WIENER FIAKER#
1849: Die variierenden Preise bei den Wiener Fiakern, so lange keine Fahrtaxe eingeführt war, die erst zu den „Errungenschaften“ gehört, hing vorzüglich von dem Standort ab, welchen einen Fiaker nahm. Auf dem Graben, dem Michaelerplatz und den übrigen Hauptplätzen der Stadt, so wie in den belebten Straßen und in den Vorstädten nahe bei der Stadt verlangte er für eine Fahrt mehr als auf minder volkreichen oder den abgelegenen Stationen. Dann stellte der Fiaker, wie natürlich, nach der größeren oder geringeren Eleganz seines Fuhrwerkes die Preise.
Wagen und Pferde sind meist in ordentlichem Zustand, und die Fiaker setzen eine Art point d'honneur darein, ein sauberes „Zeug“ zu haben. Manche sind so hervorragend ausgestattet, dass sie sich von den Herrschaftsequipagen nur durch die Nummer unterscheiden. Daher bedienen sich reiche Kavaliere häufig der vifen Fiaker Bastards und erheben sie gleichsam zu ihren Leibkutscher Solche angesehene Kunden erregen natürlich mächtiges Selbstgefühl in den Pferdelenkenden Herzen; sie halten sich den pelzverbrämten Kutschern der adeligen Familienhäuser vollkommen ebenbürtig und fremd ist ihnen jene Art Ehrfurcht, mit welcher der Lenker eines vermögenden Mannes einem der Herrschafts- oder gar einem Hofwagenkutscher begegnet.
Es gibt auch Fiaker, die sind aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt. Die Pferde selbst sind so müde gehetzt und abgemagert, dass selbst in Addera kein Streit wegen ihres Schattens entstehen könnte. Auch die Pferdelenker sehen ziemlich schofel und zerlumpt aus, von dem Hut angefangen, der ein regelloses Polygon ist, bis zu den Stiefeln, welche an verschiedenen Stellen leck geworden. Miese Fuhrwerke dieser Gattung fand man gewöhnlich an Orten, wo bereits früher eine Fahrtaxe festgesetzt war, wie des Nachts bei Lokalitäten, in denen Bälle und großartige Feste abgehalten werden, dann bei den Stationsplätzen der Eisenbahnen gleich außerhalb der Linien. Die Fiaker an den Bahnhöfen werden von ihren Kollegen in der Stadt mit Geringschätzung betrachtet und gelten ihnen keineswegs als veritable Fiaker, wenn sie auch dieselben Rechte mit ihnen genießen, und werden mit „Eisenbahnritter“ belegt.
Überhaupt scheint dem Fiaker seine Taxe eine Beschränkung seines Erwerbs, er trägt sie nur mit Widerwillen und hält sie seiner unwürdig; dennoch war es sehr wünschenswert, bei der täglich wachsenden Ausdehnung der Stadt und Vorstädte, dass eine Fahrtaxe für alle Fälle in Anwendung gebracht wurde. Das Publikum wird sich nun häufiger der Fiaker bedienen und den „nummerierten Schaukeln“ - wie sie ein Reisender nannte.
Wenn nun plötzlich ein Ungewitter, ein Platzregen, Schneefall, Tauwetter oder an schönen Sommer- und Sonntagen die Leute schnell einen Wagen mieten, um mit heiler Haut und Kleidung ihre Wohnorte zu erreichen. Unter solchen Umständen stieg seine Forderung um möglichst einen großen Vorteil zu erzielen.
Wie es sich von selbst versteht, ist es dem Fiaker, seine Ausstellungsorte nach Belieben zu wählen, sondern diese sind von der Behörde angeordnet, welche zugleich die Anzahl der diesen oder jenen Plätzen zugewiesenen Fiaker bestimmt. Für den Standort werden von Seiten des Lohnkutscheramtes eigene Befugnisscheine erteilt und zugleich bewilligt, dass diese Befugnis einem anderen übertragen werden dürfe.
Jeder Lohnwageninhaber oder sein Knecht ist verpflichtet, auf dem ihm zugewiesenen Platz stehen zu bleiben und sich von seinen Pferden nicht zu entfernen. Auch ist angeordnet, dass diejenigen Fiaker welche sich zur Mittagszeit auf ihren Stationen befinden, ihre Pferde aus Futtersäcken, keineswegs aber in sogenannten Futtertruhen oder mit Heu füttern dürfen, Es müssen immer eine Anzahl von Wagen und Pferden in Bereitschaft stehen, um das Publikum auf der Stelle dienlich zu sein, Es ist den Fiakern untersagt, Passagiere zu Fahrten zu animieren. Sie stehen unter besonderer Aufsicht der Behörden und daher alle Wagen mit Nummern versehen. Diese Nummern müssen auf drei Seiten in einer gewissen Größe angebracht werden. Fiaker aber, welcher mit einem unnummerierten Fuhrwerk sein Geschäft betreibt, hat bei der ersten Betretungsfall eine Geld- oder Arreststrafe, beim zweiten Mal den Verlust seiner Befugnis zu erleiden. Hatten sie einen Neuwagen erstanden, durften sie drei Tage ohne Nummer fahren.
Um eine Befugnis zu erlangen muss der Bewerber über gute Eigenschaften verfügen. Erstens muss er schon einige Jahre in Wien beim Fuhrwerk gewesen sein und des Pferdelenkens kundig sein. Zweitens muss er über Geldmittel und gute Moralität ausweisen. Drittens darf er nebenbei keinerlei Beschäftigung nachgehen. Hat der Kandidat diese Vorzüge aufzuweisen bekommt er die Fiakerlizenz muss er einen Aufschlag 4 Fl. 40 Kr monatlich für den Wagen dem Lohnkutschersteueramt entrichten. Ihm ist gestattet mehrere Wagen zu besitzen aber er darf nur mit einem fahren. Alle Wagen müssen die gleiche Nummer aufweisen. Dem Fiaker ist schnelles Fahren, unbesonnenes Vorfahren, Trunkenheit und scharfe Züchtigung untersagt. Es gibt noch weitere Anordnungen die für die Sicherheit sorgen. Die Pferde kauft der Fiaker entweder von den Pferdehändlern, meistens von polnischen Juden, oder er nimmt die von der Kavallerie ausrangierten Gäule.
Nun zu seinem Äußeren: Seine Kleidung ist selten proper oder modern, einige elegante Fiaker der Hauptplätze ausgenommen. Als Kopfbedeckung liebt er Hüte mit breiten Krempen, um den Hals schlingt er sich ein Tuch in greller Farbe. Im Winter trägt er einen Mantel. Sein Gesicht ist gerötet nicht nur von der Glut der Sonne, sondern auch von Wein und Bier. Er muss abgehärtet sein um seinen Beruf ohne Krankheit auszuüben.
QUELLE: Illustrierte Zeitung, 20. Oktober 1849,Österreichische Nationalbibliothek ANNO
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