Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

KORFU#

Korfu
Schloss Achilleion, Zeitung "Wiener Bilder", mehr zu Schloß Achilleion, Bild aus der Zeit vor 1900 , ÖNB, zur Geschichte der Zeitung "Wiener Bilder"

Ein blühendes Paradies von Zypressen und Pinien von den Fluten des Ionischen Meeres umspült war schon des öfteren Gegenstand zum Streitobjekt unter den Völkern geworden. Einst war Korfu auch für Österreich bedeutungsvoll, als Österreichs Kaiserin Elisabeth sich dort das Schloss Achilleion erbauen ließ.

1923: Über Nacht war es mit dem Frieden auf der Phäakeninsel im Ionischen Meer vorbei, Korfu war zum Schauplatz kriegerischer Ereignisse geworden. Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges war sie in Vergessenheit geraten und der Aufmerksamkeit entrückt, doch nun abermals Mittelpunkt der hohen Politik geworden. Die erste aller Seeschlachten, von denen die Geschichte uns kündet, hat sich in den Gewässern um Korfu ereignet. Thukydides ist jener dem wir die Jahreszahl dieses Ereignisses verdanken: 665 v. Chr. dass sich zwischen den Bewohnern Korfus den Korkyräern und Korinthern abspielte. In dieser Schlacht waren die Korinther die Verlierer, die die Kolonie Korkyra im Jahr 734 v. Chr. gegründet hatten. Später trennte sich die Insel vom Mutterstaat, dem sie bald die Herrschaft in den ionischen Gewässern abspenstig machte. Die Folge dieses Streites war die erste historische Seeschlacht.

Bunt und vielfältig wie die zauberhafte Insel ist auch seine zweieinhalbtausendjährige Geschichte, zu der man den homerischen Mythos nicht zählen kann. Denn Homers Phäakenland, die Insel Scheria, ist nach Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff ein utopisches Wunderland, in dem ewige Frühlingswinde wehen, steter Friede herrscht, die Götter mit den Menschen Verkehr pflegen und die Schiffer des Nachts auf spiegelglatter Meeresfläche fahren. Es ist des Dichters frei erfundene Schlaraffenland. Diese Auffassung haben schon die altgriechischen wissenschaftlichen Geographen wie Eratosthenes und die antiken wissenschaftlichen Romerklärer, wie Aristarch und Apollodor, vertreten. Die moderne Forschung hat diese Ansichten der alten insofern bestätigt, als sich nirgendwo ein Beweis dafür findet, dass auf Korfu die uralte Burg des König Alkinous stand. Dieser homerische König ist ein Mythos wie die schöne Nausikaa.

Trotzdem weiß uns Korfus Geschichte unendlich viel zu erzählen. Gab die Insel doch durch eine Schlacht zwischen den Flotten der Athener und Korinther die Veranlassung zum Peloponesischen Krieg, in dem die Insel stets auf Seite der Athener stand. Im Jahr 229 v. Chr. kam sie unter die Herrschaft der Römer, bei der Teilung des byzantinischen Reiches durch die Kreuzfahrer im Jahr 1205 fiel Korfu den Venezianern zu, die sie im gleichen Jahrhundert zwar an den König von Neapel verloren, aber reichlich ein Jahrhundert später, im Jahr 1386, erneut Besitzer des schönen Eilandes wurden, um nun mehr als vier Jahrhunderte, bis zum Frieden von Campo Formio im Jahr 1797, dort zu bleiben. Während dieser langen Zeit haben die Italiener den Charakter der Insel und ihrer Bevölkerung derart manipuliert, dass sie noch heute starken italienischen Färbung hat, obgleich in der napoleonischen Zeit die Franzosen und dann ein halbes Jahrhundert lang die Engländer Korfu im Besitz hatten. Diese überließen im Jahr 1863 den Griechen das vielumstrittene Stück Land, einem Antrag Gladstones gemäß, der damit den Wunsch des Parlaments von Korfu auf Vereinigung mit dem geeinigten Griechenland erfüllen wollte. Der berühmte französische Geograph Elisée Reklus schrieb darüber: „England hat eingesehen dass der moralische Einfluss stärker ist als die Gewalt der Kanonen.“ Es wäre gewiss zu wünschen, dass Frankreich sich diese Worte heute zu Herzen nehmen würde. Aber auch die Italiemnützer denken weniger als je an solche moralischen Eroberungen und verlassen sich lieber auf ihre Schiffsgeschütze. Die Bevölkerung von Korfu, die zum großen Teil aus der langen Zeit der venezianischen Herrschaft her noch italienisch versteht, wird dadurch in ihren Sympathien für den großen Nachbar auf der anderen Küste des Ionischen Meeres gewiss nicht bestärkt werden.

Wie überall im nahen Orient, bietet auch Korfu besonders die gleichnamige Hauptstadt, das bleiben Bild eines bunten Völkergemisches. Griechen, Italiener, Nachkommen der Venezianer, Juden vereinen sich zu einem Menschenschlag, der sorglos und heiter das Leben genießt, soweit ihm die Mittel dazu gegeben sind. Und es gibt neben einer allerdings sehr zahlreichen armen Bevölkerung in der lebhaften und blühenden Stadt Korfu Leute genug, denen es gut geht und die sichs demgemäß wohl sein lassen. Manche Teile der Stadt haben einen ausgesprochen großstädtischen Charakter, so die Esplanade, ein langgestreckter Platz, der sich zwischen der Stadt und der alten, von den Venezianern angelegten Festung ausdehnt. Stattliche Häuser mit Arkaden begrenzen die Westseite, im Norden erhebt sich der königliche Palast, der zu Beginn der englischen Herrschaft für den Lord-Oberkommissar erbaut wurde. Auf der Esplanade herrscht meist reges Leben; die Bevölkerung ergeht sich unter einer schönen, schattigen Doppelallee, redet, gestikuliert und erfreut sich ihres Daseins. Die Frauen in ihrer malerischen Tracht sind zum Teil von geradezu klassischer Schönheit. Aber auch schöne Männer gibt es auf Korfu, mögen sie nun im Bauerngewand oder im modernen englischen Anzug einhergehen. Sie sind von ebenmäßiger Figur, haben feurige Augen und lebhafte, ausdrucksvolle Züge. Zwischen den bunten Treiben fällt die schwarze Gewandung der zahlreichen Popen mit langem Haar und den noch längeren Bärten auf; sie lassen sofort erkennen, dass man sich in griechisch-katholischem Land befindet.

Wenn früher die Rede von Korfu war, gedachte man sogleich des Achilleions, der herrlichen Besitzung der unglücklichen Kaiserin Elisabeth, das im Jahr 1907 in den Besitz des ehemaligen deutschen Kaisers überging. Das herrliche Schloss, die wunderbaren Gärten, der unvergleichliche Fernblick über das blaue Meer – alles ist noch da; aber es ist nicht mehr wie früher, die Kriegsjahre haben überall ihre hässlichen Spuren hinterlassen. Zuerst kamen die Serben, richteten sich häuslich ein und benahmen sich im Schloss, als wäre es eine Kaserne. Später kamen andere Alliierte, auch Franzosen und kühlten an den zahlreichen Statuen, an der Einrichtung, an den Möbeln ihr Mütchen. Den anderen Bildwerken wurden die Arme, die Nasen und andere Körperteile abgeschlagen, und wenn das die Kunst gewesen ist, so war es doch eine schamlose Barbarei. Heute ist da Achilleion verlassen; es ist in den Besitz der griechischen Regierung übergegangen, die nicht recht weiß, was sie damit anfangen soll. Auch kommt nur noch selten ein Besucher; nach dem einstigen Kaiserschloss, das beim Dorf Gasturi liegt. Das Achilleion hat mit dem Sturz der kaiserlichen Herrschaft seinen Nimbus verloren, wie so vieles andere aus der Zeit vor dem Krieg.

1916: Es scheint, als ob die Engländer und die Franzosen ihren Unmut über die gescheiterte Dardanellen-Aktion an dem armen Griechenland auslassen wollen. Sie blockieren die griechischen Häfen und bedrohen damit das Königreich mit Hungersnot, denn Griechenland ist kein Land, welches produziert, sondern es ist ein Handelsstaat, der fast in allen wichtigen Dingen auf die Einfuhr angewiesen ist. In rücksichtsloser Weise besetzen nun die Ententemächte eine der griechischen Insel nach der anderen und nun haben sie sich der Insel Korfu bemächtigt. Dort sind die Franzosen gelandet, haben das Achilleion und die Telegrafenstation besetzt und eine Kaserne für ihre Truppen in Beschlag genommen. Französische Polizisten aus Marseille sind in Korfu eingetroffen und entwickeln dort nun eine lebhafte Tätigkeit. Diese Besetzung ist ein neuerlicher Bruch bestehender Verträge. Am 14. November 1863 ist zwischen Österreich, England, Preußen und Rußland ein Vertrag geschlossen worden, durch welchen die Ionischen Inseln, nach Aufhebung des englischen Protektorats mit Griechenland vereinigt wurden. In diesem Vertrag wurde ausdrücklich bestimmt, die Ionischen Inseln werden nach ihrer Vereinigung mit Griechenland alle Vorteile einer immerwährenden Neutralität haben. Demgemäß wird keine Macht zur See oder zu Lande jemals auf den Territorien oder in den Gewässern der Inseln vereinigt oder stationiert werden können, mit Ausnahme der unbedingt notwendigen Polizeitruppen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Prinzip der Neutralität, das durch diesen Artikel festgestellt wurde, zu respektieren.

