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„Wir sind doch alle Spione“ #

Von Mata Hari bis zum Mossad: Wofür braucht man Spione, wie rekrutieren Geheimdienste und wofür brauchen Agenten einen Rabbi? Einblicke in eine Schattenwelt. #


Mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt von der Kleinen Zeitung (Sonntag, 22. November 2015)

Von

Susanne Rakowitz


Spionin Mata Hari
Auf Java und Sumatra lernte sie die Kunst des Tanzes – und ganz Paris lag ihr zu Füßen. Noch heute ranken sich Legenden um die Spionin Mata Hari. Sie war schön, grazil und galt als deutsche Spionage- Wunderwaffe im Ersten Weltkrieg: Mata Hari.
© AP

Die Edelkurtisane spionierte nicht nur für die Deutschen, sondern auch für die Franzosen – was sie letztlich den Kopf kostete. Denn als sich der Schleier hob und der Betrug ruchbar wurde, kannten die Franzosen kein Pardon: Am 15. Oktober 1917 wurde sie wegen Spionage zum Tode verurteilt und im Pariser Frauengefängnis Saint- Lazare hingerichtet. Eine der drei Kugeln, die sie trafen, ging mitten durchs Herz.

Ihr Tod befeuerte den Mythos der gefährlichen Spionin, die als Margaretha Geertruida Zelle in den Niederlanden geboren wurde. Ihr Vater, ein Hutmacher, hatte sie schon als Kindergärtnerin gesehen, doch die lebenslustige 17-Jährige heiratete einen Kolonialoffizier und folgte ihm nach Sumatra und Java. Sie erlernte die Kunst des Tanzes und versetzte als „Mata Hari“ – übersetzt „ Auge des Tages“ – die Besucher der Pariser Salons während der Belle Époque in einen Rausch aus Exotik und Erotik. Hier begründet sich auch ihr Ruf, der bei genauem Hinsehen mehr Legende, denn Wirklichkeit ist. Denn Spionin „H 21“, so ihr Deckname beim deutschen Geheimdienst, soll so gut wie keine relevanten Informationen weitergegeben haben. Ob die Schönheit mit Hang zu Offiziersuniformen nur ein französisches Bauernopfer war, werden die Archive zeigen. 2017, also 100 Jahre nach ihrem Tod, werden die französischen Geheimakten geöffnet und vermutlich so manches Geheimnis gelüftet. Bis dahin kann Hollywood weiterhin den einen oder anderen Schleiertanz vollführen, denn unsere Vorstellung von Spionen ist nicht zuletzt der Traumfabrik geschuldet.

Von Lawrence von Arabien bis James Bond, so glamourös und exotisch, wie Hollywood das Spionageleben bisweilen darstellt, ist es wohl nicht. Aber es ist der Welt der Schatten geschuldet, in der die Geheimdienste operieren. Wer erkennt von außen schon so genau, was Wahrheit und was Erfindung ist? Eine zentrale Frage, die auch die Geheimdienste für sich mit der Rekrutierung von Spionen beantworten. Spione sind – je nach Interessenslage des Geheimdienstes – Teil einer bestimmten Gemeinschaft und somit Träger wertvollen Insiderwissens. Wobei das Prinzip der Spionage zumindest recht einfach klingt: „Informationen über Freund und Feind sammeln, das macht ein Spion“, so Geheimdienstforscher Siegfried Beer. Eine Tätigkeit, die uns in vielen unserer eigenen Lebensbereiche gar nicht so fremd ist. Beer formuliert es überspitzt, trifft aber den Kern: „Spione sind wir alle.“

Wir melden uns bei Ihnen #

Wer jedoch für den einen oder anderen Geheimdienst attraktiv ist, entscheidet man meist nicht selbst, es gilt die Devise: Melden Sie sich nicht bei uns, wir melden uns bei Ihnen. Stichwort: Spezialwissen. Die aktuell vermutlich gefährlichste, aber ertragreichste Spionagetätigkeit: beim IS eingeschleuste Kämpfer. Wem dieses „Abenteuer“ dann doch zu gewagt ist, der kann immer noch als Geheimdienstmitarbeiter anheuern. Längst haben die großen Organisationen wie CIA, SIS (MI6) oder Mossad ihre jahrzehntelange Geheimniskrämerei ad acta gelegt. Mittlerweile wird im Internet aktiv um Nachwuchs geworben – nicht jedoch, ohne die alten Agentenmythen zu entsorgen. So stellt etwa der britische Inlandsgeheimdienst MI5 neben einer umfangreichen Einführung in mögliche Jobprofile klar: „Wir arrangieren keine Attentate.“ Wer sich hingegen für den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 interessiert, ist herzlich willkommen, sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass das bisherige Leben des Bewerbers bis ins letzte Detail durchleuchtet wird – „rigoros, aber fair“, Eltern, Freunde, Ex-Partner inklusive.

