STEPHAN BURIAN VON RAJECZ#
Als Burian 1918 zum Außenminister gekürt wurde brachte die Arbeiterzeitung folgendes Kommentar: „Der Herr Baron Burian verdankt seine Ernennung ausschließlich dem Grafen Stephan Tisza. Mit den österreichischen Parteien hat er überhaupt nie einen Zusammenhang gehabt; es gibt keine unter ihnen, die in Burian den Mann ihres Vertrauens sehen wollte. Man erinnert sich wohl noch, wie das österreichische Abgeordnetenhaus über ihn geurteilt hat, als er, als gemeinsamer Finanzminister, die Lösung der Kemetenfrage an eine ungarische Bank verschacherte....“
Seine Majestät Kaiser Karl hat, wie das Ungarische Telegrafen-Korrespondenzbüro erfährt, mit Entschließung vom heutigen Tag 16. April 1918 den gemeinsamen Finanzminister Baron Stephan Burian von Rajecz zum Minister des k. u. k. Hauses und des Äußern ernannt. Die Wahl ist aus dem Grund auf Baron Burian gefallen, weil er, das Vertrauen Seiner Majestät besitzt...
Baron Stephan Burian Freiherr von Rajecz entstammt einer Adelsfamilie im Preßburger Komitat, wo sein Vater durch einige Jahren als Vizegespan fungierte. Sein Bruder ist Oberstuhlrichter in Wartberg.
Baron Burian ist am 16. Jänner 1851 geboren und absolvierte seine Studien an der orientalischen Akademie in Wien, anschließend trat er in den Konsulardienst ein und war in Alexandrien, Bukarest und Belgrad tätig, 1880 wurde er nach Sofia versetzt bis er zwei Jahre später er die Leitung des Generalkonsulates in Moskau, von dort kehrte er 1886 wieder nach Sofia zurück, wo er in neunjähriger Tätigkeit zum Generalkonsul, bald darauf zum diplomatischen Agenten vorrückte und den Titel eines außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigen Ministers erhielt.
In dieser Zeit fiel die Wahl des Fürsten Ferdinand von Bulgarien und die Mission des russischen Generals Kaulbars, dessen Versuche, Bulgarien vollständig dem russischen Einfluss zu unterwerfen musste Burian verhindern, Als nächstes wurde er in das Ministerium des Äußern berufen, und übernahm kurz darauf zunächst den Gesandtenposten in Stuttgart und gleichzeitig für die großherzoglichen Höfe in Baden Hessen akkreditiert und später nach Athen beordert, wo er im Jahr 1900 in den ungarischen Freiherrnstand erhoben wurde.
Am 24. Juli 1903 wurde er zum gemeinsamen Finanzminister ernannt.
Freiherr von Burian hat Bosnien und Herzegowina nach der Ära seines Vorgängers Benjamin von Kallay in dessen Geist weiter geführt und war in den ungarischen Delegationen stets der Vertreter des Ministers des Äußern Grafen Lexa von Aehrenthal. Besonders für die Vorbereitungen der Annexion war Burian mit seinen ausgezeichneten Kenntnissen der orientalischen Frage für Aehrenthal ein wertvoller Berater sowie Mitarbeiter, dafür wurde Aehrenthal vom Kaiser die Brillanten zum Großkreuz des Leopold Ordens ausgezeichnet
Als nun im Parlament über die Annexion debattiert wurde, war Burian in großer Gefahr gestürzt zu werden. Er hatte die Kmenten Ablösung der ungarischen Agrarbank übertragen, und im österreichischen Annexionsausschuss wurde von der südslawischen Seite sofort heftiger Einspruch dagegen erhoben.
Der Monat Mai 1909 verzeichnete bewegte Tage, als die Affäre eine Wendung gegen die damals am Ruder befindliche österreichische Regierung Baron Bienerth in offener Sitzung des Abgeordntenhauses, Freiherr von Burian sei ohne Rücksicht auf die österreichischen Interessen vorgegangen, und er kann seinen Standpunkt in dieser Frage nicht billigen. Zugleich gab Baron Bienerth die Erklärung ab, dass, um die paritätische Ingerenz Österreichs zu sichern, das gemeinsame Ministerium als solches künftig auf alle wichtigen Fragen der Verwaltung Bosniens und der Herzegowina Einfluss nehmen werde. Das beruhigte die österreichischen Gemüter, Baron Burian blieb im Amt und erhielt am 8. Juni 1910 als Ausdruck des kaiserlichen Vertrauens das Großkreuz des Stephan Ordens und durfte den Kaiser auf der Fahrt nach Bosnien begleiten. Auch war bekannt, dass Burian ein intimer Freund Istvan Tizas sei, daher kann er auch mit dessen Unterstützung rechnen. Das mag übertrieben sein und keineswegs immer zutreffend. Der Minister des Äußern ist nach seinen persönlichen Anlagen nicht darauf gestimmt, fremden Willen anzunehmen und auf Selbständigkeit ganz zu verzichten Am 20. Februar 1912 wurde Burian seines Amtes enthoben und durch Dr. Freiherr von Bilinski ersetzt. Anschließend war Burian Minister a latere und vom 13. Februar 1915 bis 21. Dezember 1916 leitete er das Ministerium des Äußern.
