Symbole Niederösterreichs#
Landespatron und Landesfeiertag#
von Peter Diem
Fotos: P. Diem
". . . Demnach Wir wahrgenommen/das/dass Fest des Heiligen LEOPOLDI, in Unserem Land Under der Ennß nur an etlichen Orthen/in Ober Oesterreich aber gar nicht/feyerlich gehalten würdet. Und nun es sich in allweeg gebühren will/dass der Heilige LEOPOLDUS, alß ein Patronus und Schutz-Herr Unseres gantzen Lands Oesterreich in demselben durchgehend mit sonderbahrer Andacht geehret/und dessen Fest von allen und jeden Innwohnern und Underthanen Hochfeyerlich gehalten werde. Also seynd Wir auß sonderbahren gegen dem Heiligen LEOPOLDO tragenden Eyffer und Andacht bewogen worden/die Ewige und offentliche Feyrung dieses Fests/an allen und jeden Orthen/Unsers ErtzHertzogthumbs Oesterreich Under- und Ob der Ennß einzuführen/ dergestalten/dass von nun an hinführo zu Ewigen Zeiten der benennte JahrsTag deß Heiligen LEOPOLDI, allenthalben ordentlich und völlig gefeyret werden solle. ..."
Mit diesem kaiserlichen Patent vom 19. Oktober 1663 wurde dem Landespatron der alten österreichischen Kernlande Niederösterreich (mit Wien) und Oberösterreich, dem hl. Leopold, ein kirchlicher Feiertag gewidmet, der 15. November, der Todestag des Heiligen. Floridus Röhrig, der Archivar und Historiograph des Stiftes Klosterneuburg, gibt über den Landesheiligen Auskunft - ohne klerikale Behübschung, ohne Betonung der vielen Legenden um den Landesheiligen.
Floridus Röhrig/Gottfried Stangler u. a., Der Heilige Leopold - Landesfürst und Staatssymbol. Katalog der niederösterreichischen Landesausstellung, Stift Klosterneuburg 1985
Floridus Röhrig, Stift Klosterneuburg und seine Kunstschätze. St. Pölten-Wien 1984
V. O. Ludwig, Der heilige Leopold, Innsbruck 1936
Karl Gutkas, Geschichte des Landes Niederösterreich. 5. Aufl., St. Pölten 1974, 54, Röhrig/Stangler, a. a. O., 18.
Floridus Röhrig, in: Erläuterungen zur Sonderpostmarke „Markgraf Leopold der Heilige". Österreichische Post- und Telegraphendirektion., Wien, 1967
Nach dieser Legende habe ein Windstoß den Schleier der frisch angetrauten Agnes auf dem Söller der Burg am Kahlenberg (!) erfasst und verweht. Neun Jahre später hätten ihn die Jagdhunde in den Donauauen an einem Holunderstrauch entdeckt. Dem Markgrafen sei sodann die Gottesmutter erschienen und habe ihm befohlen, an dieser Stelle ihr zu Ehren ein Kloster zu errichten. Man erinnert sich gerne an diese Legende, wenn man den heute im Brunnenhaus des Stiftes aufgestellten, in Verona aus Bronze gegossenen siebenarmigen Leuchter bewundert, der aus der Gründungszeit der Kirche stammt und schon im Mittelalter „Holunderbaum" (Sambucus) genannt wurde. Von diesem Leuchter wird auch erzählt, dass er Holzstücke von jenem Holunderstrauch enthalte, an dem der Markgraf den Schleier seiner Gattin aufgefunden habe. In der Tat enthielt der Leuchter einen Kern aus blau bemaltem Holunderholz. Dieser wurde aber erst im 17. Jahrhundert eingesetzt, um als Kontrast für die durchbrochene Bronzearbeit zu dienen. Die legendenhafte Beschreibung dürfte vor allem auf die baumartige Form des übermannshohen Leuchters zurückgehen. Wie Floridus Röhrig ausführt (in: Stift Klosterneuburg, 59), handelt es sich bei der Baumform des Leuchters wohl um die theologische Umdeutung der jüdischen Menorah im Sinne von Jesaja 11 („Wurzel Jesse"). Gleichfalls aus der Zeit um 1100 stammen zwei je etwa eine Elle lange Stücke orientalischen Seidenschleiers, die in einem aus Alabasterfragmenten zusammengesetzten Altärchen (ursprünglich 14. Jahrhundert) in der Schatzkammer des Stiftes aufbewahrt werden. In den „Klosterneuburger Tafeln" werden sie als Teil vom Gewand der Gottesmutter beschrieben, andererseits gelten sie als Teil des berühmten Schleiers der Gattin Leopolds III., Agnes.
