ST. BRIGITTA#
August 1864: Seit geraumer Zeit ist zu vernehmen, dass die Stadt Wien die Brigittenau käuflich erwerben möchte. Der frühere Gemeinderat hatte bereits über diese Angelegenheit beraten, doch der Kauf kam wegen einer Preisdifferenz nicht zustande. Seither ist man immer mehr und mehr zur Überzeugung gelangt, dass die Entwicklung Wiens mit der naturgemäßen und richtigen Nutzung der Donau als Hauptverkehrsader der Stadt, in innigem Zusammenhang stehe und dass man daher der Regulierung dieses mächtigen Stromes und der Entwicklung der Uferräumlichkeiten die größte Aufmerksamkeit zuwenden sollte, denn wie sie sich derzeit dem Beschauer bieten ist einer Weltstadt unwürdig.
Namentlich hat der große Grundkomplex in der Brigittenau noch lange nicht die Bedeutung, die ihm seiner günstigen Lage gemäß gebühren würde, erlangt. Schon seit Jahren suchen verschiedene Industriezweige sich ihrer Vorteile bewusst, sich in der Brigittenau niederzulassen. Allein der verworrene Grundbuchstand und der vollständige Mangel einer Verbindung mit der Stadt hinderte sie daran hier ein Gewerbe zu eröffnen.
Die Besitzer des Grundstückes machte dem Gemeinderat der Stadt Wien neuerdings Verkaufsanträge und die Kommune, die endlich zu einem Ergebnis kommen wollte, ließ sich in Unterhandlungen ein, welche zu einem Abschluss führen sollten. Für den gesamten Komplex, von zirka 200.000 Quadratklaftern wird ein Kaufpreis von zirka 1,200.000 Gulden verlangt, und zwar unter Zahlungsmodalitäten, welche für die Kommune außerordentlich günstig waren. In der heutigen Sitzung der Finanzsektion soll, wie zu vernehmen war, dieser Gegenstand zur Beratung vorgezogen werden, um an einem der nächsten Tagen in pleno zu werden.
Ende September 1864 beschäftigte sich der Gemeinderat mit dem Ankauf der Grundparzellen in der Brigittenau. Die Galerie war mit Brigittenauer voll besetzt, die bis zum Schluss der Debatte ausharrte.
Bachmaier als Finanzreferent teilte mit, dass Herr Eckstein bereit sei, die ihm zur Verfügung stehende Parzelle in der Brigittenau, 206.500 Quadratklafter, um den Betrag von 1,265.000 Gulden zu verkaufen, welche in Raten zahlbar sind, und von denen der Verkäufer 500.000 Gulden in 5% Metalliques zum Nominalwert annehmen will. Die Finanzsektion hat sich gegen den Kauf ausgesprochen und der Referent hält sich eine weitere Begründung bis zum Schluss der Debatte vor,
Sämtliche Mitglieder waren gegen den Ankauf, Der Redner Löblich hingegen plädierte für den Ankauf, denn die Hausbewohner sind froh wenn so ein lärmender Gewerbebetrieb das Wohnhaus verlässt und wieder Ruhe einkehrt, 1,265.000 Gulden hat ja auch der Stadtpark mit dem Kindergarten gekostet, und jetzt schreckt man vor der Ausgabe zurück, wo ein ganzer Stadtteil gehoben werden kann; das wäre eine schlimme Unterlassungssünde. Von der Galerie wurde dem Redner mit Bravo Rufen zugestimmt.
Die Mitglieder der Finanzsektion wussten, dass der Ankauf der Brigittenau von Nutzen wäre, doch der Preis war ihnen zu hoch. Man hat von allen Seiten gegen den Ankauf agitiert; die alte Tante „Presse“ hat heute wieder ihre Leser getäuscht und mit Verschweigung der wahren Umstände für Verwirrung gesorgt.