Nach seinem Rücktritt wurde er wieder gemeinsamer Finanzminister. Sein Nachfolger war Graf Czernin, dem nun Burian wieder nachfolgt. Aus der Meldung, dass Burian das gemeinsame Finanzministerium beibehält, könnte man schließen, dass er nur ein Platzhalter für einen Nachfolger sei.
Die Ernennung des Ungarn Burian zum Außenminister kommt deshalb nicht überraschend, weil sich sofort nach dem Rücktritt Czernins Herr von Tisza sofort in den Vordergrund drängte....
Nachdem Burian seinen alten, neuen Platz wieder eingenommen hatte, trat das Kabinett Wekerle zurück.
Baron Burian ist seit 24 Stunden Minister des Äußern. Aber diese kurze Zeit hat genügt, um keinen Zweifel darüber zu lassen, dass Österreichs Öffentlichkeit von dieser Wahl nicht sonderlich entzückt ist. ….
Der politische Kurs in Österreich wird also jetzt wieder nach dem Grafen Tisza orientiert. Jene Salzburger Bürger, die auf die Nachricht vom Rücktritt des Grafen Czernin schwarze Fahnen auf ihren Häusern hissten, scheinen also ziemlich im klaren darüber gewesen zu sein, dass das Wiedererscheinen des Herrn Baron Burian ein Ereignis ist, über das wir alles, nur keine Freude empfinden können.....
So wurde die Neuwahl Burians zum Außenminister in Österreich von den Journalen aufgenommen....
Am 20. Oktober 1922 starb Baron Burian mit 71. Jahren.
Baron Burian war der vorletzte gemeinsame Minister des Äußern, den die österreichisch-ungarische Monarchie aufzuweisen hatte. Er bekleidete das Amt des Lenkers der Außenpolitik, das in der Kriegszeit doppelt verantwortungsvoll genannt werden musste, zweimal.
Nach dem Rücktritt Berchtolds im zweiten Kriegsjahr 1915 wurde Burian, damals ungarischer Minister, zum Nachfolger im Ministerium für Äußeres berufen.
Drei große Ereignisse fallen in diesen ersten Teil seiner Amtsführung. Vor allem die Lossage Italiens vom Dreibund und der Anschluss der ehemaligen italienischen Bundesfreunde an die Entente, der Gegner Deutschlands und Österreich-Ungarn. Eine zweite Krise trat etwas ein Jahr später ein. Es war der Eintritt Rumäniens in den Krieg. Das dritte Ereignis war der gemeinsame Friedensschritt der kriegführenden Zentralmächte, der aber leider seitens der Entente eine Ablehnung erfuhr. Dass es Burian nicht gelang, den Eintritt Italiens und Rumäniens in den Krieg an der Seite unserer Gegner zu verhüten, machte ihn zum Gegenstand heftiger Kritik, die ihn schließlich nötigte, seinen Platz am 22. Dezember 1916zu räumen. Sein Nachfolger wurde Graf Ottokar Czernin. Als dieser 1918 demissionierte, stieg zum allgemeinen Staunen abermals Burian aus der Versenkung hervor. Er wurde knapp vor dem Zusammenbruch, durch den Grafen Andrassy jun. einen seiner erbittertsten Widersacher, abgelöst...so das Grazer Volksblatt.
Die Linzer Tages-Post äußert sich mit diesem Nachruf: „...damit verschwindet wieder ein Mann, der in der großen Zeit des Weltkrieges führend in die politischen Geschicke der Donaumonarchie eingriff. Auch er war ein Schicksalsträger des untergegangenen Reiches; die Außenpolitik Burians hat große Fehler aufzuweisen gehabt. In der Zeit des Weltkrieges wäre eine jüngere Kraft auf dem Ballhausplatz in Wien sehr vonnöten gewesen. Burian war zweifellos ein verdienter Beamter, ein treuer Diener der Krone, aber auch nicht mehr.....“
QUELLEN: Arbeiter Zeitung, 18. April 1918, Kärntner Zeitung, 15. Jänner 1915, Linzer Volksblatt, 18. April 1918, Feldblatt, 17. April 1918, Neue Freie Presse 17. April 1918, Österreichische Nationalbibliothek ANNO