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Das Erbe des Grafen Cobenzl#

Zur Zwangsräumung des Schlosses Cobenzl: ein Blick auf die wechselhafte Geschichte des Berges.#


Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 10. Jänner 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Alexander Maurer


Anwesen am Cobenzl
Wie ein Märchenschloss präsentiert sich das Anwesen am Cobenzl. Die Stadt Wien hat Eigenbedarf angemeldet.
Foto: © Stanislav Jenis

Wien. Das Schloss Cobenzl steht vor der Zwangsräumung. Das erklärte Umweltstadträtin Ulli Sima gegenüber der "Wiener Zeitung". Eigentlich habe das Areal nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs schon bis Ende des Vorjahrs geräumt sein sollen, jedoch habe man wegen der Weihnachtszeit ein Auge zugedrückt. Denn der bisherige Pächter, Olaf Auer, weigert sich beharrlich, nach 33 Jahren das Schloss Cobenzl aufzugeben, nachdem die Stadt Wien wegen Eigenbedarfs den Pachtvertrag mit ihm gekündigt hatte und nach einem jahrelangen Rechtsstreit schlussendlich der Räumungsklage der Gemeinde stattgegeben wurde.

So sich das Blatt nicht noch unerwartet wendet, wird also demnächst ein weiteres Kapitel geschlossen in der langen Geschichte eines der beliebtesten Wiener Ausflugsziele, das viel mehr als "nur ein Berg" ist.

Als der Cobenzl 1238 zum ersten Mal historisch erwähnt wurde, hätte den stolzen Berg noch niemand so genannt. Damals war er bei der Bevölkerung als "Reysenperge" bekannt und heißt heute auch noch offiziell Reisenberg. Der Name leitet sich entweder vom Reisig ab oder von der Bezeichnung "reisender Berg" und wäre in diesem Fall ein Hinweis darauf, dass häufig Erdreich vom Berg abrutscht.

Von christlicher in adelige Hand#

Damals war bei dem rund eine Wegstunde vom mittelalterlichen Wien entfernt liegenden Berg auch noch lange nicht an ein Ausflugsziel oder Naherholungsgebiet zu denken. Vielmehr betrieb das Stift Zwettl auf den Hängen des Reisenbergs im 13. Jahrhundert Weinbau. Hundert Jahre später war aber schon von den Weingärten des Stifts Klosterneuburg die Rede. Im 17. Jahrhundert ging das Weingartengelände des Stifts Klosterneuburg nach einem langen Streit an den Jesuitenorden. Der Orden hatte ein Jahrhundert zuvor von Kaiser Rudolf II. das ausgestorbene Klarissenkloster in Grinzing zusammen mit dem Dorf- und Berggericht geschenkt bekommen. Die Jesuiten errichteten am Reisenberg erstmals zwei kleine Schlösschen, um ihre Ordensbrüder dorthin auf Sommerfrische zu schicken. Bis zur Auflösung des Jesuitenordens durch den Papst im Jahr 1773 blieb der Reisenberg in religiöser Hand.

Drei Jahre später trat der nunmehr berühmteste Besitzer des Reisenbergs auf den Plan. Graf Johann Philipp Cobenzl, Begleiter Josefs II. durch Frankreich, Staatskanzler, Außenminister und zwischen 1802 und 1805 österreichischer Gesandter in Frankreich. Er erwarb den zum Verkauf stehenden Besitz des ehemaligen Ordens, ließ die beiden Jesuitenhäuser zu einem großen Schloss umbauen und errichtete gleichzeitig eine Meierei sowie einen prachtvollen Garten.

In einem damals unüblichen Akt machte Graf Cobenzl seinen romantisch gelegenen Landwohnsitz der Öffentlichkeit zugänglich. Der Besuch des Juwels war aber nicht gratis, interessierte Bürger konnten Eintrittskarten in Cobenzls Stadtwohnung in Wien erwerben. Die Erlöse dienten wahrscheinlich auch zum Erhalt des Schlosses, da sie direkt in Cobenzls Tasche wanderten. Das zahlende Publikum wurde aber nicht enttäuscht: Wäldchen, seltene Pflanzen, kleine Tempel, chinesische Schirme, kleine Grotten, Springbrunnen, Käfige mit exotischen Tieren und prächtige und ausladende Blumenbeete machten den Ausflug zum Cobenzl für die damalige Bevölkerung allemal wert.