Heide Dienst, Agnes: Herzogin, Gräfin, Landesmutter. In: Röhrig/Stangler, a. a. O., 24 f.
Im Anschluss an die Überlegungen von Heide Dienst, die im Aussehen des blühenden Holunderbaumes selbst den Ursprung der Schleierlegende sieht, sei ein kurzer Exkurs über die Symbolkraft des Holunders, dieses bescheidenen, in unserer Heimat weit verbreiteten Strauch- oder baumartigen Gewächses gestattet. Er soll zeigen, dass die für (Nieder-)Österreich nicht unwichtige Legende von der Gründung Klosterneuburgs unbewusst auf ein altes Sinnbild, ein von Aberglauben umranktes Ursymbol, zurückgreift.Schon in der Antike als Heilpflanze gebraucht, galt das Berühren des Holunders als Möglichkeit, eine Krankheit loszuwerden. Da der „Holler" als Mittel gegen Hexen und Zauberer angesehen wurde, durfte der Baum nicht gefällt werden. Umgekehrt war aber der „Hollerbusch" dem guten Christen auch nicht ganz geheuer, da sich angeblich Judas an einem Holunderbaum erhängt hat. Nach manchen Versionen der Legende soll auch der hl. Koloman an einem Holunderbaum gehängt worden sein. Bezeichnend für die jahrhundertealte antijüdische Tradition des katholischen Österreich war die im hohen Mittelalter verbreitete Ansicht, der wie ein Schleier blühende Holunderbaum sei ein Symbol für die aus dem gleichen Stamme kommenden Christen und Juden, da seine Blüten süß dufteten (Christen) und seine Blätter bitter schmeckten (Juden). Ein ziemlicher „Holler", der hier über den Holunder verzapft wurde...
An die Markgräfin Agnes erinnert übrigens auch das Agnesbrünnl, 200 Meter nördlich des Hermannskogels, der höchsten Erhebung von Wien (542 Meter), gelegen. In vorchristlicher Zeit angeblich der zauberkundigen Urmutter Freia geweiht, war es von mancherlei Legenden über eine Waldfee umrankt. Bei Aufkommen des Zahlenlottos im Jahre 1752 wurde die Quelle zu einer besonderen Art von „Wallfahrtsort": Vor allem am Tag der hl. Agnes (21. Jänner) vermeinte man, auf dem Grund der Quelle die Glückszahlen zu lesen. Nachdem der Quelle noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wundertätige Kräfte zugeschrieben worden waren, wurde sie 1817 zugeschüttet. 1941 wurde sie schließlich in ein Brunnenhäuschen gefasst.
Zurück zu Leopold III., zurück in die Zeit, als er (noch) kein Heiliger war. Die Verehrung des „milden Markgrafen" nach seinem Tod entwickelte sich zunächst aus der Frömmigkeit des einfachen Volkes. Doch Rudolf IV., der Stifter, der zusätzlich zu seinen politisch-historischen Bemühungen um Gleichstellung mit den führenden Kräften des Reiches nach einem „Nationalheiligen" zur „überirdischen" Legitimation seiner Herrschaft suchte, betrieb die Kanonisierung seines markgräflichen „Urahnen" auf systematische Weise. Der 1358 eröffnete Prozess wurde allerdings erst unter einem weiteren „Österreich-Ideologen", nämlich unter Friedrich III., 1465 weitergeführt und durch die feierliche Erhebung Leopolds zur Ehre der Altäre am 6. Jänner 1485 durch den Papst Innozenz VIII. abgeschlossen. (Die Wahl des Dreikönigstages sollte andeuten, dass Leopold ebenfalls im Rang eines Königs stand.) Die Heiligsprechungs-Feierlichkeiten in Rom sind uns übrigens bis ins kleinste Detail überliefert, genauso wie die 14 Buchseiten umfassende Rede, das „Defensorium canonisationis sancti Leopoldi" des Johannes Franz von Pavinis, die der Advokat am
20. November 1484 vor dem römischen Konsistorium hielt (Röhrig/Stangler, a. a. O., 56 ff.) Die Freigebigkeit gegenüber den Armen, die Gründung von Klöstern sowie die Friedensliebe und Friedenspolitik des Markgrafen wurden als Hauptmotive für die Heiligsprechung ins Treffen geführt.
