochen im Bett verweilen müssen, seitdem sie den Schlaganfall erlitt, welcher sie der Sprache und aller Bewegungen an der rechten Seite beraubte. Sie hat seither in wunderbarer Weise zum Teil den Gebrauch der Sprache und des rechten Armes wieder gewonnen, aber wir dürfen uns nicht verhehlen, dass ihre Kräfte immer mehr abnehmen.Gott sei Dank, hat sie keine Schmerzen.“
Einige Wochen später am 2. November 1887 erlosch das berühmte Leben der Jenny Lind die als die „Schwedische Nachtigall“ in die Musikgeschichte einging.
Die irdische Hülle Jenny Linds wurde am 5. November 1887 auf den Friedhof Great Malvern, Grafschaft Worcester zur Ruhe bestattet. Die Menschen des Ortes trauerten um die Tote die sehr viel für die Armen getan hatte. Der Sarg und der Leichenwagen waren mit Blumenspenden bedeckt, darunter befanden sich auch Kränze der Königin, der Prinzessin Christiana von Schleswig Holstein, eine intime Freundin der Künstlerin, und der Kronprinzessin von Schweden. Otto Goldschhmidt, der Gemahl der Verstorbenen, hatte einen Kranz auf den Sarg gelegt, der aus Zweigen eines Myrthenstrauches gewunden war, den Jenny Lind an ihrem Hochzeitstag gepflanzt hatte. Nach der Leichenfeier in der Priorikirche (?) bewegte sich der Leichenzug unter den Klängen des Trauermarsches von Chopin und dumpfen Glockengeläute nach dem Friedhof, wo der Sarg in die Tiefe des Grabes gelassen wurde. Mit ihr wurde das Geschenk der Kinder der Vereinigten Staaten, eine Bettdecke und ein indischer Schal, ein Geschenk der Königin Viktoria mitgegeben.
Jenny Lind wurde als uneheliche Tochter von Anne Marie Fillborg und Nils Johan Lind am 6. Oktober 1820 in Stockholm geboren. Jenny Lind startete im Jahr 1837 zuerst als Schauspielerin. Erst bei einer konzertanten Aufführung erkannte man das Juwel ihrer Stimme.
Wiens Musikwelt war in gespannter Erwartung, denn Jenny Lind war für den 23. April 1846 angesagt, ihr Debüt im Theater an der Wien mit „Norma“, dazu die Beurteilung von F. Wiest:
„Jenny Lind hat die ungeheuren, auf das Höchste gespannten Erwartungen noch übertroffen, und den beinahe abenteuerlich klingenden Ruf, der ihr voranging, schon in diesem ersten Debüt, durch die Großartigkeit dieser musikalisch-dramatischen Schöpfung.bewahrheitet. Es ist ein wunderbares Mädchen, diese Jenny Lind. Man kann sich das Idealste einer künstlerischen Erscheinung auf der Bühne denken, und wenn nun Jenny Lind mit der unwiderstehlichen Beredsamkeit ihrer Stimme, ihres Herzens, ihres Auges – singt, da schrumpft das Höchste des Idealen, das wir uns ausgemalt, zum Nichts zusammen. Fern sei es von mir, eine musikalisch-kritische Analyse der Lind, nach diesem einmaligen Anhören, geben zu wollen, ich kann hier nur den Eindruck schildern, den dieses geniale Wesen auf alle Hörer hervorgebracht, ein Eindruck, der für die Dauer eines ganzen Lebens, nachhaltig-andauernd, unverwischbar bleiben wird.Wien hat vielleicht von allen Städten der Welt die bedeutendsten Norma-Sängerinnen und Norma-Darstellerinnen gehört und gesehen - und dennoch war uns die Norma der Lind von der ersten bis zur letzten Note in der geistigen Auffassung und musikalischen Wiedergabe, im Gesang- und Spielteil, eine durchaus neue Schöpfung voll geistreicher Eigenart, eine dramatisch-musikalische Gestaltung der Norma, die vielleicht nur zur ganzen künstlerischen Individualität der Lind passt, die aber in allen Teilen vollendet genannt werden muss. Schon, wenn die Lind als Norma in der ersten Szene aus dem Chor tritt wenn sie die ersten Rezitativtakte singt, haben wir die Hohepriesterin, die königliche Seherin in den Umrissen der äußeren Erscheinung, in der Weihe dieses Gesanges vor uns! Und von diesem Moment angefangen, führt uns die Lind in die düstere Leidensgeschichte eines gebrochenen edlen Herzens hinein, von diesem Moment angefangen, rollt sie uns von Szene zu Szene ein Seelengemälde in Tönen auf, das in seinen hellen, sinnigen Gefühlspartien, wie im Clair obscure der wildesten Leidenschaft.....
Am 20. Mai 1846 gab es im Theater an der Wien eine Benefizvorstellung, zugunsten von Jenny Lind, auf dem Programm stand Bellinis „Nachtwandlerin“.