Der US-Auslandsgeheimdienst CIA stellt sein Tun sogar mit einem eigenen Youtube-Channel in die Auslage. Gesucht werden Experten, keine Draufgänger. Geheimdienstforscher Siegfried Beer war schon selbst im legendären CIA-Hauptquartier in Langley (Virginia): „Wenn man das Gebäude betritt, dann fühlt man sich wie auf einer Uni. Da sind unzählige kleine Büros, darin sitzen Experten mit den unterschiedlichsten Fachgebieten – Sprachen, Länder, Personen, Technik.“ Nicht umsonst geht die CIA gezielt auf Universitäten und wirbt um Absolventen. Geheimdienste von heute brauchen mehr „Q“ und wenig Bond.

Wie sieht es eigentlich beim heimischen Geheimdienst aus? Immerhin drei Dienste kümmern sich um unsere Sicherheitsbelange: das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das Heeres- Abwehramt (HAA) und das Heeres- Nachrichtenamt (HNA). Offensiv wird nicht um Nachwuchs geworben, denn vor allem bei den Letzteren bedient man sich aus den eigenen Reihen, wie Dietmar Rust vom Verteidigungsministerium bestätigt: „Das Heer ist unser größter Rekrutierungspool, aber es gibt auch die Möglichkeit, Experten von außen aufzunehmen.“ Generell richtet sich die Rekrutierung an den jeweiligen Aufgaben des Geheimdienstes aus. So werden etwa Experten für den Cyberbereich selbst ausgebildet. Für Geheimdienstexperte Siegfried Beer ist das zu wenig. Er bringt ein Vorbild ins Spiel: „In den Niederlanden ist die Regierung draufgekommen, dass man eine Professur für Intelligence Studies einrichten sollte.“ Das würde er auch Österreich empfehlen, denn in vielen europäischen Ländern kann man „Geheimdienst-Geschäft“ längst studieren. Angesichts der aktuellen Bedrohung dürfte den Geheimdiensten die Arbeit so bald nicht ausgehen.

Das weiß auch der israelische Mossad, sein Markenkern: geheimnisvollster Geheimdienst der Welt. Mittlerweile wirbt auch er im Netz um Mitarbeiter. Jedoch ganz so offen wie andere Institutionen ist man im Hauptquartier in Tel Aviv nicht. Was auch immer sich hinter den Mauern abspielt, es sorgt zumindest jeden Sommer für Spekulationen: Erst im August hat die palästinensische Hamas nach eigenen Angaben einen Delfin mit Kamera und Abschussvorrichtung für Pfeile gefangen. Ganz klar ein tierischer Mossad-Mitarbeiter, wie die Hamas behauptet. Warum es im Smartphone-Zeitalter kein Bild davon gibt, bleibt ein Geheimnis. Verbrieft ist jedoch, dass der Mossad über einen eigenen Rabbi verfügt, in Vollzeitanstellung. Er leistet unter anderem religiöse Erste Hilfe bei Auslandseinsätzen – unter anderem bei Themen wie jüdische Speisegesetze oder die Einhaltung des Ruhetags Sabbat. Klar gelöst ist seit ein paar Jahren jedoch die Frage, ob Mossad-Agentinnen Sex mit Terroristen erlaubt ist. Für den jüdischen Rechtsexperten Rabbi Ari Shvat ist die Sachlage klar: Lassen sich dadurch wichtige Informationen für das Land generieren, ist die Verführung erlaubt. Das fällt dann wohl unter das Kapitel Nahkampf.

Klaus Fuchs
Klaus Fuchs
© PICTUREDESK
Thomas Edward Lawrence
Thomas Edward Lawrence
© PICTUREDESK
Anna Chapman
Anna Chapman
© PICTUREDESK

Klaus Fuchs#

Der deutsche Physiker und Kommunist flieht vor den Nazis zunächst nach Großbritannien, danach in die USA. 1950 wird er als Atomspion enttarnt und wegen des Verrats britischer und amerikanischer Atombomben-Entwicklungen zu 14 Jahren Haft verurteilt. 1959 kommt er frei.

Thomas Edward Lawrence#

Der britische Geheimdienstoffizier, Schriftsteller und Archäologe war besser bekannt als Lawrence von Arabien. Im Ersten Weltkrieg war er eine Schlüsselfigur im Aufstand der Araber gegen das Osmanische Reich.

Anna Chapman#

Im Juni 2010 war sie gemeinsam mit neun weiteren Mitgliedern eines russischen Spionagerings in den USA festgenommen worden. Nach einem Agentenaustausch in Wien kehrte sie nach Russland zurück und war schon als Model, TV-Moderatorin und Designerin tätig.

Kleinen Zeitung (Sonntag, 22. November 2015)