Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Jagdglas aus der Weststeiermark#

Das weststeirische Waldglas besitzt eine nachweisbare tausendjährige Tradition. „Koralpenglas“ wurde bereits seit dem frühen Mittelalter und davor geschmolzen und bearbeitet, die Produkte weitum gehandelt. Bis nach Triest, Konstantinopel oder St. Petersburg konnten solche Handelswege reichen. Die Glaserzeugung prägte somit wesentlich die Kulturlandschaft im Koralpenstock. Wildtiere und die Jagd inspirierten die Glasschleifer bei ihrer Motivwahl – keine Glaskunst ohne Jagdkultur!#


Eine kulturhistorische Spurensuche von Dr. Harald W. Vetter. Aus: DER ANBLICK 9/2017


Erst Detailaufnahmen zeigen, wie hochstehend die damalige weststeirische Glaskultur war, und zeugen damit von der besonderen Kunstfertigkeit der Handwerker. Glasgeschirr war ein gefragter Exportartikel, die Erzeugnisse wurden in ganz Europa gehandelt. Der Niedergang der regionalen Glasfabrikation in den 1920er-Jahren hinterließ stolze Spuren: Schönes Jagdglas!, Fotos: M. GARBER
Erst Detailaufnahmen zeigen, wie hochstehend die damalige weststeirische Glaskultur war, und zeugen damit von der besonderen Kunstfertigkeit der Handwerker. Glasgeschirr war ein gefragter Exportartikel, die Erzeugnisse wurden in ganz Europa gehandelt. Der Niedergang der regionalen Glasfabrikation in den 1920er-Jahren hinterließ stolze Spuren: Schönes Jagdglas!
Fotos: M. GARBER

Die ländliche Welt, vor allem des Koralpengebiets, war noch bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein von einer Vielzahl organischer Wirtschaftsgebilde geprägt. Allem voran gab es da den Braunkohle-Abbau, die Glashütten und den Vertrieb ihrer Erzeugnisse, die intensive Almwirtschaft und die Jagd bis zur Kärntner Seite. An der Schwarzen und Weißen Sulm reihten sich damals noch die kleinen, schindelgedeckten Bauernmühlen.

Holzkohle und Quarzsand aus dem Koralmkristallin gab und gibt es im dortigen alpinen Terrain immer noch genug, doch der Rauch aus den Glashütten ist längst schon abgezogen, ein paar Ruinenreste und einige konservierte alte Glasöfen gibt es noch, aber beispielsweise sind die Trassen der kleinen Glashüttener Waldbahn seit Langem von Baumwurzeln überwachsen. (Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich vor einem guten halben Jahrhundert als „sommerfrischelnder“ Bub versucht habe, die Gleisspuren dort gleichsam auszufährten.) Die Bauern haben sich längst am Tourismus angekoppelt. In etlichen Jahren wird es dort, nämlich auf dem Boden der ältesten steirischen Almwirtschaft, vielleicht ein gigantisches Pumpspeicherkraftwerk mit Stausee geben. Der Technizismus verfremdet ganz ungeniert Kultur und Landschaft, ob wir dies alles noch irgendwann aufhalten können?

Detailaufnahmen zeigen, wie hochstehend die damalige weststeirische Glaskultur war, Fotos: M. GARBER
Detailaufnahmen zeigen, wie hochstehend die damalige weststeirische Glaskultur war
Fotos: M. GARBER