Wien wird sich weiter entwickeln und später könnte der Preis noch höher sein. Man sollte doch nicht der Entwicklung Wiens im Wege stehen. Die Brigittenau ist in ihrem jetzigen Zustand nicht gut genug für Tiere, geschweige denn für Menschen, diese Brigittenau ist ein Schandfleck für Wien. Die Bewohner der Brigittenau besteuern Sie, wie alle anderen Bewohner Wiens, aber wenn es sich darum handelt etwas für die Bewohner zu tun, da weigern Sie sich. Stürmische Bravo Rufe von der Galerie. Der Präsident drohte daraufhin die Galerie zu räumen. Oder will man die Brigittenau, gleich den Eisenbahnen und die Gasbeleuchtung in die Hände fremdländischer Gesellschaften kommen lassen, welche dann mit der Kommune tun werden, was ihnen beliebt. Eine Million haben Sie für Stadt- und Kinderpark ausgegeben, eine Million für ein Stück Platz zwischen den Stephansplatz und Graben, bloß damit die Passage bequemer werde; und zur Hebung eines ganzen Stadtteiles scheuen Sie Opfer zu bringen, für welche Ihnen Handel und Industrie danken würden!
Die weiteren eingeschriebenen Redner waren gegen den Ankauf. Einer von ihnen Frankl bemerkte: Nicht die Brigittenau wird unserem Handel aufhelfen, sondern ein tüchtiger Handelsminister, billige Bahntarife usw. Es ging in dieser Art munter weiter. Zum Abschluss wurde abgestimmt. Der Antrag der Sektion, den Kauf abzulehnen, wurde angenommen.
1869: Der einst von der Kommune Wien so stiefmütterlich bedachte Teil der Leopoldstadt, Brigittenau genannt hat in wenigen Jahren einen riesigen Aufschwung genommen und dürfte nach Vollendung der Donauregulierung sich rasch zu einem der belebtesten Stadtteile erheben. Zwei Baugesellschaften spekulieren bereits durch Ankauf der ausgedehnten Auen auf die Zukunft der Brigittenau, welche jetzt schon nahe an 12.000 Einwohner zählt.
In letzter Zeit hat die Vertretung des zweiten Bezirkes die mit der Zunahme der Bevölkerung im gleichen Maße wachsenden Lokalbedürfnisse ihres entlegenen Teiles besonders berücksichtigt und auf Befriedigung derselben hingewirkt.
Die Bewohner der Brigittenau bekamen 1865 eine Hauptschule und nun den Bau einer Kirche, deren Turmkreuze gestern (19. September) in ungewöhnlich feierlicher Weise aufgesetzt worden sind. Diese Kirche nach einem Plan des Dombaumeisters Schmidt erbaut, gereicht der modernen Baukunst zur vollsten Ehre. Auffällig an diesem Bau ist bereits jetzt schon die neuartige Eindeckung mit prachtvoll emaillierten Ziegeln. Mit der Fertigstellung wird zu dieser Zeit bis in das Jahr 1871 gerechnet.
Die Feier der Einweihung der Kirche begann gestern schon um 6 Uhr morgens. Pöllerschüsse erdröhnten und auf dem schön geschmückten Festplatz begann gleichzeitig eine Musikkapelle des Regimentes Goriz utti zu spielen. Um 9 Uhr 30 fanden sich die Honoratioren ein und nahmen auf den Tribünen ihre Plätze ein. Erschienen waren Statthalter Leiter von Weber, Bürgermeister Dr. Felder, die beiden Bürgermeister Stellvertreter, Gemeinderäte, die Bezirksvertretung. Zur selben Zeit nahte von der Schule der Festzug mit Schuljugend, Militärkapellen, Kirchenmusik, Gesangsschule, sowie die Gesangsvereine von Döbling, Kardinal Erzbischof Rauscher war persönlich anwesend.
