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STÄTTE DER NÄCHSTENLIEBE#

Gründer
Bartolo Longo, gemeinfrei

1901: Neben den Ruinen des in Süditalien gelegenen alten heidnischen Pompeji, das vor 1820 Jahren unter der Lava des Vesuvs versank, ist ein neues christliches Pompeji entstanden, dessen blühende Gefilde alljährlich von tausenden von Fremden besucht werden. Balle di Pompeji heißt der blühende Ort, der zugleich ein Tal der Liebe und des Glücks geworden ist. Vor ungefähr dreißig Jahren noch war der Ort völlig unbekannt und verrufen. Ärmliche Hirtenwohnungen und Schlupfwinkel von Räubern und Wegelagerern waren die einzigen Wohnstätten, und jeder Besucher dieser paradiesischen Natur war erstaunt und bestürzt, gerade hier an diesem unvergleichlich schönen Erdenwinkel so viel menschliches Elend, so viel Verkommenheit zu finden

Jetzt ist alles umgewandelt, und mit der herrlichen Umgebung harmoniert das freundliche Aussehen des Ortes, in welchem Wohlstand und Erwerbstätigkeit in reichem Maße zu finden sind. Einem einzelnen Mann verdankt der Ort sein Aufblühen, dem umsichtigen und menschenfreundlichen Advokaten Bartolo Longo, Kommandeur des päpstlichen St. Gregor Ordens, der es verstanden hat, aus einer Wüste einen verkehrsreichen Wallfahrtsort zu machen, dem Tod neues, blühendes Leben folgen zu lassen.

Im Mai 1876 begann seine Tätigkeit mit der Grundsteinlegung einer neuen Kirche, 1884 wurde auf seine Vermittlung ein Postamt und eine Eisenbahnhaltestelle in Balle di Pompeji errichtet, dann gründete er eine Verlagsdruckerei und eine Zeitschrift unter dem Titel: „Il Rosario e la Nuova Pompei“, weiter folgte mit Unterstützung seiner gleichgesinnten Gemahlin, der Gräfin de Fusco, die Gründung eines Mädchenweisenhauses und endlich einer Erziehungsanstalt für Sträflingskinder.

Mit der Errichtung der letzteren erhielt Balle di Pompeji ein Institut, das einzig in der Welt dasteht, und dessen Beispiel doch hundertfältige Nachahmung verdiente. Mehr wie alles andere konnte gerade diese Einrichtung zu einer Lösung der sozialen Frage beitragen, und sie war es auch, die das Lebenswerk des edlen Bartolo Longo krönte. Welche Grundsätze ihn bei der Gründung des Hospizes leiteten, das hat er selbst in einer seiner Schriften niedergelegt. Er schreibt: „Der glückliche Erfolg des Mädchenwaisenhauses ließ mich anderer Wesen gedenken, die vielleicht die verlassensten der menschlichen Gesellschaft sind, sowohl in Italien als im Ausland. Es sind dies die Söhne der Gefangenen, besonders der Zwangssträflinge, welche zu fünfzehn, zwanzig Jahren oder lebenslänglich verurteilt, ihre Kinder oft nur dann wiedersehen, wenn diese wegen ihrer Freveltaten ihren Eltern in ihre Kerker nachkommen. Diese Kinder sind nicht verwaist und haben daher kein Anrecht auf die Unterstützung vom Staat oder die Aufnahme in Waisenhäuser. So sind sie verlassener als Waisen, denn ihre Mitbürger fliehen sie, und sie trugen den Makel der Schande ihrer Eltern. Oft bleibt ihnen die Mutter, ärmer und beklagenswerter als eine Witwe, und sie wachsen so ohne Erziehung, mit dem schlechten Beispiel des Vaters vor Augen, zu einem lasterhaften und oft verbrecherischen Leben heran. Einst wird der Kerker ihre einzige Nahrung. Dies ist die elende Lage von vielen Geschöpfen, die bisher niemand beachtet, deren Los bislang niemand Aufmerksamkeit geschenkt. Darum macht sich eine neuartige, christliche Institution, deren Zweck die Rettung solcher wahrhaft verlassener Kinder ist, um die Kultur und das Vaterland hochverdient; zu gleicher Zeit übt es ja auch einen bedeuteten sittlichen Einfluss auf die Gefängnisse und Zwangsanstalten aus, denn der Gefangene weiß nun, dass jemand auf Erden an ihn, an seine Kinder denkt, dass er doch nicht von allen verlassen ist, und siehe da! Er wird ergebener, ruhiger; er gehorcht den Vorgesetzten und beugt sich vor dem Gesetz, das ihm früher unerträglich hart und ungerecht erschien. So reicht die Wohltat des christlichen Kulturwerkes von Pompeji bis in die Tiefen der Kerker“.