Glaskunst und Magie #

Weite Teile rund um die Koralm waren ursprünglich dem reichen Bistum Lavant unterstellt, das sich im 19. Jahrhundert schließlich nach Marburg verlagerte. Die weltlichen Grund-und Waldbesitzer waren insbesondere Familienmitglieder des Hauses Liechtenstein und sind es teilweise heute noch. Als Sommersitz nahmen sie sich die ursprüngliche und imposante Burganlage, heute Schloss Hollenegg. Adel, Klerus und das aufstrebende Bürgertum, zumeist dem Weidwerk in den großen, reichhaltigen Revieren der Umgebung zugetan, strebten naturgemäß auch in ihren Bewohnungen nach entsprechender Repräsentanz. Und diese drückte sich eben auch in der Glaskunst aus, deren Ursprünge geschichtlich weit zurückreichen. Die großen europäischen Glaskunst-Zentren lagen einst in Schlesien, Böhmen und Venedig. Die Methoden der Glasbläserei, der Veredelung und des Schliffs wurden durch die vielen wandernden Gesellen und Meister rege untereinander ausgetauscht. Überdies hatte die Kunst der Glasmacherei schon immer magische, ja fast dämonische Aspekte aufzuweisen. Wilhelm Hauffs romantische Märchenerzählung aus dem schwäbischen Schwarzwald „Das kalte Herz“ (1827) weist besonders drastisch darauf hin. In den einschlägigen Sagen sind es vor allem auch die sogenannten Venedigermandln, die im heimischen ostalpinen Raum herumstrichen und denen man zauberische Kräfte zusprach. Tatsächlich waren diese jedoch die eher kleinwüchsigen italienischen Prospektoren, welche in den Bergen mittels allerlei unbekannten Geräts nach mineralogischen Lagerstätten suchten.

Kustos Anton Steffan und Mag. Andreas Bernhard
Burgmuseum Archeo Norico Deutschlandsberg. Kustos Anton Steffan (rechts) und Mag. Andreas Bernhard haben eine einzigartige Glasausstellung geschaffen. Hunderte Exponate zeugen von der langen Epoche des „Koralpenglases“.
Fotos: M. GARBER

Glashütten in Glashütten #

Das weststeirische Waldglas besitzt eine nachweisbare tausendjährige Tradition. „Koralpenglas“ wurde bereits seit dem frühen Mittelalter und davor geschmolzen und bearbeitet, die Produkte weitum gehandelt. Bis nach Triest, Konstantinopel oder St. Petersburg konnten solche Handelswege reichen. Sowohl Gebrauchs- als auch Kunstglas wie Trinkgeschirr und Spiegel waren die durchaus begehrten Waren aus dieser Region und somit stolze Ergebnisse von Manufakturen und kleinindustriellen Hütten bis weit in die ehemalige Untersteiermark, wobei die wirtschaftlichen und kunsthandwerklichen Höhepunkte wohl im 18. und 19. Jahrhundert zu sehen sind. Produktionsstätten, die zum Teil auch schon mit Erdkohle feuerten, lagen im Gebiet der Soboth, Bachern und Salla. Glashütten, Lavamünd, St. Vinzenz, Neusoboth, Aibl, Wies, Vordersdorf oder Frauental waren unter anderem die bekanntesten Standorte. Die Arbeit war schwer und sowohl technisch als auch hierarchisch streng aufgeteilt. Glasarbeiter wurden aufgrund der Glasstäube und giftigen Chemikalien zumeist nicht sonderlich alt und teilten so ihr schweres Schicksal mit den Bergleuten unter Tag. Insbesondere darf ebenso nicht vergessen werden, dass damals die Kinderarbeit als etwas ganz Selbstverständliches galt, um der familiären Verarmung zu entgehen. Mit der aufkommenden industriellen Massenfabrikation wurde auch dieser traditionellen Handwerkskunst nach dem Ersten Weltkrieg allmählich ein Ende gesetzt.

Gruppenbild von Glasarbeitern der Wieser Glashütte
Ein kulturhistorisch bemerkenswertes Foto. Gruppenbild von Glasarbeitern der Wieser Glashütte vom 3. September 1905. Jubiläen mussten natürlich entsprechend gefeiert werden.
Foto: M. GARBER
Glasschleifer bei der Arbeit, Grafik um 1900
Glasschleifer bei der Arbeit, Grafik um 1900. Gute Glasschleifer waren gesuchte Kunsthandwerker. Die Arbeit erforderte großes Können, Präzision und Erfahrung. Dieser Beruf war auch der Gesundheit nicht gerade zuträglich.
Foto: M. GARBER

Man zeigt, was man hat #

Im Deutschlandsberger Burgmuseum Archeo Norico ist neben dem Bärnbacher Glasmuseum eine äußerst beeindruckende Sammlung des weststeirischen Waldglases entstanden, wie überhaupt die umfangreiche historische Waffensammlung und die ausgestellten archäologischen Funde dort äußerst sehenswert sind. Mit weit mehr als 5.000 interessanten und kostbaren Exponaten, die fachgerecht präsentiert werden, braucht dieses überregionale Museum durchaus keine Vergleiche mehr zu scheuen.