Im Jahr des Heils 1867 am 17. November wurde der erste Spatenstich an diesem Kirchenbau getan und heute, das ist am Sonntag nach dem Fest der Kreuzerhebung und unter der glorreichen Regierung Seiner Majestät des Kaiser Franz Josephs von Österreich wurden die Kreuze auf beiden Türmen in feierlicher Weise eingesetzt.
Kardinal Rauscher, Fürst Erzbischof von Wien ermöglichte in hochherziger Weise den Beginn dieses Baues durch Ankauf des Bauplatzes, welcher Adam Schreck, Abt des Chorherrenstiftes Klosterneuburg in Anbetracht , dass hier eine Kirche entstehen sollte gab es einen ermäßigten Preis aus dem Eigentum des Stiftes überließ.
Die Hauptsumme der Baukosten bestritt der niederösterreichische Religionsfonds als Patron und die Kommune Wien. Es war erfreulich, dass sich Privatpersonen sich an Sammlungen beteiligt hatten.
Die Gesamtkosten des Baues betragen ohne der inneren Ausgestaltung die Summe von zweihunderttausend Gulden.
Bauführer waren die Architekten Ludwig Wächter aus St. Pölten und Richard Jordan aus Wien. Mit weiteren Arbeiten betraut waren Eduard Kaiser, Stadtbaumeister, Polier Franz Hofbauer, Jakob Fellner, Hofzimmermeister Eduard Hanser Stadtsteinmetzmeister Johann Gschmeidler, Schlossermeister Heinrich Schwab Ziegeldeckermeister; Alois Fanser, Kupferschmiedmeister, Anton Bauer Spänglermeister.
Die bereits erwähnten emaillierten Dachziegel wurden von der Liechtenstein Ziegelei in Feldsberg durch die Herren Johann Hampe, Oberingenieur, und Franz Kosch Chemiker in Wien. Diese interessante Erfindung fand erstmals an der neuen Kirche Verwendung.
Die Kapsel mit der Urkunde von allen Anwesenden unterschrieben wurde nebst Landesmünzen zu den Turmspitzen hinaufgezogen. Während der Weihe der Turmkreuze und Aufzug und Befestigung brachten die Gesangsvereine folgende Chöre zur Aufführung: Beethovens „Die Ehre Gottes“, „Das Felsenkreuz“ von Kreuzer und Schäfers „Sonntagslied“
Den Schluss der Feierlichkeit bildete der Lobgesang „Laudate pueri“
Juni 1874: Nachdem vorgestern nachmittags in Anwesenheit des Oberstkämmerer Grafen Crenneville, des Ministers Stremayr, des Statthalters Conrad die feierliche Schlusssteinlegung stattgefunden, nahm gestern Kardinal Erzbischof Rauscher die feierliche Einweihung der nun vollendeten Kirche vor.
Die Brigittenau hatte sich für diesen Tag festlich geschmückt, so war beim Eingang der Wallensteinstraße eine prächtige Triumphpforte errichtet und beflaggte Maste wiesen den Weg zur Kirche. Die Mitglieder des Veteranen Vereines „Kronprinz Rudolf“ und weiß gekleidete Mädchen in großer Anzahl bildeten um die Kirche Spalier. Die Kapelle Heß durchzog bald darauf mit klingendem Spiel die Jäger- und die Dammstraße. Überall waren Menschenmassen anzutreffen.
Um 10 Uhr 30 kam der Erzbischof, begrüßt von Pöllerschüssen und Musikklängen um die Einweihung zu vollziehen. In der Kirche wurde der Kardinal vom Bezirksvorstand Ley und den Gemeinderäten Paffrath, Staudinger, Petrasch empfangen, worauf die Zeremonie der Einweihung vor sich ging.
Anschließend folgte eine Messe bei welcher die neue prächtige Orgel die bei der Weltausstellung in der Rotunde ausgestellt war, und jeden Nachmittag ihre imposanten tief ergreifenden Töne erklingen ließ, das Kirchenlied „Hier liegt vor deiner Majestät“ begleitete. Die Bevölkerung zeigte Ausdauer, denn die Feierlichkeiten dauerten zwei Stunden.