Die Überreste des ursprünglich in einer Gruft unter dem Kapitelsaal zusammen mit seiner Frau Agnes und seinem ältesten Sohn Adalbert zur letzten Ruhe gebetteten Heiligen wurden in der Folge als Reliquien exhumiert. Die „Translation" oder „Erhebung" des Heiligen wurde im Rahmen eines großartigen Festes am 15. Februar 1506 im Beisein von Kaiser Maximilian I. gefeiert. Dieser war in Erzherzogskleidung erschienen, mit dem „Erzherzogshuetel" auf dem Kopf, in der Hand ein rot-weiß-rotes Windlicht. Damit wollte er sich eindeutig als Nachfolger des hl. Leopold deklarieren. Die Reliquien des Heiligen wurden zum größten Teil in einem Silbersarg geborgen, der allerdings schon 1526 als Beitrag zur Finanzierung der Türkenkriege eingeschmolzen werden musste. Ein neuer Silberschrein erlitt 1810 ein ähnliches Schicksal.
Der Flügelaltar gilt als das am besten erhaltene Kunstwerk des europäischen Mittelalters. Ursprünglich bildete es den Schmuck der Kanzelbrüstung in der Stiftskirche. Nach einem Brand im Jahre 1330 wurde das Werk zum Flügelaltar umgebaut und erhielt seine heutige Form.Die 51 goldenen Bildtafeln (Gruben-und Zellschmelz auf vergoldetem Kupfer) wurden 1181 durch Nikolaus von Verdun nach rund zehnjähriger Arbeit an Ort und Stelle vollendet (Abb. rechts). Der Altar, der in seinen geistigen Wurzeln bis in die Zeit des Klostergründers zurückreicht, teilt die dargestellten biblischen Szenen in Zeitzonen (waagrecht) und typologische Gruppen (senkrecht). Die obere Schädelpartie des Heiligen ruht hingegen in der Schatzkammer des Stiftes in einer kostbaren Einfassung aus Stoff, durch welche allein das Stirnbein sichtbar ist. Sie wird von einer Nachbildung des Erzherzogshutes, ebenfalls aus Stoff, gekrönt. Wie wir einleitend zitiert haben, proklamierte Kaiser Leopold I. (1658-1705) ein Jahr vor seinem Sieg über die Türken bei Mogersdorf (1664) seinen Namenspatron, Leopold den Heiligen, zum offiziellen österreichischen Schutzheiligen. Dieser Sieg und die Befreiung Wiens 1683 wurden auf die Fürbitten des neuen Landespatrons zurückgeführt, was dessen Verehrung enorm förderte. Auch Joseph II., der später nicht nur Klöster, sondern auch Feiertage aufhob, tastete „den Tag des heiligen Leopold als sonderbar zu verehrenden österreichischen Landespatron" nicht an.
Elisabeth Kovacs, Der Heilige Leopold und die Staatsmystik der Habsburger. In: Röhrig/Stangler, a. a. O., 73
Die Wiener Universität wählte lange Zeit ihre Rektoren am 13. Oktober, dem Festtag des hl. Koloman, bis sie im 17. Jahrhundert zumX Leopoldskult überging und die Rektorswahl ab da am 15. November vornahm. In der heutigen Zeit gilt der hl. Koloman (Attribute: Pilgerhut, Strick, Marterwerkzeug) als Wetter- und Bauernheiliger, zu dessen Ehren Umritte und Pferdesegnungen veranstaltet werden. Vergleicht man jedoch Kolomans Vita mit der sich etwa ein Jahrhundert später entfaltenden Leopolds III., so ist verständlich, dass dieser der Vorstellung von einem Nationalheiligen eher entspricht als jener. Sehr passend dazu ist die älteste noch vorhandene bildliche Darstellung des Markgrafen, ein wunderschönes Glasgemälde aus den Fenstern des Brunnenhauses im Stift Heiligenkreuz, das von Leopold III. gestiftet wurde. Die Glasmalerei zeigt den Markgrafen in fürstlichem Gewand, gestützt auf Schwert und Bindenschild. Als Landespatron von Wien, Niederösterreich und Oberösterreich wird der hl. Leopold auch heute noch verehrt; daher auch der beliebte Vorname Leopold(ine), verkleinert zu Poldi und Poldl und besonders durch den berühmten Sohn des Landes Leopold Figl popularisiert.Der 15. November ist als Landesfeiertag zwar nicht mehr generell arbeitsfrei, doch haben Schüler und Landesbeamte in Niederösterreich frei (Niederösterreichisches Schulzeitgesetz 1978, Dienstpragmatik der Landesbeamten 1955). Auch in Wien ist schulfrei. Am n.ö. Landesfeiertag kommen auch die Wiener gerne zum „Fasselrutschen" nach Klosterneuburg, wobei sie in der Stiftsbinderei über die Wölbung des Tausendeimerfasses ( = 56.000 Liter) aus dem Jahre 1704 hinabgleiten - ein alter Brauch, der auf die Ablieferung des Zehentweines zurückgehen soll: Nach dem Eingießen der flüssigen Steuerleistung sollen die tributpflichtigen Weinbauern die Höhe des Fasses auf ihrem Hintern herunterrutschend wieder verlassen haben.
