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Am Kongress – ohne Reisestress #

Millionen von Flugkilometern werden abgespult, wenn Forscher aus aller Welt zu einer internationalen Konferenz reisen. Angesichts der Klimaziele wird sich auch der Wissenschaftstourismus ändern müssen. Eine Vision dafür gibt es bereits. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Die Furche (30. Juli 2020)


Zunehmender Flugverkehr hat einem hypermobilen Lebensstil enorme Schubkraft verliehen. Zumindest vor Corona, und nur für bestimmte Schichten, denn das Fliegen ist ungleich verteilt. Eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass 70 Prozent der Flüge von nur 15 Prozent der Bevölkerung in Anspruch genommen werden. Wissenschaftler gehören zweifellos zu den Vielfliegern, denn die scientific community ist eine globale Gemeinschaft: Ein guter Teil der Forscher reist zu Symposien und Konferenzen, zu Feldstudien, zu Seminaren und Vorlesungen an ausländischen Universitäten.

Der Wissenschaftstourismus befeuert somit den Klimawandel. Das verdeutlicht ein aktueller Beitrag im Wissenschaftsjournal Nature am Beispiel der weltweit größten geologischen Konferenz, ausgerichtet von der „American Geophysical Union“: Zur letztjährigen Veranstaltung in San Francisco reisten rund 28.000 Teilnehmer aus aller Welt insgesamt 285 Millionen Kilometer hin und zurück – fast die doppelte Distanz von der Erde zur Sonne. Dabei wurden 80.000 Tonnen CO2 ausgestoßen: Das waren circa drei Tonnen pro Person und entsprach den wöchentlichen CO2-Emissionen einer Stadt wie Edinburgh. Angesichts des Pariser Klimaabkommens, das eine neutrale CO2-Bilanz ab 2050 vorsieht, wird ein solches Reiseaufkommen künftig wohl kaum zu rechtfertigen sein. Wie aber könnte ein alternatives Szenario aussehen, das den notwendigen wissenschaftlichen Austausch im klimafreundlichen Rahmen aufrechterhält? Die Autoren des Nature- Beitrags, die an der Universität Oxford (UK) und Otago in Dunedin (Neuseeland) tätig sind, schlagen dafür ein paar wesentliche Ansatzpunkte vor.

Das beginnt bei der Auswahl des Veranstaltungsorts, bei der künftig auch die Minimierung von Emissionen zu berücksichtigen wäre. Hawaii zum Beispiel ist zwar auch für akademische Treffen eine beliebte Destination, aus Sicht der CO2-Bilanz jedoch ungünstig. Und zentral gelegene Städte wären besser geeignet als solche am Rand eines Kontinents – Wien bräuchte sich hier also auch künftig keine Sorgen zu machen. Um CO2-intensive Langstreckenflüge zu vermeiden, sollten Konferenzen auch virtuell zu besuchen sein. Virtuelle Veranstaltungen bieten schließlich Vorteile gegenüber der Präsenz vor Ort: Die Teilnahme ist billiger und somit attraktiver; Online-Foren erlauben weiterführende Diskussionen unabhängig von Zeit und Ort; und die virtuellen Inhalte können archiviert und frei zugänglich gemacht werden.

Als Nachteil ist jedoch zu bedenken, dass Forschern aus abgelegenen Regionen generell die Präsenz vor Ort erschwert wäre. So müsste man sich wohl Gedanken machen, wie man Wissenschaftler aus der südlichen Hemisphäre besser einbinden könnte. Finanzielle Ressourcen, die seitens der Organisatoren durch virtuelle Kongresse eingespart werden können, sollten dazu dienen, die Teilnahme von Wissenschaftlern aus Afrika oder Südamerika zu erhöhen, fordern die Autoren. Zudem schlagen sie vor, internationale Konferenzen nur noch alle zwei Jahre abzuhalten; in den alternierenden Jahren könnte man die Veranstaltungen vollständig in den virtuellen Raum verlagern. Das würde die Treibhausgas-Emissionen im Zuge solcher Großveranstaltungen längerfristig bereits um die Hälfte reduzieren. Virtuelle Angebote würden aber auch jenen die Teilnahme erlauben, denen es sonst nur schwer möglich ist, aufwändige Kongressreisen auf sich zu nehmen: etwa aufgrund mangelnder Kinderbetreuung, geringer Reisebudgets oder Visa- Beschränkungen. Ebenso könnten internationale Konferenzen mit ähnlichen Themen zusammengelegt werden. Würde man sie noch dazu auf drei Kontinente verteilen, müssten die Teilnehmer nur zum nächstgelegenen Zentrum reisen – zum Beispiel Amerikaner nach Chicago, Asiaten nach Tokyo und Europäer nach Paris. Allein dadurch ließen sich die reisebedingten Emissionen bei wissenschaftlichen Großveranstaltungen um rund 80 Prozent reduzieren, betonen die Autoren. (mt)

Die Furche, 30. Juli 2020


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