Einen Tag vor der Einweihung fand die Schlusssteinlegung statt. Die ersten Hammerschläge auf den vor den Hochaltar eingefügten Schlussstein führte Kultusminister von Stremayr, dann der Statthalter und einige bekannte Brigittenauer Bürger. Dombaumeister Schmidt übergab mit einigen Worten dieses Werk seiner 6jährigen Arbeit dem gottesdienstlichen Brauch. Die kleine Kirche, deren Baukosten 250.000 Gulden, die Ausstattungskosten 50.000 Gulden betrugen, ist ein Rohbau gotischen Stils. Das Innere ist Farben schimmernd. Die Wandmalerei imitieren täuschend Stoff und Ledertapeten. Das Ganze wirkt überaus freundlich
Im Jahr 1876 waren sowohl in der Leopoldstadt, Brigittenau und Kaisermühlen notwendig geworden, den neuen Straßen mit Namen zu bezeichnen. Über Referenten Staudinger folgende Namen ausgewählt. Rauschergassse, dem Kardinal der den Bau der Brigittakirche mit großen Spenden unterstützte, Sachsengasse, Bäuerlegasse zur Erinnerung des Dichters „Es gibt nur a Kaiserstadt, es gibt nur a Wien“. Kunzgasse zur Erinnerung an zwei Frauen die die Stadt Wien mit bedeutenden, reichen Stiftungen unterstützt hatten.
Im Jahr 1878 wurde die Kirche St. Brigitta mit noch zwei Freskobilder bereichert. „Finis coronat opus!“ würde man ausrufen wenn man die beiden letzten Freskobilder betrachtet, die der Historienmaler Ludwig Mayer auf den noch freien Flächen des Presbyteriums ausgeführt hat. Das erste auf der Evangelienseite stellt eine Szene aus der Kindheit der heiligen Brigitta dar, in welcher sich wie im Keime das ganze künftige Leben der Heiligen zeigt. Sie lebte damals bei ihrer Tante, die sie nach dem Tod der Mutter zur Erziehung übergeben wurde. Bereits mit 12 Jahren stand sie ungeachtet der Kälte in ihrem Zimmer in der Nacht auf um stundenlang vor einem Kruzifix zu beten. Ihre Tante überraschte sie eines Nachts bei ihrer Andacht und wies sie nicht nur mit ersten Worten zurecht, sondern erhob die Rute um sie zu züchtigen, doch bevor sie den ersten Hieb ausführen konnte, zerbrach die Rute. Brigitta entging so der Strafe und gleichzeitig wurde sie von der Tante mehr geachtet. Der Maler ist dem Geschehen vollkommen gerecht geworden.
Diesem Bild gegenüber, auf der Epistelseite, ist der Schluss dieses heiligen Lebens, der Tod der heiligen Brigitta dargestellt. In einem ärmlich ausgestatteten Raum liegt die sterbende . Brigitta auf einem einfachen Bett. Ihr gegenüber befindet sich ein Hausaltar an dem ihre beiden Beichtväter eine heilige Messe abhalten.. und gerade die Hostie emporhebt, Brigitta sitzt im Bett und streckt ihre abgemagerten Hände sehnsüchtig nach dem Heiland aus, der sie sogleich nach der Wandlung zu sich rief. Ihre Tochter Katharina und Sohn Birger stehen an ihrem Bett in Schmerz aufgelöst. Am oberen Teil des Bettes, ein Zisterzienser mit der Sterbekerze und einem aufgeschlagenen Buch.
Die Darstellung dieses weihevollen Vorganges ist dem Maler sehr gut gelungen. Die Hauptfigur, die heilige Brigitta, eine siebzigjährige, sterbende Frau, bewegt unwillkürlich den Beschauer zur Ehrfurcht.
