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Sauhatz auf einem Altar?#

Der Flügelaltar im Stift Klosterneuburg hat mit der um 1505 geschaffenen Bildfolge die dramatisch gestaltete Gründungslegende des Stifts durch Markgraf Leopold III. zum Inhalt. Die Jagdpassion des späteren Heiligen durfte darin nicht fehlen. #


Mit freundlicher Genehmigung der ANBLICK-Redaktion (September 2022)

Von

Harald W. Vetter


Das Tafelbild „Sauhatz“ zeigt die Klosterneuburger Landschaft mit dem Buchberg. Die besondere Hervorhebung der Landschaft als eigene Bildgattung und die romantisch-poetische Wiedergabe der Stimmung weisen Rueland Frühauf d. J., dessen Hauptwerk der Leopoldaltar ist, als wichtigen Vertreter der Donauschule aus.
Das Tafelbild „Sauhatz“ zeigt die Klosterneuburger Landschaft mit dem Buchberg. Die besondere Hervorhebung der Landschaft als eigene Bildgattung und die romantisch-poetische Wiedergabe der Stimmung weisen Rueland Frühauf d. J., dessen Hauptwerk der Leopoldaltar ist, als wichtigen Vertreter der Donauschule aus.
FOTO: STIFT KLOSTERNEUBURG

Flügelaltäre sind eine typische Sakralerscheinung der Gotik. Sie werden auch „Wandelaltäre“ genannt, weil sie – den jeweiligen religiösen Anlässen gerecht werdend – verschiedene Andachtsszenen der Christenheit zeigen konnten, indem man diesen oder jenen Flügel den Gläubigen als Altaraufsatz präsentierte. Der hochgotische, wohl viertäfelige Leopoldaltar, dessen vermutlich zersägtes Fragment sich im niederösterreichischen Stift Klosterneuburg befindet, ist sicherlich ein sehr bedeutendes kulturhistorisches Zeugnis einer Zeit vor dem großen Umbruch, welcher mit dem Anbruch der Renaissance stattgefunden hat, und bietet uns gleichwohl auch deswegen besondere jagdgeschichtliche An- und Einblicke.

Der Stifter des heutigen Augustiner- Chorherrenstifts Klosterneuburg war Markgraf Leopold III. der Fromme (1073 – 1136), erst 1485 heiliggesprochen, und gilt heute als Landespatron von Österreich, Niederösterreich und Oberösterreich. Der mächtige Babenberger war sogar zur Königswahl auserkoren worden und durch seine geschickte Familienpolitik imstande, seinen Besitzstand als auch die Aufwertung seines Hauses voranzutreiben. Leopold starb übrigens bezeichnenderweise an den Folgen eines Jagdunfalls, möglicherweise durch einen Sturz vom Pferd. Die um 1505 geschaffene Bildfolge hat die dramatisch gestaltete Gründungslegende des Stifts zum Inhalt. Markgraf Leopold III. soll das Stift just an jenem Ort gegründet haben, wo seine Gattin Agnes ihren Schleier verloren und später wunderbarerweise wieder aufgefunden hatte. Der Flügelaltar erzählt also diese „Schleierlegende“ quasi nach, die sozusagen ein „Muss“ vor Leopolds Heiligsprechung zu sein hatte. Für diese Tafelbilder – wohl auf das damals auch übliche Fichtenholz gemalt – wurde daher ein prominenter Künstler der sogenannten Donauschule, nämlich der aus Passau stammende Rueland Frueauf d. J. (wohl 1470 – 1545), beauftragt. Frueauf stand an der Schwelle zur Renaissance, hatte, wie man an diesem Tafelbild ersieht, jedenfalls noch nicht die später übliche Zentralperspektive verinnerlicht, die den Betrachtern zukünftig ein gänzlich neues Raumgefühl zu vermitteln vermochte.

Der eine Seitenflügel, der eine dramatische Szene einer Sauhatz präsentiert (ein weiterer ist dem Ausritt des hl. Leopold gewidmet), besticht einerseits durch seine Farbigkeit und beeindruckende Detailtreue, andererseits durch eine gleichsam fast romantisch vorgestellte Landschaft. Auffällig ist außerdem, dass hier fast nur Laubwald vorherrscht. Den Hintergrund hat der Künstler als Dokument klösterlicher Urbarmachung geschaffen. Dazu ist zu sagen, dass nach neueren Forschungen diese Initiative jedoch meistens von den Bauern und Hintersassen selbst ausging und von den geistlichen Herren lediglich durch ihr Wissen und Organisationstalent befördert wurde. So wurden in den sakralen Herrensitzen beispielsweise umfangreiche Klostergärten angelegt, die oftmals nach antiken Vorbildern den Bauern als Vorbild dienen sollten.

Diese vier Bildtafeln des Altars sind bis heute erhalten geblieben
Diese vier Bildtafeln des Altars sind bis heute erhalten geblieben
FOTO: STIFT KLOSTERNEUBURG

Rueland Frueauf machte seine Sache recht geschickt und eindrucksvoll. Im Hintergrund hat er, wie erwähnt, den auffällig kultivierten „Buchberg“ nahe bei Klosterneuburg dargestellt, im Vordergrund hingegen die aufragenden Felsen der „ungezähmten“ Donau. Mittig wird gerade ein gewaltiger Keiler von mit Halsungen versehenen Hatzrüden gestellt, dessen bedrohliches Gewaff aus dem Bild geradezu aufzublitzen scheint. Drei adelige Herren, umgürtet mit Jagdschwertern, rammen dem Wildschwein soeben ihre Saufedern in die Schwarte. Man vermeint, das laute Klagen der gestellten Sau förmlich zu hören und das Bellen der scharfen Packerhunde noch dazu. Das Erlegen des wehrhaften Schwarzwildes galt zur damaligen Zeit bis weit ins 18. Jahrhundert hinein als besonders mutiges Weidwerken. Oft genug sind dabei Jäger, Pferde und die späterhin durch dicke Lederschürzen und eiserne Stachelhalsbänder geschützten Hunde zu Schaden gekommen. Daher hat der Künstler auch dieses Wildschwein außerordentlich gewaltig in Szene gesetzt, um den äußersten Wagemut der Weidmänner nur noch extra zu betonen.

Auf so manche Zeitgenossen wird dieses Tafelbild möglicherweise etwas ungewöhnlich, ja verstörend wirken, wird es doch als Altaraufsatz jahrhundertelang in spiritueller Verwendung gestanden sein. Nun, Klosterjäger gibt es auch heutzutage noch, und nicht nur in Heimatfilmen. Die geopferte Kreatur ist und bleibt hingegen stets ein ikonografisches Inbild vom Werden und Vergehen des Seins. Die Tafelbilder des Klosterneuburger Leopoldaltars legen davon ein gewichtiges, vor allem auch jagdgeschichtliches Zeugnis ab.


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