Wahrlich eine gesunde Sozialreform, die in diesen Anschauungen liegt, und die glänzenden Erfolge der Erziehungsanstalt für Sträflingskinder in Balle di Pompeji haben ihre Wahrheit bewiesen. Die Anstalt bezweckt die Heranbildung der Zöglinge zu solchen Berufsarten oder Handwerken, die ihre Befähigung oder ihre Vorliebe nahelegen. Vor allem – sagt der fürsorgliche Vater der Waisen, Bartolo Longo - wird dafür gesorgt, keine Halbheiten zu erzielen. Der Unterricht beschränkt sich daher auf das Maß, welches zur guten Ausübung eines Handwerks und zur Erfüllung der Pflichten eines braven Christen und Bürgers notwendig ist. „Meine Kinder sollen Liebe zur Arbeit, Willensstärke, Sparsamkeit erlangen, und besonders ihrer Menschenwürde eingedenk werden, die sie sich durch Arbeit verdienen, mit der Hoffnung, dereinst niemand zur Last zu fallen und durch eigene Tätigkeit ihren Bedürfnissen genügen zu können.“

Das „Hospiz Bartolo Longo“ enthält alles, was zur Erziehung und zum Unterricht der zahlreichen Zöglinge notwendig ist: große Zimmer auf der Sonnenseite, weite Arbeits- und Studiensäle, Schuster-, Schneider- und Tischlerwerkstätten, einen Musiksaal, die Elementarschule, Volksschulen und endlich die Waffenkammer, wo die Gewehre aufbewahrt werden, mit denen die Sträflingskinder militärische Übungen machen, damit sie zu späteren Erfüllung ihrer Waffenpflicht vorbereitet werden. Das gesamte Hospiz, zu dem ein geräumiger Speisesaal mit riesiger Küche, eine Kapelle, Maschinen- und Materialräume gehören, umfasst einen Flächenraum von insgesamt 12.620 m².

Von den Zöglingen ist keiner müßig. Jeder hat sein Handwerk , seinen Beruf, wozu er am besten veranlagt scheint. Mehrere sind in der Buchdruckerei als Setzer beschäftigt, andere werden zu typographischen Maschinisten, zu Buchbindern, Schuhmachern, Schneidern, Tischlern ausgebildet oder lernen die Landwirtschaft. Auch Musik wird von den Zöglingen gepflegt und ihre Kapelle bildet eine der beliebtesten und volkstümlichsten Einrichtungen in Balle di Pompeji. Besonders musikalisch veranlagte Zöglinge lernen neben ihrem Berufsstudium Harmonium oder Klavier.

„In der Geschichte dieser Kinder - so schreibt Bartolo Longo in seiner neuesten Jahresschrift - kommen Dinge vor, wie man sie herzzerreißender nicht denken kann. Ich glaubte, bei jedem schon das Ärgste zu hören, täglich bin ich aber gezwungen zuzugeben, dass die Abgründe von Unglück und Elend, die sich mir seit der Gründung dieser Anstalt auftaten, von jedem Folgenden noch überboten werden. In zartestem Alter haben sie mehr Schmerz und Not erlitten, als oft die ruchlosesten Verbrecher. Hunger, Kälte, Verachtung von ihren Nachbarn, Freunden, Verwandten war ihr Anteil. Ohne Speise und Kleidung irrten manche durch Straßen und Felder, ohne Zuflucht, wenn sie nicht ein Baum vor Regen- oder Sonnenglut schützte. Ihre Eltern sind auf Jahre, oft auch auf Lebenszeit in den Kerkern. Manchem starb die Mutter aus Elend und Gram, andern wurde sie von dem getötet, der ihr am Altar Treue geschworen, oder sie verbüßt selbst die Strafe für den Mord an ihrem Gatten. Oft sind beide zur Haft verurteilt. Ein Kind ist dabei, vielleicht das unglücklichste von allen, welches die eigene, heute im Irrenhaus internierte Mutter zu vergiften versuchte.“