Die beiden neuen Bilder reihen sich würdig in die vor Jahren gemalten fünf Bilder ein und vervollständigen den Zyklus dieser Heiligen.
Wie das Vaterland im November 1892 meldet wurden ein Friseur und ein Mechaniker verhaftet, die gemeinsam mit noch weiteren sieben bis zwölfjährigen Schüler seit 1890 die Opferstöcke der Brigittakirche gesprengt und ausgeraubt, und die Münzen aus dem Klingelbeutel wurden gleichfalls entwendet.
In den letzten Tagen stahlen sie aus der Sakristei fünf Stolen, brachten aber, ehe es entdeckt wurde, vier zurück. Doch die fünfte wurde bei dem Dieb vorgefunden. Man rechnet, dass sie bis zu 100 Gulden erbeutet und aufgeteilt haben. Die sieben Schulpflichtigen blieben wohl in Freiheit aber bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Ein großer Tag für die Brigittenauer wurde der 10. Mai 1896. Der Fürsterzbischof Kardinal Gruscha spendete in der Brigittakirche das heilige Sakrament der Firmung. Die Bewohner wussten diese Ehre zu schätzen. Überall war Fahnenschmuck und auf der Wallensteinstraße ein Triumphbogen zu sehen. Dr. Lueger und der neue Bürgermeister Strobach kamen angefahren und wurden mit brausenden Hochrufen begrüßt.
Bis Mittag dauerte die Spende der Firmung, die nach einer Unterbrechung am Nachmittag fortgesetzt wurde. Es waren nicht nur Kinder der Brigittenau, sondern Firmlinge auch aus anderen Bezirken die von den Eltern in die Brigittakirche gesandt wurden
Am 8. Februar 1899 wurde die Leiche des Theaterdirektors Heinrich Jantsch vom Trauerhaus Rauscherstraße 14, in die Brigittakirche gebracht wo die feierliche Einsegnung vorgenommen wurde. Zahlreiche Trauergäste hatten sich in der Kirche eingefunden.
Im April 1899 wurde vor einigen Tagen eine tschechische Versammlung abgehalten, in der die Ablehnung des Ordinariates, in der Brigittakirche den tschechischen Gottesdienst einzuführen, in heftiger und leidenschaftlicher Weise besprochen wurde. Zum Schluss wurde eine Resolution angenommen, in welcher die Einführung eines tschechischen Gottesdienstes in der Brigittakirche, die Vermehrung der Anzahl tschechischer Gottesdienste in Wien und die Bestreitung der Kosten derselben durch den Religionsfonds gefordert wird. Nach den Informationen ist die Einführung der tschechischen Gottesdienstes unbegründet, denn die Tschechen auch der deutschen Sprache mächtig sind. Man vermutet, dass nicht die religiöse Bedürfnis eine Rolle spielt sondern die Nationale Momente allein für diese Forderung maßgebend waren. Der tschechische Gottesdienst wurde eingeführt und fand sehr früh am Morgen statt. Derzeit gibt es in der Brigittakirche polnische Gottesdienste.
Aufregende Tage für die Brigittenau waren gekommen. Der rührige Brigittenauer Wählerklub veranstaltete am 4. April 1900 in Josef Strassers Sälen aus Anlass der Sanktionierung des Gemeindestatutes und der Wahlreform und somit auch der Kreierung des 20. Bezirkes eine Festversammlung, der einen überaus glanzvollen Verlauf nahm. Der Obmann Landtagsabgordneter und Stadtrat Lorenz Müller, eröffnete die Versammlung und begrüßte die Erschienen darunter den Pfarrer, die Bezirksräte Kundi und Hladik und ersuchte den Bezirksschulrat Kundi, das Referat „Brigittenau 20. Bezirk“ zu erstatten.
