Welche Zukunft hat das transatlantische Verhältnis?#
Otmar Höll
Die transatlantischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Westeuropa waren in der Zeit des Kalten Krieges eine selbstverständliche Konstante des guten Verhältnisses „des Westens“ gegenüber der „sowjetischen Bedrohung“. Zwar waren die Beziehungen über die ganze Periode partnerschaftlich, dennoch lag die Führungsposition auf Seiten der Vereinigten Staaten.
Vom alten Selbstverständnis ist heute allerdings wenig zu bemerken. Konflikte und Interessendivergenzen werden sowohl im wirtschaftlichen wie im sicherheitspolitischen und militärischen Bereich sichtbar und so scheint aus heutiger Sicht die Zukunft des Verhältnisses zwischen den USA und der EU ungewiss, sicher ist nur, dass diese Beziehungen weiterhin von globaler Bedeutung sein werden.
Erste Divergenzen traten bereits kurz nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 auf, das gesamte internationale System begann sich tiefgreifend zu verändern. Diese Veränderungen machten auch vor dem lange Zeit tragenden Element des transatlantischen Verhältnisses, der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft (NATO), nicht Halt.
Für viele Experten schien das Weiterbestehens der NATO begrenzt, da ihr das Feindbild, die Sowjetunion, abhanden gekommen war. Tatsächlich hat sich der politische Schwerpunkt des transatlantischen Verhältnisses in den vergangenen 15 Jahren von der NATO weg zur EU hin entwickelt. Meinungsdifferenzen zwischen der EU und den USA bestehen nicht nur hinsichtlich der Frage militärischer Intervention (Stichwort „regime change“ im Irak oder anderswo auf der Welt).
Unterschiede bestehen auch im wechselseitigen Verständnis und im Umgang mit dem Völkerrecht und internationalen Organisationen, im Besonderen mit den Vereinten Nationen, aber auch hinsichtlich wichtiger Fragen wie jener des internationalen Strafgerichtshofes, in Fragen der Biotechnik und Ökologie (Stichwort Kyoto-Protokoll – Reduktion von CO2-Emmissionen), des Umgangs mit dem Problem der globalen Armut und – insbesondere – der wirksamsten Form der Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Zu den wichtigsten Herausforderungen in diesem Jahrhundert zählen die Fragen einer gewissen Verteilungsgerechtigkeit zwischen Nord und Süd, des Umgangs mit den globalen Ressourcen, insbesondere den fossilen Brennstoffen, aber auch der Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Für die meisten dieser wichtigen Fragen werden diesseits und jenseits des Atlantik unterschiedliche Antworten gegeben. Während sich die EU und die europäischen Staaten allgemein stärker für die Autorität internationaler Organisationen, die Stärkung des Völkerrechts und internationaler Standards einsetzen als für ein multilaterales Vorgehen und vorrangig auf Verhandlungslösungen setzen, scheint für die gegenwärtige US-Regierung der Verzicht auf die – zugegebenerweise mehr Zeit benötigenden – Verhandlungslösungen und statt dessen das Vertrauen auf einseitige (oder im Verbund mit einigen befreundeten Staaten) interventionistische Lösungen (auch ohne Rücksichtnahme auf die UNO) im Vordergrund zu stehen.
Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch: