LAND DER GEBIRGSBAHNEN#
1881: Unsere Heimat Österreich ist das Land der Gebirgsbahnen, den Ingenieuren gebührt der Ruhm. Begonnen hatte alles mit der Semmeringbahn, ein beliebtes Vorzeigemodell und technisches Meisterwerk, jetzt als UNESCO Weltkulturerbe weltberühmt. Dieser Einzigartigen folgten Bahnen am Brenner, Spitzberg, eine Gebirgsgruppe in den Oberösterreichischen Voralpen, im südlichen Traunviertel gelegen, und am Arlberg. Damit ist bewiesen, dass Österreich-Ungarn technisch mit der modernen Zeit mithalten konnte und bald wird das wunderbare Alpenland sowohl der Kultur, dem Handel, der Industrie wie auch dem Vergnügen in allen Windrichtungen ganz erschlossen und die Zahl der Bahnkilometer in der unendlichen Alpenwelt mehrfach vorhanden sein.
Der Bau der Gebirgsbahnen nach dem bekannten Adhäsions-System ist ein äußerst kostspieliger, aber wenig rentabler. Vor Beginn solcher Bauten stellt sich die Frage ob man wohl die Unkosten je hereinbringen würde. Andererseits ist der Nutzen, ja Notwendigkeit vieler solcher Bahnen vom kommerziellen und strategischen Standpunkt, nur muss darauf bedacht genommen werden, einen Kompromiss zwischen Ausgabe und Rentabilität zuwege zu bringen.
Seit einiger Zeit sind die Ingenieure mit der Verbesserung des Zahnradbahnsystems beschäftigt, denn es sind weitere Gebirgsbahnen mit diesem System geplant. In erster Linie soll die Verbindung der Lokalbahn Mürzzuschlag-Neuberg mit der niederösterreichischen Staatsbahn hergestellt werden. Kaiser Franz Joseph besaß hier ein Jagdgebiet, dass er in Zukunft bequemer erreichen konnte.
Bahninspektor der Südbahn August Birk, bereits aufgefallen durch seine ausführliche Denkschrift „Die Semmeringbahn“, hat seinen Vortrag über „Die Zahnradbahnen und ihre Lokomotiven“ in Druck bei Lehmann & Wentzl, I. Kärntnerstraße 34 gegeben.
Aus diesem gedruckten Vortrag ist über die Geschichte der Bergbahnen, an die Anstrengungen um die Lokomotiven aus ihrer Abhängigkeit der sehr wechselnden und bei starken Steigungen ungenügenden Adhäsion zu befreien. Niklaus Riggenbach, der Bergbahnpionier, ein Elsässer, baute die erste Zahnradbahn in Europa, von Vitznau am Luzerner See auf den Rigi, den Kulm 1750, in der Länge von 7.1 Kilometer mit normaler Spurenweite, dem Maximalradius von 180 Meter und der Maximalsteigung von 250 o/oo - ¼. Derzeit sind in Europa 10 Zahnradbahnen im Betrieb: Steinbruch-Ostermundingen, Vitznau-Rigi, Budapest-Schwabenberg, Arth-Rigi, Nussdorf-Kahlenberg, Rohrschach-Heiden, Bergwerksbahn Wasseralfingen, Fabriksbahn-Rüti, Steinbruchbahn Laufen, Bergwerksbahn Friedrichseggen. 40 Stück Zahnradlokomotiven stehen den Bahnen zur Verfügung. Die teuerste, jedoch zweigleisige Zahnradbahn ist jene von Nussdorf auf den Kahlenberg, die pro Kilometer 348.000 Gulden gekostet hat, dazu noch die Grundablösung 10.000 Gulden pro Kilometer kommen.
Übrigens die Zahnradbahn wurde von dem Engländer John Blenkinsop 1812 erfunden.
Nun wie steht es um die Sicherheit der Bergbahnen? Aus Amerika wurde kein Unfall gemeldet. Auch hier in Europa blieb alles unfallfrei. Es ist Raggenbach zu verdanken, der das System der Bremsung durch komprimierte Luft in Anwendung gebracht hatte. So kann der Lokomotivführer die Geschwindigkeit jederzeit regulieren. Konrad Wilhelm Hellwag, Eisenbahnbautechniker erklärte in seinem Gutachten, dass er die Bahnen nach Raggenbachs System auf Bahnsteigungen für sicherer und leistungsfähiger halte, als die Adhäsionsbahnen.
Der Oberbau der Zahnradbahnen ist mit einer Zahnstange ausgestattet. Raggenbach hatte auch hier eine Verbesserung vorgenommen, dass er statt der als Unterlage für die Zahnstange dienende Langschwellen gusseiserne Lagerstühle zur Anwendung brachte, welche auf den Stoß-Querschwellen durch Schrauben befestigt sind und die Zahnstangenteile an den Enden ohne Benutzung von Laschen, ebenfalls durch Schrauben verbinden. Aufgegeben wurden bei den Bahnen auch die Schiebebühnen und durch Zahnradweichen ersetzt. Ingenieur Hajek, ein Österreicher hat diese Zahnradweichen erfunden. Mit der Zeit nützen sich die Zahnstangen ab, werden erst aber erneuert wenn 1,000.000 Züge über sie hinweg gefahren sind. Bei der Zahnradbahn Nussdorf-Kahlenberg, auf der bisher auf jedem der beiden Geleise zirka 17.000 Züge fuhren wurden keinerlei Abnutzungserscheinungen konstatiert.
Die Kosten der Arlbergbahn im gemischten System, teils Adhäsionsbahn und Zahnradbahn, außerdem wurden zum Schutz gegen klimatische Einflüsse steinerne Galerien, für problematische und riskante Stellen sogar eiserne Schirmdächer erfunden. Für die Errichtung dieser Bahn rechnete man mit einer dreijährigen Bauzeit. Die Kosten beliefen sich auf 35,600.000 Gulden. Dagegen hätte das Reggenbacher Projekt, die Zahnradbahn gemischten Systems 27,819.000 Gulden und wäre um 7,781.000 billiger gewesen.
Stephenson wird als der eigentliche Schöpfer der Lokomotiv-Eisenbahn angesehen, hat er sich doch entschieden gegen das Projekt Ghegas, nämlich einer Lokomotiv-Eisenbahn über den Semmering ausgesprochen, und die Annahme des Seilrampensystems empfahl.
QUELLEN: Verkehrszeitung, 11. September 1881, 28. August 1881, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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