Cobenzl veranstaltete auf seinem Landsitz auch Konzerte, zu denen gelegentlich auch das Kaiserhaus geladen war. Auch viele namhafte Künstler zählten zu den Gästen des Grafen, unter ihnen Wolfgang Amadeus Mozart. Dieser war wohl mehr von der Umgebung als vom Landsitz angetan, wie er seinem Vater in einem Brief mehr als deutlich schrieb: "Das Häuschen ist nichts, aber die Gegend, der Wald, worin er eine Grotte gebaut, als wenn sie von Natur wäre, das ist prächtig und sehr angenehm."

"Wie in dem irdischen Paradiese"#

Auch den preußischen Aufklärer Johann Georg Adam Forster ergriffen beim Anblick der Grotte laut seinen Aufzeichnungen "heilige Schauer". "Ganze Adern von Erz, von Edelstein und Kristallisation in ihren Wänden, ein langsam hindurchziehendes Wasser, ein Felsensitz und dunkle gemauerte Bogengänge", schwärmte er weiter. Auch Graf Karl Zinzendorf konnte sich in seinen Tagebucheinträgen nicht entscheiden, was ihm am besten gefiel: "In der Nähe des Teiches spielte Cobenzl mit den gezähmten Rehen wie mit Hunden. Gethier aller Art umgab uns wie in dem irdischen Paradiese", schrieb er.

Neben dem Schloss waren aber auch die bereits erwähnte Meierei und die angeschlossenen Kuhställe von großer Bedeutung, die laut Erzählungen sehr sauber und in tadellosem Zustand gehalten wurden. Die Meierei wurde zusätzlich durch eine eigene Wasserleitung mit Frischwasser versorgt. Milch, Käse und Schlagobers, die dort produziert wurden, brachte man zum Verkauf nach Wien. Gemeinsam mit dem öffentlich zugänglichen Ausflugsgebiet trug dies dazu bei, dass die Anlagen auf dem Reisenberg bei der Bevölkerung immer mehr bekannt und geschätzt wurden, bis die Wiener ihn nur noch "Cobenzl" nannten, wie sie es auch heute noch tun.

Schlosshotel am Cobenzl
Das Schlosshotel am Cobenzl verfiel nach dem Krieg und wurde 1966 abgerissen.© unbekannt/gemeinfreiDas Schlosshotel am Cobenzl verfiel nach dem Krieg und wurde 1966 abgerissen.
Foto: © unbekannt/gemeinfrei

Grafen, "Zauberern" und Mord#

Das Lustschloss, die Gärten und die Meierei wurden 1809 von französischen Belagerungstruppen geplündert und verwüstet. Ein Jahr später starb Graf Cobenzl, dessen letzte Lebensmonate durch die Zerstörung seines geliebten Landsitzes wohl noch getrübt wurden. In den folgenden Jahren sollte die Urkunde des Cobenzls noch mehrmals den Besitzer wechseln, angefangen bei Baron Franz Simon Pfaffenhofen. Dieser kaufte das Anwesen von Cobenzls Erben, Graf Rudolf Corononi Cronberg und seiner Frau Cassandra. Pfaffenhofen ließ um das Schloss zahlreiche Obstgärten anlegen und Glashäuser erbauen. Auch das Schloss selbst wurde vergrößert und diente nunmehr der vornehmen Gesellschaft als Hotel mit Billardsalons. Das Areal war der Öffentlichkeit aber nicht zugänglich. Ab 1831 wurden auf dem Anwesen auch Volksfeste veranstaltet. Verschiedene Musiker spielten dort zum Tanz auf, der berühmteste von ihnen war wohl Johann Strauß Vater mit seiner Kapelle.

1835 erwarb der Industrielle, Naturforscher und Chemiker Carl Freiherr von Reichenbach das Schloss. Reichenbach hatte sich vor allem durch die Entdeckung des Paraffins, das als Brennstoff in Kerzen und Lampen und zur Versiegelung und Konservierung verwendet wird, fünf Jahre zuvor einen Namen gemacht. Er wandelte das Cobenzl-Anwesen in eine chemisch-physikalische Versuchsanstalt um. Aufgrund seiner Experimente mit Mineralien, Meteoritengestein und Magneten erhielt er von den Wienern schnell den Beinamen "Zauberer vom Cobenzl".

