TRENTINO#
1918: Gegenüber den Bemühungen Italiens, seinen schändlichen Verrat mit dem Zwang zu erklären, die sogenannte „unerlösten“ Gebiete Österreich-Ungarns zu betreten und mit dem italienischen Königreich zu vereinen, muss einmal klipp und klar festgestellt werden, dass es kein Trentino gibt. Eine Tatsache, die sich an der Hand der Geschichte, der Geographie und der Ethnographie des ehemaligen Fürstentums Trient unwiderlegbar erweisen lässt. Die Ureinwohner dieses Gebietes waren Rhäter, sie wurden von den Römern unterworfen, worauf dann die Germanen in Trient eindrangen. Dieses Land gehörte einige Zeit dem Reich Odoakers, kam dann unter die Herrschaft der Goten, die wieder von den Langobarden abgelöst wurden, worauf die Franken folgten. Auf diese Weise entstand in ganz Tirol, besonders im südlichen Teil, ein Mischvolk, bei welchem jedoch das ganze germanische Element deutlich hervortrat und sich auch in einzelnen Tälern und Höhengemeinden unvermischt erhielt. Im Jahr 1027 machte Kaiser Konrad den Bischof von Trient zum deutschen Reichsfürsten. Die verliehene Urkunde ist vom deutschen Reichskanzler mit unterfertigt und die Belehnung der Bischöfe erfolgte auf deutschen Reichstagen; Trient war somit ganz unzweifelhaft ein deutsches Fürstentum. So lässt sich der Fortbestand dieses deutschen Sprachgebietes bis in das 19. Jahrhundert hinein verfolgen. In der von Tomaso Bottea im Jahr 1860 verfassten „Chronik von Folgaria“ heißt es: „Der hiesige Dialekt weist nur deutsche Worte auf, welche bloß durch die Aussprache entstellt werden; daraus erhellt zur Evidenz, dass die hiesige Bevölkerung deutschen Ursprungs ist!“
Bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden alle Urkunden in deutscher Sprache verfasst und noch gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts war in den Seitentälern von Folgaria der deutsche Dialekt die Umgangssprache, obwohl dort jedermann auch der italienischen Sprache mächtig war. Ferner zählt Franz die Tecini in seiner Abhandlung „Über die deutschen Gebirgsbewohner in Südtirol und im Venezianischen“ 1821 die Ortschaften im italienischen Landesteil auf, in welchen zu seiner Zeit deutsch gesprochen wurde, und nennt auch zahlreiche Gemeinden, in welchen vor Zeiten noch deutsch gesprochen wurde, welche aber gegenwärtig rein italienisch seien, wobei wohl in vollem Recht hinzugefügt werden kann, dass in dieser Aufzählung die Reihe der Gemeinden mit deutscher Umgangssprache oder nachweisbar deutscher Abstammung noch lange nicht erschöpft ist. Deutlich bekunden auch die Namen so mancher Familien im italienischen Südtirol ihre deutsche Nationalität oder zumindest ihre deutsche Abkunft und es führt beinahe der ganze in Trient ansässige Adel deutsche Prädikate.
Nicht minder deutlich lässt sich der ehemals deutsche Charakter dieser Landstriche aus den allerdings vielfach schon italienisierten Ortsnamen nachweisen.
Das Zurückdrängen des deutschen Elementes aus dem Fürstentum Trient und den übrigen südlichen Landesteilen ist auf verschiedene Ereignisse zurückzuführen: Die wiederholten Einfälle der Venezianer, die den welschen Kaufleuten in Tirol eingeräumten Privilegien, die daraus entwickelten Übergriffe der Italiener, der durch die Vermählung Tiroler Fürsten mit römischen Prinzessinnen geförderte Zuzug italienischer Adeliger, Künstler und Handwerker an den Innsbrucker Hof, wo sie bald und durch lange Zeit die führende Rolle übernahmen und das deutsche Element ganz in den Hintergrund zu drängen strebten; die Schwäche der jeweiligen Regierungen, die dem immer weiter fortschreitenden Zurückdrängen des Deutschtums in Südtirol keinen oder nur verschwindend kleinen Widerstand entgegensetzten, ja selbst die Lehrstellen an deutschen Schulen nicht besetzten und dadurch die Eltern zwangen, ihre Kinder in welsche Schulen zu schicken, endlich der geradezu unglaubliche Terrorismus welscher Fanatiker. Alle diese Umstände, begünstigt durch die leichte Einschmelzung des deutschen Stammes und die schon so oft und schwer empfundene Duldsamkeit dieses Volkes, waren die Ursache, dass im Laufe der Jahrhunderte das deutsche Fürstentum Trient samt den angrenzenden, ursprünglich ebenfalls vollkommen deutschen Gebieten nahezu vollständig verwelscht wurde!
Die Bischöfe von Trient zeigten sich schon bei der Angliederung Tirols an das Haus Habsburg in der Ausübung der ihnen zustehenden Landeshoheit in vielfacher Abhängigkeit vom Landesherrn, so dass bereits Rudolf der Stifter vom Hochstift Trient als Herr und Erbvogt anerkannt wurde. Alle Kastellane, Pfleger und Räte des Hochstiftes durften nur mit Zustimmung des Herzogs bestellt werden; der Stadthauptmann von Trient wurde seit dem 15. Jahrhundert vom Grafen von Tirol ernannt, und die Gerichtsbarkeit ging im Laufe der Zeit vollständig in die Hände des Landesfürsten über. Endlich wurde das Hochstift Trient auch zur Steuerleistung an die Tiroler Landschaft im 16. Jahrhundert herangezogen.
Die Bezeichnung „Trentino“, die seit dem Jahr 1670 nur bei einzelnen Schriftstellern auftauchte, wurde erst seit dem Jahr 1810 im politischen Sinn auf die früheren Kreis Tirol und Rovereto angewendet. Seit 1848 bürgerte sich dieser Name unter den welschen Wühlern ein und wurde von den Deutschen ahnungslos übernommen. Aus dieser einwandfreien Darstellung ersteht man also, dass die Italiener ebenso wenig einen geschichtlich begründeten Anspruch auf Südtirol erheben können, wie die Franzosen auf Elsaß-Lothringen und dass es in Wirklichkeit kein Trentino gibt!
QUELLE: Vorarlberger Volksfreund, 11. Mai 1918, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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