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Schweizergarde: Die Waffenschmiede Gottes#

Anfang Mai werden neue Rekruten der Schweizergarde ihren Dienst für den Papst antreten. Erstmals seit 500 Jahren in neuen Rüstungen, die in Oberösterreich gefertigt werden – so wie im 16. Jahrhundert.#


Von der Presse (Sonntag, 15. April 2012) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Norbert Rief


Wir sind hier in Molln in der Nähe von Steyr in Oberösterreich, aber eigentlich sind wir im 16. Jahrhundert. So, wie Johann und Georg hier arbeiten, hat auch schon ihr Urururururururururururururururgroßvater gearbeitet. Wer beim Zählen verloren ging: so, wie ihre Vorfahren vor 500 Jahren.

„Des kannst ned vü anders machen“, sagt Johann Schmidberger recht nüchtern. Wer aus einem Stück Metall ein Schwert, eine Rüstung oder auch einen Steher für einen Gartenzaun schlagen will, der muss das Eisen bearbeiten, wenn es warm ist („heiß“ sagen Schmiede nicht). Nur machen es heute viele mit einer Maschine, oder sie schneiden das Schwert einfach aus einem Stück Metall heraus („kalt“ arbeiten).

Es gibt nur noch ganz wenige, die so wie die Schmidberger Buben in einem dunklen Zimmer stehen und arbeiten, wie man einst gearbeitet hat; die noch die Kunst beherrschen und das Wissen haben, Waffen und Rüstungen so herzustellen wie im Jahr 1520, als die Schmidbergers nachgewiesenermaßen 200 Schwerter an die Burg Hochosterwitz lieferten.

Reise nach Rom. Deshalb ist Molln mit seinen 3500 Einwohnern weit über die Berge hinaus bekannt, die links und rechts aufragen. Und als der Vatikan jemanden suchte, der die Leibwache des Papstes, die Schweizergarde, mit neuen alten Harnischen ausrüsten kann, stieß auch der Heilige Stuhl auf die Schmiedstrasse 17.

„Des is schon was ganz Besonders“, sagt Johann senior, der seit 30 Jahren in der alten Schmiede arbeitet, jetzt aber seinen Söhnen den Vortritt lässt. Der Grund für seinen Stolz ist der Junior, der am Eichentisch im Wohnzimmer sitzt und fast ein wenig verlegen wirkt. „Schmidbergers werden noch im Vatikan sein, wenn wir alle nicht mehr da sind.“

Und das ist die eigentliche Ehre: Erstmals dürfen nämlich Schmiede ihr Werk „signieren“. Rechts unten auf jedem Harnisch sind ein kleines S und GS eingeschlagen, die Zeichen für Johann und Georg. „Wer die jetzigen Harnische der Schweizergarde gemacht hat, weiß man nicht“, sagt der Senior. „Aber wenn einer einen in ein paar hundert Jahren hernimmt...“

Die Rüstungen, die die Schweizergarde bei besonderen Anlässen (zuletzt zu Ostern) trägt, sind aus dem 16. Jahrhundert. Trotz guter Pflege zeigen sich langsam die Jahre, außerdem sind die Menschen heute größer als 1506, als die Leib- und Palastwache des Papstes erstmals ihren Dienst antrat. Also lud man die Schmiede aus Molln 2008 nach Rom ein. Sie schauten sich die Harnische genau an, studierten die Details, fertigten in 700 Arbeitsstunden einen Prunkharnisch für den Kommandaten und überzeugten damit ihn und die Garde.

Wenn am 6. Mai in einer feierlichen Zeremonie im Innenhof des Apostolischen Palastes 26 neue Rekruten schwören, Benedikt XVI. „treu, redlich und ehrenhaft zu dienen“, werden das einige schon in den Harnischen aus dem Hause Schmidberger tun. Bis alle ausgerüstet sind, werden Georg und Johann noch etwa fünf Jahre arbeiten. Dann sollte wieder eine Ruh' sein für 500 Jahre.

140 Stunden brauchen die beiden für einen Harnisch ohne Oberarmpanzer. In geregelter Arbeitszeit sind das fast vier Wochen. „Das gilt für uns ned“, sagt Johann junior. Wenn untertags wieder einmal zu viele Besucher vorbeikommen und die alte Schmiede sehen wollen, dann arbeiten sie halt am Abend länger. Fürs Gasthaus „bleibt koa Zeit“, sagt der 28-jährige Georg. Dabei gäbe es acht in Molln.

Der Harnisch ist am Anfang ein drei Millimeter dickes Blech. Bei 900 bis 1250 Grad wird es in die richtige Form und Größe geschlagen. Dann werden mit einem kleinen Hammer die Dellen herausgeklopft. Noch sieht der Harnisch wie ein recht unansehnlicher Körperpanzer aus. Damit der Stahl glänzt, muss die Rüstung erst händisch gefeilt werden. Am Ende kommt das Schleifpapier, erst das grobe, dann immer feineres, bis man die Schleifspuren nicht mehr sieht. Nach zwei Monaten erhält der Vatikan schließlich eine neue Lieferung mit fünf Harnischen aus Molln (die übrigens nicht mit Kirchenbeiträgen bezahlt werden, sondern von der Schweiz).

Helme gibt es für die Garde keine neuen, die wurden erst 1912 ausgetauscht, auch Schwerter und Hellebarden bleiben die gleichen. Aber auch die macht man in Molln.

Für die Salzburger Festspiele machte man 30 römische Helme, die Münchener Kammerspiele erhielten Waffen, „Bruno Ganz haben wir ausgerüstet“, berichtet Vater Johann, und jede Menge Mittelalterfans. Einen etwa aus Deutschland, der auf einer Burg lebt und sich ein Schwert schmieden ließ um beachtliche 12.000 Euro. „Des war vergoldet“, erinnert sich der Senior, und so schön, dass sie es eigentlich nur ungern hergegeben haben.

Üblicherweise kostet ein einfaches Schwert ab 350 Euro, und wer eines in die Hand nimmt, der erlebt eine Überraschung: Es ist leicht. „A schwers Schwert is a Bledsinn“, erklärt Johann junior. Man habe damit ja kämpfen müssen. Die Annahme, dass Schwerter schwer sind, komme aus Filmen und von billigen Nachbauten, die in Museen stehen oder bei seltsamen Veranstaltungen. Lediglich 1,3 Kilogramm hat ein Schwert, wenn es der 30-Jährige von Hand schmiedet. „Damit kannst was anfangen.“

„Des is mei Lebn.“ Die nächste Schmidberger-Generation läuft in Molln schon über die Wiese. Vielleicht führt sie die lange Tradition fort, der kleine Maximilian hat jedenfalls bereits einen eigenen Amboss. „Es warat scho wichtig, dass des Handwerk ned ausstirbt“, sagt Opa Johann.

Für seine Söhne Johann und Georg war von Geburt an klar, dass sie Schmiede werden. „Mit der eignen Hand etwas zu schaffen“, sagt Johann junior, „is des Höchste. Des is mei Lebn.“

Presse, Sonntag, 15. April 2012