Burg Deutschlandsberg
Burg Deutschlandsberg
Foto: M. GARBER

Ein Teil der Glasausstellung ist natürlich dem schönen jagdlichen Trinkgeschirr gewidmet, das lange Zeit über herrschaftliche wie bürgerliche Schränke, Buffetaufsätze und Vitrinen zierte, ja es manchmal auch heute noch tut. In ihrer künstlerischen Qualität und technischen Raffinesse stehen sie auch den böhmischen Gläsern in nichts nach. Als Motive dienen die gravierten bzw. fein geschliffenen Abbilder des jagdbaren Wildes, vor allem abspringende kapitale Hirsche, Rehböcke, große und kleine Hahnen und sonstiges Flugwild. Umrahmt und verziert zumeist mit floraler Ausschmückung und sonstigen landschaftlichen Details, sind die Stücke meisterlich mit Gold, Silber und verschiedenen mineralischen Zutaten eingefärbt oder getönt. Viel seltener jedoch ist der Jäger selbst darauf dargestellt. Karaffen, Pokale, Deckelkrüge, Wein- und Likörgläser bilden dabei sozusagen den traditionellen Formelkanon. Gründe zu Erwerb und Geschenk werden vielerlei private und berufliche Anlässe gewesen sein. Immer noch scheinen aber diese kunsthandwerklichen Objekte einen letzten Glanz von Festlichkeit, Erinnerung, ja auch Begehrlichkeit auszustrahlen. Eigentlich kann man sich kaum vorstellen, dass dieses Jagdgeschirr je wirklich benützt worden ist. Es wurde und wird – wie vieles andere auch – vor allem einer bestimmenden Funktion gerecht, nämlich der der Repräsentation und des sozialen Ansehens. Und das Weidwerk bildete zu jenen Zeiten eben dieses genauso ab. Dass solche schönen, edlen und von Hand gefertigten Stücke heute öfters bereits auf diversen Trödelmärkten feilgeboten werden, stimmt doch eigentlich nachdenklich, mag aber vielleicht umso mehr einiges über unsere Gegenwart aussagen.

Archeo Norico – Burgmuseum#

Mit über 5.000 Exponaten in acht exklusiven Ausstellungen garantiert das Burgmuseum Archeo Norico Deutschlandsberg, das im gotischen Bergfried und den daran angrenzenden ehemaligen Wohn- und Repräsentationsgebäuden der Burg Deutschlandsberg untergebracht ist, spannende Museumsstunden.

Glaskunst
Glaskunst
Fotos: M. GARBER

Bildbeschreibungen:

1. Prächtiger und äußerst seltener Weinrömer. Erzherzog-Johann-Pokal zur Erinnerung an „20 Jahre Steiermarks Landwirtschaftsgesellschaft“, deren Gründer der Erzherzog war; Glasfabrik Benedikttal, Bachern, 1840. Das Uranglas besticht durch sein leuchtendes Grün.

2. Rubinroter Bierkrug mit Zinndeckel. Mit Montierung und Mattschnittdekor, zwischen 1870 u. 1880. Das Motiv des abspringenden Rehbocks wurde stereotyp immer wieder wiederholt. Die Technik des Rubinglases war ursprünglich eine typisch böhmische Spezialität.

3. Achtfach facettierter Fußbecher mit feinem Mattschliffdekor. Etwa um 1870. Das Motiv des ziehenden Hirsches war beliebt. Viele Glasschleifer wanderten damals aus Böhmen oder Schlesien ein.

4. Bunter Tschuttera bzw. Flachmann. Erste Hälfte 19. Jh., dargestellt ist Erzherzog Johann. Derartige Memorabilien waren stets beliebt.


Bild 'sim-link'
Austria-Forum Beiträge in ähnlichen Gebieten