Pompeji
Basilika
Basilika
Kircheninnere

Das Hospiz Bartolo Longo in Balle di Pompeji wird alljährlich von tausenden von Fremden besucht. Der Eindruck, den man von der Anstalt empfängt, ist der denkbar beste. Bartolo Longo ersetzt den Kindern den liebevollsten Vater und sorgt mit rührender Hingebung für das Wohl eines jeden einzelnen seiner Zöglinge. Alles, was er besitzt, oder was ihm von wohltätigen Herzen aus allen Teilen der Welt gespendet wird, verwandelt er zum Nutzen seiner Anstalt, zur persönlichen Wohlfahrt seiner Zöglinge. Von seiner edlen Gattin, der Gräfin Marianne de Fusco, wird er in seinen menschenfreundlichen Bestrebungen liebreich unterstützt. Sie ist die treusorgende Mutter der ihrem speziellen Schutz unterstellten Waisenmädchen, die ihrem Herzen am nächsten stehen. In gegenseitiger Unterstützung, in liebevoller Hingabe für ihren selbstgewählten Beruf ergänzt sich dieses Ehepaar, das die Barmherzigkeit auf Erden verkörpert, das, mit Glücksgütern reich gesegnet, die Freuden der Welt im Übermaß genießen könnte, das es aber vorzieht, sein ganzes Leben, seine Arbeit, sein Vermögen einem Werk edelster Humanität zu widmen und aus dem weltabgeschiedenen paradiesischen Tal aus Balle di Pompeji, ein Tal des Glücks und der Liebe zu machen.

Bartolo Longo wurde am 10. Februar 1841 in Latiano in Apulien in der Nähe des Hafens von Brindisi geboren und starb am 5. Oktober 1926 in dem Ort der sein Wirkungskreis bis zu seinem Lebensende blieb.

Während seines Jura Studiums in Neapel war er ein erbitterter Gegner der Kirche, doch die Begegnung mit einem außergewöhnlichen Priester, Pater Alberto Radente, erlaubte ihm, auf den Weg des Glaubens an Christus zurückzukehren. So wurde vom Ungläubigen zum eifrigen Katholiken und Marienverehrer bekehrt, sah er in der Beförderung der Rosenkranzandacht seine Lebensmission.

Durch sein neues geistliches Engagement, lernte er die Witwe Gräfin Mariana de Fusco kennen, die ihn bat, sie bei der Verwaltung ihrer Güter im Tal von Pompeji zu beraten. Als anerkannter Anwalt unterstützte er mit seiner Kompetenz ehrenamtlich deren Geschäftsbereich.

In diesem Tal, eine Umgebung des Vesuvs, herrschte bittere Not, galt als verrufene, Fieber verseuchte Gegend, die er mit Hilfe der Gottesmutter in ein Freudental verwandeln wollte. Von seinem Freund Pater Radente bekam er ein Marienbild geschenkt, das den hl.. Dominikus darstellt, der aus den Händen der Heiligen Jungfrau den Rosenkranz empfängt. Auf einen Mistkarren transportierte er das Gemälde am 13. November 1875 von Neapel nach Pompeji. Der Bischof von Nola erlaubte, dass dieses Gnadenbild in der neuen Kirche aufgestellt werden durfte. Durch sein geniales Propagandatalent rief er in kurzer Zeit eine blühende Wallfahrt ins Leben. Alsbald geschahen Wunder und Pompeji wurde nach und nach das „Italienische Lourdes“. 1887 konnte die Wallfahrtskirche, eine der prachtvollsten und größten Kirchenbauten des modernen Italiens, eingeweiht werden, denn Wohltäter und Verehrer der Madonna des Rosario hatten ihm gewaltige Gelder zur Verfügung gestellt.

Die Verbindung mit der Gräfin fand schließlich 1885 den Abschluss in der Ehe. Doch nun begann ein Kesseltreiben gegen das Ehepaar, Verleumdungen, Eifersucht und viele Böswilligkeiten mussten sie erdulden. Sie ließen sich nicht beirren und setzten ihr Vorhaben fort. Testamentarisch wurde daher das Heiligtum zur „Heiligen Jungfrau von Rosenkranz“ mit all dem Besitz dem Papst Pius X.,. vermacht. Später wurde sie vom Papst zur päpstlichen Basilika erhoben.

Ab 1887 folgten in der Umgebung dem Frieden geweihten Wallfahrtsort die ersten sozialen Einrichtungen.

Armut
Bartolo Longo, Totenbett

Bartolo Longo wurde am 26. Oktober 1980 von Papst Johannes Paul II., selig gesprochen.

QUELLEN: Kärntner Zeitung, 10. Juli 1901, S 1, Salzburger Kirchenzeitung, 2. Dezember 1926, S 6, ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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