Die Besetzung von Korfu durch die Franzosen muss auch Italien verstimmen. Denn Italien erlebt damit die größte Demütigung seines Selbstbewusstseins. Durch die Eroberung des Lovcen ist eine tiefe Wunde geschlagen worden und nun folgt unmittelbar darauf die Besetzung von Korfu durch die Franzosen, ein schallender Beweis der Missachtung der italienischen Ansprüche und seiner Wünsche. Das berühmte andere Ufer, das Italien erobern wollte, ist an zwei wichtigen Punkten verloren. Die Besetzung von Korfu muss in Rom wie eine Rache wirken für das Nichtteilnehmen an der Aktion auf dem Balkan und ein Zeichen, dass der Wert der italienischen Bundesgenossenschaft sehr gering angeschlagen wird. Der Lovcen gestern und Korfu heute, Demütigungen von Feindeshand und von Freundeshand, das ist ein trauriges Ergebnis der bisherigen Kriegsführung von Italien.

1916: Die Vossische Zeitung meldet aus Athen: Athenai erfährt, dass die italienische Regierung den verbündeten Mächten ganz entschieden erklärt habe, sie könne in keinem Fall das Verbleiben des Königs von Serbien und der serbischen Armee auf italienischem Gebiet gestatten, weil der Eindruck der serbischen Niederlage auf das italienische Volk ungünstig wirken könne. Deshalb sei nach Verständigung mit den übrigen Mächten die Unterbringung der Serben auf Korfu beschlossen worden.

Es wird berichtet, dass der österreichische Konsul und der Vertreter des österreichischen Lloyd in Korfu verhaftet wurden.

1923: Ein italienisches Unterseeboot hat den griechischen Dampfer „Georgios“ in der Meerenge von Korfu gekapert.

Eine halbamtliche Erklärung stellt fest, dass die englische Regierung die Besetzung und das Bombardement Korfus durch italienische Streitkräfte als eine Verletzung des Vertrages von 1864 betrachtet, mit welchem die ewige Neutralität von Korfu festgelegt wurde.

Der italienische Vertreter im Völkerbund Graf Salandra erklärte auf Befragen über das Vorgehen Italiens gegen Griechenland, dass die Aktion Italiens nicht als Kriegsdrohung aufgefasst werden könne, was in Art. 12 des Völkerbundpaktes vorgesehen sei. Das italienische Vorgehen auf Korfu habe nur den Charakter einer Pfandnahme, nicht den einer Besetzung. 20.000 italienische Soldaten sind auf Korfu gelandet. Vier Panzerschiffe und etwa zehn leichte Einheiten sind eingetroffen. Die griechischen Behörden von Korfu werden an Bord eines Kriegsschiffes gefangen gehalten.

Das Italien Mussolinis beharrt nach wie vor auf der bedingungslosen Annahme der Griechenland gestellten Forderungen. Weiters erfährt man aus Rom, dass Mussolini nicht nur die Einmischung des Völkerbundes in die Frage von Korfu ablehne, sondern sich auch gegen eine Intervention der Botschafterkonferenz wenden würde.

Nach Mitteilung des griechischen Delegierten in Genf beläuft der italienische Anspruch an Griechenland auf die in der Note geforderten 500.000 Lire, zuzüglich 380.000 Lire für die Besetzung Korfus und 17.000 Lire täglich für die laufenden Besatzungskosten. Da die Besetzung inzwischen auch auf die südlich Korfu liegende Insel Paxos und die Bewachung der übrigen Inseln um Korfu durch italienische Kriegsschiffe ausgedehnt wurde, ist damit zu rechnen, dass sich die Ansprüche Italiens noch erhöhen werden.

Tribuna erklärt in Leitartikel gegenüber den englischen Forderung der sofortigen Räumung von Korfu neuerlich, dass Italien sein Wort halten und Korfu räumen werde, sobald die griechischen Zusagen wenigstens zum größten Teil erfüllt sein werden.

Am 26. September 1923 begann die Räumung Korfus.

QUELLEN: Linzer Tages Post, 13. Jänner 1916, Salzburger Wacht, 4. September 1923, Grazer Tagblatt, 5. September 1923, Vorarlberger Landes Zeitung, 10. September 1923, Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 12. September 1923. Österreichische Nationalbibliothek ANNO

Wissenssammlungen/Essays/Historisches_von_Graupp