Das Theater an der Wien hat schon viele schöne Aufführungen von Beethoven, Mozart, Gluck usw. erlebt aber noch nie eine Jenny Lind. Einen derartigen Enthusiasmus gab es noch nie, ließ das Theater fast erbeben. Stürmischer Beifall ohne Ende, Hervorrufe ohne Zahl, Blumen. Kränze und Gedichte, kurz, alle nur erdenklichen Huldigungen wurden der Künstlerin zu teil. Auch Direktor Pokorny hatte der umjubelten Künstlerin eine schmeichelhafte Aufmerksamkeit zugedacht und ließ ihr Toilettezimmer mit Blumen festlich schmücken und überraschte sie mit einem herrlichen Spiegel dessen Silberrahmen ihr Name und die Worte: „So wahr und klar“ graviert waren.
Der Jubel kannte keine Grenzen und auch kein Ende, obwohl der Vorhang gefallen und die meisten Orchestermitglieder bereits gegangen, musste die Künstlerin dem allgemeinen Verlangen des Publikums nachgeben, und die Schlussarie beim Accompagnement bei nur noch wenigen anwesenden Violinen wiederholen.
Vor dem Theater harrte aber schon wieder eine große Menschenmenge, die der Gefeierten beim Einsteigen in den Wagen laut zujubelten und noch später versammelte sich gestern und vorgestern am Graben vor den Fenstern der Gefeierten.
Bäuerle schrieb bereits nach der ersten Vorstellung der Lind: „Wer nur einmal diese wunderbaren Töne gehört, wer nur einmal dieser Augen sanfte Sterne gesehen, der vergisst sie für die Dauer des Lebens nicht – man schwelgt noch in der Rückerinnerung an Jenny Lind!“
Jenny Lind war auch in Amerika bald keine Unbekannte, fand sie doch dort ihren Partner fürs Leben. Otto Goldschmidt, ebenfalls mit Musik verbunden, war er doch Pianist und Komponist.
In Amerika wird oft sehr übertrieben, so auch mit Jenny Lind: „Wir hatten gestern“ sagt der Redakteur des „New Orleans-Courier“, „das Vergnügen, mit einem Jenny Lind-Rasierwasser von einem Jenny Lind Barbier rasiert zu werden, uns mit Jenny Lind Eau de Cologne zu parfümieren, mit einem Jenny Lind-Kamm zu kämmen, miteiner Jenny Lind-Bürste zu bürsten.....
1856: Jenny Lind verlässt die Weltstadt London. Aus diesem Anlass hat die Londoner Musikzeitung „The Musical World“ der schwedischen Sängerin einen Nachruf gewidmet. Verehrung, Liebe und Bewunderung, deren sich die große Künstlerin in allen Kreisen Europas und Amerikas Kunst zu schätzen weiß.....
Die Laufbahn Jenny Linds muss als eines der Phänomene dieses wahrhaft merkwürdigen Jahrhunderts angesehen werden. Sie hat die Welt bezaubert und die Verehrung und Bewunderung der Welt in einem Grad gewonnen wie kein anderer öffentlich auftretender Künstler, noch dazu ihre Liebenswürdigkeit und Mildtätigkeit.
Ihr Vortrag im Abschiedskonzert, die Hymne für Sopran, Chor und Orgel von Mendelssohn war erhebend und erbauend durch tiefsten Andachtsausdruck in Ton und Blick. Die große Arie „die Königin der Nacht“ erregte Enthusiasmus durch das Feuer und die Energie des Vortrages, die bei der verlangten und geleisteten Wiederholung noch glänzender hervortraten. Im Vortrag der Bellini 'schen Arie leistete sie das Höchste an vollendeter Kunst, lehnte die verlangte Wiederholung des Rondo ab. Der schwedische Gesang „Echo“ war ein würdiger Schluss dieses unvergesslichen Abschiedsfestes.“
Sie sang mit Leichtigkeit vom tiefen As bis zum hohen F. Ihre Koloraturen waren von unvergleichlicher Schönheit und Abgerundheit, die schwierigsten Verzierungen gelangen ihr spielend; ihr Stakkato hatte auch in den höchsten Tönen keine Spur von Schärfe, es blieb stets edel und schön. Zur Erhaltung ihrer Stimme tat Jenny Lind sehr viel u.a. trank sie niemals Kaffee, Tee oder Wein.
1859 Dänemarks Dichter Hans Christian Andersen hatte das Glück Jenny Lind 1843 kennen zu lernen und verliebte sich angeblich in sie. Seine Gefühle wurden von ihr nicht erwidert, sie blieben aber in Freundschaft verbunden. Andersen brachte seine Begegnung mit Jenny Lind als Erinnerung zu Papier.
Maßgebende Persönlichkeiten wie Robert Schumann, Giacomo Meyerbeer sind ihres Lobes voll, Felix Mendessohn. Einer der aufrichtigsten Bewunderer der Sängerin, sagte, „dass ihm in seinem Leben keine so edle, so echte, so wahre Künstlernatur begegnet sei und dass in Jahrhunderten nicht eine Persönlichkeit gleich der ihrigen geboren werden würde.“
QUELLEN: Prager Abendblatt, 11. Oktober 1887, 9. November 1887, Wiener Theater Zeitung, 23, Mai 1846, 25. Mai 1846, 24. April 1846, 18. September 1851, Neue Wiener Musik Zeitung, 17. Juli 1856, Blätter der Musik, 10. Juni 1859, Die Frau, 12. Februar 1921, Österreichische Nationalbibliothek ANNO
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