Der Referent brachte die Geschichte der Brigittenau zur Sprache, die Wiener Wahlreform und des Gemeindestatutes und erwähnte den Kampf um die Selbständigkeit des Bezirkes. Nur der Ungeschicklichkeit des damaligen Vertreters der Brigittenau Bauspekulant Bernert ist es zu danken, dass die Brigittenau bis heute ein Anhängsel der Leopoldstadt blieb. In diesem Saal war es, so die weitere Ausführung des Redners, „wo unser hochverehrter Herr Bürgermeister versprach, für die Selbständigkeit der Brigittenau einzutreten und er hielt sein Versprechen getreulich“ Dann würdigte er die Verdienste von Stadtrat Lorenz Müller um die Selbständigkeit, die mehrmals durch lauten Beifall unterbrochen wurde. Schilderte die Brigittenau vor 30 bis 40 Jahren als diese noch eine Dorfidylle war und erst mit dem Bau der prächtigen Brigittakirche, die den Stolz jedes. Brigittenauers bildet, begann hier die Bautätigkeit. Mitte der siebziger- und achtziger Jahre begann eine rege Bautätigkeit und die Häuser schossen wie Pilze aus dem Boden, neue Straßenzüge entstanden, sehr zum Nachteil der Brigittenau, da die alte erbgesessene, deutsch-christliche Bürgerschaft der Brigittenau von fremden fluktuierenden Elementen sozusagen überschwemmt wurde. Bis zur Erbauung.der Brigittakirche waren die Brigittenauer genötigt ihre religiösen Andachten in der am Sporn beim kaiserlichen Jägerhaus befindlichen Brigittakapelle zu verrichten. Die Sehnsucht der Brigittenauer war schon immer eine Verbindung mit der Inneren Stadt, dadurch hätten auch sie ein besseres Publikum gehabt. Die Verbindung soll sehr bald fertig gestellt sein. Als selbständiger Bezirk wird es zu einem weiteren Aufschwung kommen. Schon sind die nächsten Ansätze zu erkennen mit dem Bau des Amtshauses, eine neue Doppelbürgerschule wurde heuer eröffnet, eine neue Doppelvolksschule ist geplant und im September wird eine neue Realschule ihrer Bestimmung übergeben.
Lorenz Müller schilderte die derzeitige Parteienlandschaft und bedauerte, dass im Mai nur Christlichsoziale hervorgingen, denn die antisemitische Partei ist eine Volkspartei im vollsten Sinne des Wortes. Er wies die verleumderischen Angriffe , die seitens der Judenliberalen gegen ihn gemacht wurden energisch zurück und ermahnte schließlich zur Einigkeit. Lebhafter Beifall belohnte die Redner. Zum Schluss meldete sich noch Arbeiterführer Laßmann der die Gewerbetreibenden aufforderte, ihre Gehilfen bei den christlichsozialen Arbeitervereinen einschreiben zu lassen. Resümee: Die Versammlung zeigte wieder, wie treu die Brigittenauer an ihrem Führer Dr. Lueger hingen und wie sie für ihn eintreten. Aus Anlass der Selbständigkeit der Brigittenau wird es noch ein großes Fest geben.
Der Gemeinderat der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien hat in seiner Sitzung vom 21. März 1902 die Ausschreibung eines öffentlichen Wettbewerbes zur Erlangung von Plänen für die einheitliche architektonische Ausgestaltung des auf dem Baublock gegenüber der Hauptfront der Brigittakirche im XX. Bezirk zu erbauenden städtischen Amtshauses und zweier dasselbe flankierenden Zinshäuser beschlossen.
Zur Teilnahme an diesem Wettbewerb sind jene Architekten berechtigt, welche in Wien geboren sind oder hier ihren ständigen Wohnsitz haben.....