Reichenbachs Ruf begann aber beschädigt zu werden, als er mit Magneten an Epileptikern zu experimentieren begann. Im Mittelpunkt seiner grenzwissenschaftlichen Forschungen stand eine von ihm postulierte Lebenskraft Namens Od - abgeleitet vom nordischen Gott Odin. Diese sollte ähnliche Eigenschaften wie der Magnetismus besitzen und von begabten Personen - den "Sensitiven" - gesehen werden können. Diese Theorien waren wissenschaftlich jedoch nicht haltbar und Reichenbach vereinsamte zusehends, außer einer alten Bedienerin hatte er kein Personal mehr. Aus finanziellen Gründen konnte er Schloss Cobenzl nicht mehr erhalten und 1855 kaufte Johan Freiherr von Sothen das Areal um 130.000 Gulden.

Sothen stammte aus bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen und besaß einen kleinen Laden Am Hof. Dort betrieb er unter anderem Spielkarten- und Losverkauf und später auch die "Ausspielung von Realitäten", nämlich die Verlosung von Gebäuden und Grundstücken in der Lotterie. Dies war trotz des Lottopatents von 1813, das Hausverlosungen verbot, mittlerweile üblich geworden. Sogar das Theater an der Wien wurde zweimal in einer Lotterie als Gewinn ausgespielt. Sothen gelangte so zu einem prächtigen Vermögen - auch wenn gemunkelt wird, dass dabei nicht alles mit rechten Dingen zuging - und eröffnete ein Bank- und Wechselhaus am Graben.

Wo Freud die Eingebung zur Traumdeutung hatte#

Der neue Herr des Cobenzls zeigte sich auch für die Erbauung der nahegelegenen neugotischen Elisabethkapelle "Am Himmel" verantwortlich, die er anlässlich der Hochzeit zwischen Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Sisi 1854 in Auftrag gab. Auch kaufte und erneuerte Sothen 1867 den heruntergekommenen Waldgasthof am Krapfenwaldl und bereits 1849 das Schloss Belle Vue auf der dem Cobenzl vorgelagerten Bellevue-Höhe. Sigmund Freud verbrachte hier später einige Sommer und im Juli 1895 hatte er dort die entscheidenden Eingebungen zur Traumdeutung. Heute erinnert nur noch ein Denkmal daran, das Schloss selber wurde längst zerstört.

Johann Freiherr von Sothen präsentierte sich in der Öffentlichkeit zwar als Wohltäter für diverse Waisen-, Witwen- und Invalidenstiftungen, war aber vor allem auf dem Cobenzl als Ausbeuter seiner Landarbeiter bekannt. Seine Knausrigkeit und Unnachgiebigkeit gegenüber seinem Personal wurde ihm schließlich zum Verhängnis: Als 1881 eine große Typhusepidemie ausbrach und Sothen keine Hilfsmaßnahmen zuließ, wurde er von einem seiner ehemaligen Förster, Eduard Hüttler, erschossen, den er zuvor wegen Lohnstreitigkeiten entlassen hatte. Der verhasste Sothen wurde in der von ihm in Auftrag gegebenen Elisabethkapelle unter Schimpf und Schande der Bevölkerung beigesetzt.

Rekommunalisierung im Jahr 1907#

Das Terrain wurde 1887 vom Konsortium der "Allgemeinen österreichisch-holländischen Baugesellschaft" gekauft. Diese baute das Schloss in ein nobles Hotelrestaurant um. Ausgestattet mit eleganten Speisesälen, einem maurischen Kaffeesalon, einem Bad, einem Turnsaal und Fremdenzimmern, florierte das Etablissement jedoch nicht so, wie vom Konsortium erwartet und wurde deshalb 1907 an die Gemeinde Wien unter Bürgermeister Karl Lueger verkauft.

Bereits 1905 hatte die Stadt Wien den Beschluss gefasst, im Wald- und Wiesengürtel um Wien "auch auf die Anlage einer aussichtsreichen, mit Baumreihen versehenen Hochstraße Bedacht zu nehmen". Diese "Höhen- und Aussichtsstraße", später nur noch als Höhenstraße bekannt, führte als von Grinzing ausgehende "staubfreie Automobilstraße" in Serpentinen auch auf den Cobenzl hinauf. Ihr Bau war der Todesstoß für die Parkanlagen, die so endgültig zerstört wurden. Die Stadt Wien führte das Schlosshotel als Gutsbetrieb, bei dem Ackerbau, Milchwirtschaft und die Versorgung der Stadt im Vordergrund standen.