Die Darstellungen Leopolds III. in der Kunst sind überaus zahlreich: Tafelbilder, Deckengemälde, Miniaturen (sie alle sind im oben angeführten Katalog dokumentiert). Die meisten Abbildungen gehen von der ältesten, zweieieinhalb Meter hohen Sandsteinfigur des Heiligen (1470, heute im Stiftsmuseum Klosterneuburg) mit der „klassischen" Darstellungsweise (als alter, bärtiger Mann mit Erzherzogshut und Kirchenmodell) aus. Eine ähnliche Plasti aus Bronze aus 1520, die Leopold unter die Mächtigen der Welt einreiht, befindet sich in der Innsbrucker Hofkirche). Kaiser Leopold I. errichtete 1671 im Judenviertel Wiens an der Stelle einer Synagoge eine seinem Namenspatron geweihte Kirche, die dem Bezirk Leopoldstadt seinen Namen gab. Auch die Kirche auf dem Leopoldsberg stammt aus dieser Zeit. Kaiser Leopold I. ließ 1679 den Grundstein legen. Noch vor ihrer endgültigen Fertigstellung hat dort Marco d'Aviano vor der Entsatzschlacht um Wien am 12. September 1683 die Messe gelesen, bei der ihm der Polenkönig Jan Sobieski ministrierte. Die Kirche wurde erst 1693 ganz zu Ende gebaut und dem hl. Leopold geweiht; gleichzeitig erhielt dieser Teil des Kahlengebirges seinen heutigen Namen „Leopoldsberg". Auf der Kirche am Kahlenberg gibt es nur den sogenannten "Sobieski-Altar".
Anmerkung: Röhrig meint, dass die berühmte Messe von Marco d’Aviano nicht am Leopoldsberg stattgefunden hat, sondern im Tullner Feld (Floridus Röhrig, Klosterneuburg in der Neuzeit bis 1848, in: Klosterneuburg. Geschichte und Kultur, Bd. I. – Die Stadt, hrsg. von der Stadtgemeinde Klosterneuburg, Klosterneuburg-Wien o.J. (1992), S. 244
Bekannt sind auch die beiden Brunnen neben der Pestsäule auf dem Graben in Wien, dem hl. Josef und dem hl. Leopold gewidmet, 1804 von Johann Martin Fischer schwungvoll gestaltet (Bild ganz oben). An der Ecke Herrengasse-Leopold Figl-Gasse befindet sich ein Mosaik des Heiligen, geschaffen von Leopold Schmid im Jahre 1936 (Bild rechts). Weniger bekannt ist der Umstand, dass die nach Plänen von Otto Wagner 1907 geweihte bedeutende Jugendstilkirche am Steinhof ebenfalls Leopold dem Heiligen geweiht ist und diesen und den hl. Severin auf den Fassadentürmchen zeigt (unten).
Sonstige Symbole Niederösterreichs#
Die Integral-Umfrage „Symbole für Österreich", in welcher mittels offener Fragestellung nach den Symbolen aller Bundesländer geforscht wurde, ergab im Falle Niederösterreichs zunächst eine relativ hohe Nennungshäufigkeit für das Landeswappen (s.d.)(10 Prozent - Steiermark 19 Prozent, Tirol 12 Prozent).
Wie auch in den meisten anderen Bundesländern sind es die landschaftlichen Schönheiten, die mit 37 Prozent einen Spitzenplatz einnehmen. Was in den westlichen und südlichen Bundesländern die Berge sind, ist in Niederösterreich jedoch die Donau, die von 12 Prozent als Landessymbol genannt wird (Wien 9 Prozent, Oberösterreich 7 Prozent). Die neue Landeshauptstadt St. Pölten bringt es immerhin auf 11 Prozent Nennungen. Der Wein spielt mit 6 Prozent (Burgenland: 31 Prozent !) nicht jene Rolle, die man vielleicht erwarten würde, wenn man an die Wachau und an das Motiv der Goldhaube denkt, die das 10-Schilling-Stück schmückte. Erwähnt seien schließlich die großen Klostergründungen (Melk, Göttweig, Klosterneuburg, Heiligenkreuz, Lilienfeld, Zwettl), derer wir uns heute vielleicht nicht mehr so stark bewusst sind, deren Rolle für die Entwicklung des Landes Niederösterreich und des gesamten österreichischen Volkes aber nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und deren Symbolfunktion weit über ihren religiösen und kunstgeschichtlichen Beitrag hinausgeht.
Literatur zu Leopold III. (Spiegel-Wissen)
Vgl. auch Stift Klosterneuburg