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Einmal um die Welt#

Wien hat weltweit das einzige Globenmuseum und gilt als internationales Zentrum der Globenkunde#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Dienstag, 21. Jänner 2014)

Von

Thomas Trescher


Im Museum sind über 200 Modelle der Erde, des Himmels und des Mondes zu sehen.#

Globen von der Erde
So viel realistischer als Karten: Globen von der Erde, aber auch vom Mond, der Venus und vom Mars.
© Luiza Puiu

Wien. Karten sind sowieso schwierig. Das Erdenrund auf eine Fläche zu projizieren, verlangt Verzerrungen, einen Mittelpunkt und die Entscheidung, wo dieser sein soll. Europa? Amerika? Warum nicht mal Afrika, Australien? Globen, denkt man, sind einfacher. Die verkleinerte Darstellung des Wirklichen; ohne Mittelpunkt, ohne Verzerrung, so wie es eben ist. Aber es ist natürlich alles viel komplizierter. Der Mittelpunkt des Globus heißt Nullmeridian. "Zunächst konnte der Kartograf den frei wählen", erzählt Jan Mokre, Leiter des Globenmuseums, das Teil der Nationalbibliothek ist. "Bei den alten russischen Globen ist es St. Petersburg, bei den französischen Paris. Es gibt einen deutschen Hersteller, dem das alles zu dumm war, der hat ihn in den Pazifik gesetzt."

Die Welt einigte sich zwar 1884 darauf, dass der Nullmeridian in Greenwich bei London liegt, aber das Zentrum der Globenkunde ist 16 Längengrade weiter östlich zu finden - in Wien. "Hier wird seit über hundert Jahren an Globen geforscht. Wien hat weltweit das einzige Globenmuseum und bedeutende Privatsammler, den Sitz der Internationalen Coronelli-Gesellschaft für Globenkunde und hier wird die einzige globenspezifische Publikationsreihe herausgegeben", sagt Mokre.

"Der Globusfreund" erscheint seit 1952 und wird derzeit alle zwei Jahre herausgegeben. Schon zuvor, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, begründete schließlich der Globenforscher Robert Haardt ein Privatmuseum, das 1953 auf ministeriellen Erlass zu einem staatlichen Museum wurde. Haardts Begeisterung für Globen nahm nicht nur, sagt Mokre, "fast schon skurrile Züge" an, sondern er entwickelte auch einen neuen Typ Globus: den Rollglobus, der nicht nur an seiner Achse, sondern beliebig gedreht werden kann. Auch seine Erfindung ist im Museum zu sehen, das seit 2005 an seinem aktuellen Standort im Palais Mollard in der Herrengasse 9 im 1. Bezirk angesiedelt ist.

Himmelsgloben populärer als Erdgloben#

"Ich konnte das Museum völlig neu konzipieren und einrichten", sagt Jan Mokre. "So eine Chance bekommt man nicht oft." Dabei fand er Globen früher eher langweilig. "Sie sind notgedrungen kleinmaßstäbig, das Kartenbild ist deshalb relativ grob und ungenau", erzählt er. Mokre war Mitarbeiter der Kartensammlung der Nationalbibliothek, als ihn der damalige Leiter des Museums, Franz Wawrik, bat, an einer Publikation über Globen mitzuarbeiten. Anfangs skeptisch, konnte er sich doch noch dafür begeistern: "Es geht ja nicht nur um die Kugel, es geht darum, dass Globen eine symbolische Bedeutung über die Jahrtausende haben. Dann weitet sich der Blick", sagt der 53-Jährige.

Rund 200 der etwa 700 Globen der Sammlung sind nun ausgestellt. Nicht alle zeigen die Erde. Himmelsgloben sind historisch sogar früher nachweisbar als solche, die die Erde abbilden. "Schon in der Antike wurden Globen als Modelle beschrieben, insgesamt drei antike Himmelsgloben sind auch erhalten. Nachdem der Anteil der bekannten Erdoberfläche so gering war - etwa zwanzig Prozent -, hat sich der Erdglobus als Modell einfach nicht angeboten", sagt Mokre. Im Gegensatz zum Himmel: Die Globen zeigen Sternbilder - je älter, desto künstlerischer. Auf vielen sind die Symbole aufgemalt, die sie zeigen, der Löwe oder der Schütze etwa. Neben den anerkannten Sternbildern ist da zum Beispiel auch noch eine Katze darunter. "Das ist erst in den 1920ern verbindlich gemacht worden", sagt Mokre. Davor konnte jeder die Sternbilder sehen und darstellen, die er gerne mochte.

Auch eines der beiden wertvollsten Sammlungsstücke zeigt die Sternbilder noch gemalt und nicht abstrahiert: der Himmelsglobus von Gerhard Mercator, dem wichtigsten Kartografen des 16. Jahrhunderts. Das zweite ist das Pendant dazu, Mercators Erdglobus. Den darf man auch drehen und mit dem Finger auf irgendeinem beliebigen Land der Erde stoppen - allerdings nur in seiner digitalisierten Form auf einem Bildschirm vor dem leibhaftigen Globus hinter Glas. Da lassen sich dann auch die wahren Formen der Erde einblenden; der Unterschied zwischen der Vorstellung der Welt im 16. Jahrhundert und den wahren Grenzen von Land und Wasser wird damit sichtbar.

Der Mond als Nebenkriegsschauplatz#

"Der Erdglobus bekommt erst eine echte Bedeutung, als die Menschen auf die Weltmeere expandieren", erzählt Mokre. Die Küste Indiens zum Beispiel ist bei Mercators Globus erstaunlich exakt dargestellt. "Aber großräumig funktioniert es nicht." Amerika ist nur ungefähr dort, wo es sein sollte. "Und es gibt noch Gebiete, die nicht bekannt sind, etwa die Westküste Nordamerikas. Australien fehlte natürlich." Genaue Globen im heutigen Verständnis gibt es erst seit 1870.

Andere entstanden noch später - Mond- und Planetengloben. "Wir haben einen Schwerpunkt darauf gesetzt", erzählt Mokre; außer vom Mond gibt es noch solche von Venus und Mars. "Mondgloben haben zwischen 1960 und 1970 einen unglaublichen Aufschwung erlebt, als die USA und die Sowjetunion beim ,space race‘ den Mond als Nebenkriegsschauplatz gesehen haben."

Ein in Moskau 1961 hergestellter Mondglobus ist - "das wechselt immer wieder mal" - Mokres aktuelles Lieblingsstück: "Er zeigt bereits einen Teil der Rückseite, aber noch nicht den gesamten Mond. Die Daten stammen von einer Raumsonde aus dem Jahr 1959. Der Globus beschreibt damit den Übergang ins Raumzeitalter und ist ein sehr aussagekräftiges Objekt."

Wiener Zeitung, Dienstag, 21. Jänner 2014