1912 wurde südlich des Schlosshotels ein Restaurant-Café gebaut, das sich gemeinsam mit dem nahegelegenen Krapfenwaldl großer Beliebtheit erfreute und den Cobenzl langsam wieder zu einem Ausflugsziel machte. 1927 wurden Schlosshotel und Restaurant-Café an Hans Hübner verpachtet. Der Gastronomie-Dynastie gehörten damals unter anderem auch das Parkhotel Schönbrunn und der Kursalon im Stadtpark. Hübner ließ das Schlosshotel 1937 nach den Plänen seines Hausarchitekten Anton Potyka modernisieren.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schlosshotel grün gestrichen und diente als Kommandostelle einer Flak-Division und Lazarett mit angebauten Barracken. Später brachte man Kriegsflüchtlinge in dem Schlosshotel unter und während der Besatzungszeit verfiel das Gebäude immer mehr, bis das leer stehende und heruntergekommene Anwesen 1966 von der Stadt Wien abgerissen wurde.

Ausblick in eine ungewisse Zukunft#

Das Restaurant-Café hingegen wurde von der Familie Hübner als "Hübners Meierei Cobenzl" auch nach dem Krieg weitergeführt. 1952 wurde vor dem Restaurant ein Cafépavillon ("Hübners Bar und Cafépavillon") errichtet, ebenfalls nach den Plänen Potykas. Dieser ist bis heute in Betrieb. Das Restaurant-Café hingegen wurde bis 1974 betrieben. Danach stand es leer und verfiel, bis der südliche Trakt im Jahr 1980 abbrannte.

Dies war aber nicht das Ende des Restaurant-Cafés am Cobenzl. Der Unternehmer Olaf Auer ließ die Brandruine samt Schloss neu aufbauen. "Ich habe allein vier Monate gebraucht, um den Schutt und den Dreck wegzuräumen", sagte Auer vor einigen Monaten im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". In den 1980er Jahren wurde Auer von den Medien noch als "Retter des Cobenzls" gefeiert, 1983 nahm er den Restaurantbetrieb wieder auf und die Stadt Wien schloss mit ihm einen unbefristeten Pachtvertrag ab.

Auer, der einer Salzburger Hoteliersfamilie entstammt, hat nach eigenen Angaben 2,5 Millionen Euro in das Areal investiert und 18 Verfahren gegen die Stadt Wien gewonnen. 2012 meldete das Forstamt, das dem Ressort von Umweltstadträtin Ulli Sima untersteht, Eigenbedarf an und die Stadt kündigte Auers unbefristeten Pachtvertrag.

Während Auer von Schikanen, Verunsicherung der Gäste und Mobbing sprach, zeigte sich die Stadt Wien unzufrieden mit ihrem Pächter, befand das Schloss als nicht mehr zeitgemäß. Die Berufung Auers gegen die Räumungsklage wurde im Dezember 2016 am Obersten Gerichtshof abgewiesen, Auer hatte das Gebäude bis Jahresende zu verlassen. Seitens der Stadt Wien betont man, dass der Gastronomiebetrieb weitergeführt werden soll. Man will das Schloss auf den neuesten Stand der Technik bringen, modernisieren und "touristenfreundlicher" machen. Auch sei eine enge Zusammenarbeit mit dem nahegelegenen städtischen Weingut Cobenzl angedacht. Noch im Jänner will man jedenfalls einen neuen Interessenten finden.

Wie weit das Forstamt, das ursprünglich den Eigenbedarf angemeldet hatte, am Cobenzl vertreten sein wird, ist noch unklar. Die Zukunft des Schlosses, das in den vergangenen Jahrzehnten internationale Persönlichkeiten wie Queen Elizabeth II., den ehemaligen US-Präsident John F. Kennedy, Sir Elton John, den früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan und die Backstreet Boys in seinem Gästebuch verzeichnete, liegt zwar noch im Ungewissen. Die lange Geschichte dieses Wiener Ausflugsjuwels - und vor allem die schöne Aussicht auf die Donaumetropole - bleibt aber.

Wiener Zeitung, Dienstag, 10. Jänner 2017