In der letzten öffentlichen Sitzung Dezember 1904 der Bezirksvertretung Brigittenau beantragte Bezirksrat Sadilek, die geeigneten Schritte zur Beleuchtung der Uhr auf der Brigittakirche zu unternehmen, da im Bezirk sich keine öffentliche Uhr befindet. Bezirksrat Lang wies darauf hin, dass seit dem Jahr 1874 an der Brigittakirche keinerlei Renovierungen vorgenommen wurden und dass das Kirchengebäude daher durch den Einfluss der Witterungsverhältnisse an vielen Stellen stark mitgenommen sei. Die Bezirksvertretung beschloss darüber das Geeignete zu veranlassen.
Am 13. Februar 1904 fand in der Brigittakirche in Wien die Trauung des Herrn Rudolf Seyrl, Besitzer der Schlossbrauerei Starhemberg Oberösterreich, mit dem Fräulein Anna Groß Ziehtochter der Fabrik- und Gutsbesitzerin Frau Elsa von Götz statt
Die Amtslokalitäten des Magistrates für den 20. Bezirk befinden sich ab dem 16. September 1905 in dem neuerbauten Amtshaus Brigittaplatz gegenüber der Brigittakirche
Die Hochzeiten am Faschingsonntag des Jahres 1909 beliefen sich in den Pfarren Wiens auf 77. In der Brigittakirche fanden allein an diesem Tag 40 Hochzeiten statt. Sie war bei den Brautleuten besonders sehr beliebt.
Die Brigittakirche erhielt im Dezember 1912 eine neue Sehenswürdigkeit - eine Lourdesgrotte, es handelte sich hier um eine Darstellung die mit den gewohnten Nachahmungen nichts gemein hatte. Sie ist dem Felsenspalt in Lourdes getreu nachgebildet besteht aus vier riesigen Moosbrunner Sandsteinblöcken, Rosen und Blätter sind aus dem Sandstein gehauen und reicht bis an die Decke im linken Querschiff der Kirche. Die Grotte ist vom Hofsteinmetz Hauser geliefert und nach Fotos der Grotte in Lourdes hergestellt. Die Statue der Muttergottes, in Lebensgröße, ist französische Arbeit. Durch die elektrische Farbbeleuchtung gewährt das Ganze einen wahrhaft erhebenden Anblick. Der Schlossermeister Franz Mühl sorgte für das schöne Gitter. All das ist umgeben von einem Meer von Blumen und Palmen in den schönsten Farben.
Am vergangenen Sonntag fand die Weihe der Statue statt, die der Pfarrer der Brigittenau unter Assistenz der Kooperatoren vornahm. Mit Fahnen waren eingezogen der kath. Schulverein, die Frauenkongregation, verschiedene Männervereine.
Die Brigittakirche verdankt dieses schöne Geschenk dem Milchhändler und Molkereibesitzer der Firma Josef Friesels Erben, in der Brigittenau, der seinen Mitbürgern diese Freude bereiten wollte.
Im Mai 1913 besuchten Erzherzog Karl Franz Josef und Erzherzogin Zita das Fest der Fahnenweihe in der Brigittakirche. Die beiden Fahnen waren ein Geschenk der Ortsgruppe „St. Brigitta“ des katholischen Schulvereines für das Gotteshaus. Zita fungierte als Fahnenpatin.
Im Zweiten Weltkrieg wurde nicht nur die Brigittakirche von Bomben und Luftminen getroffen, auch das Amtshaus und der Pfarrhof.
Bei der Restaurierung des Kirchen Inneren war man bemüht ihr historisches Aussehen wieder zu verleihen.
QUELLEN: Reichspost 19. April 1899, S 3, 11. Dezember 1904, S 3, Architekten Zeitung 13. April 1902, S 2, Vaterland 1. Juni 1874, S 2, 4. September 1878 S 3, 30. November 1892, S 9, Jörgl Brief 16. Mai 1896, S 7, ANNO Österreichische Nationalbibliothek Bilder/Graupp
https://austria-forum.org/af/User/Graupp Ingrid-Charlotte/ST._BRIGITTA