#
ANMERKUNGEN ZUR TRADITION DER STUBEN – KULTUR
Von Harald W. Vetter
Auf uns gekommene steirische Bauernstuben und solche im gesamten ostalpinen Raum sind längst zu museal gestalteten Reliktformen geworden, übertragen z. B. in das „Österreichische Freilichtmuseum Stübing“ oder noch in situ zu besichtigen am Alpler „Kluppeneggerhof“ Alpl , in dessen harten Kärglichkeit auf 1.150 Meter Seehöhe Peter Rosegger aufwuchs.Ganz am Berufsanfang stehend verbrachte ich eine schöne und interessante Zeit in einem großen ethnographischen Museum und fungierte dort als Assistent des Leiters, mit dem ich heute noch freundschaftlich verbunden bin. Zu meinen Aufgaben gehörten natürlich auch Führungen von Besuchergruppen, deren Stimmungen unterschiedlicher nicht sein konnten, bestanden diese doch etwa aus Reisegruppen, Gesangsvereinen, Schülern, Politikern usw.
Mein Chef riet mir, diese zuerst einmal in einer übertragenen „Geistthaler Bauernstube“, die geschickt ausgeleuchtet war, zu begrüßen und vorbereitend in das Haus einzuführen. Dies hatte zwei vorteilhafte Effekte. Meine Nervosität als Greenhorn wich beinahe augenblicklich, die Besucher hingegen wirkten dann zumeist ziemlich aufmerksam und es herrschte gleichsam fast ein Gefühl von Gemütlichkeit und Romantik. Aber genau Letzteres pflegte ich dann doch aus der „musealisierten“ Stube sozusagen auszutreiben, indem ich von der Schwere des Bauernlebens erzählte, von den Krankheiten, Hungersnöten, den „kleinen Eiszeiten“ z. B. des 15. Jahrhunderts oder den sonstigen sozialen Bedrängnissen und Zwängen.
„Bauernstuben- Romantik“ ist ja ein Begriff, der nicht von Ungefähr kommt. In Romanen, Heimatfilmen, im Theater oder in der darstellenden Kunst bildet dieser zentrale, essentielle Stubenraum tatsächlich so etwas wie einen Ruhepol, einen Ort der Besinnlichkeit. Doch in Wirklichkeit war das Leben in diesem Mittelpunkt des Hofes mehr als konfliktgeladen. Dort hauste nämlich gewöhnlich eine Großfamilie, wenn man einmal vom Austragsstüberl absieht. Der Ofen oder die offene Feuerstelle im Rauchstubenhaus bildete den Mittelpunt des Raums. Ebenso natürlich Tisch und Bänke.
Die Bettstellen waren nah am Feuer oder den erwärmten Wänden, ebenso die Wiege. Grob gezimmerte Stollentruhen dienten zur Aufbewahrung von Kleidung und anderen Utensilien. In den Stubenecken waren Almer (lat. armarium) angebracht, die Vorläufer der späteren Bauernkästen. Als Auszier dienten Tramrose, Tischkreuz, Herrgottswinkel und wenn es hoch kam, ein paar Andachtsbilder.Ofengabel, Brotrem, Regal, Pfannen, Krüge, Zuber und ein weniges an Geschirr gehörten quasi zur Grundausstattung. Das spärliche Licht spendeten Kienspanhalter, Talkkerzen oder Öllampe, denn auch am Tag war es in den Stube eher dämmrig, da die Fenster wegen der kalten Jahreszeit lukenähnlich zu sein hatten. Unter der ohnehin schon recht niedrigen Stubendecke waberte Rauch, der schließlich durch etliche Türauslassungen abziehen sollte, was wiederum vielfach zu Augen- oder Atemwegserkranken der Bewohner führte.
Hier empfiehlt es sich einmal auch, der Herkunftsbedeutung des Wortes Stube nachzugehen: Mhd. stube, ahd. stuba bedeutet „heizbares Gemach bzw. Baderaum“. In jedem Fall wird dies stets mit dem Stubenmittelpunkt in Zusammenhang gebracht, dem Ofen. In dieser, oft sehr beengten Wohnstube spielte sich fast das gesamte häusliche Leben der Bauern ab. Nahrungszubereitung, handwerklicher Hausfleiß, Essen, Schlafen, Liebe, Geburt, Streit, Siechtum und Tod. Am Esstisch durften nur die Hausleute Platz nehmen und die ihnen genehmen Gäste.
Für alle anderen gab es eine gesonderte Bank. Wer ungebeten an die Stubentür klopfte, hatte von der sogenannten Traufenlinie einen Respektabstand zu halten. Das Übertreten der Schwelle ist bis heute sprichwörtlich geblieben. Kurz, der ganze Lebensvollzug zentrierte sich geradezu in dieser Stube, deren Kultur von Ordnung, Strenge, sozialer Kontrolle, Hierarchien und tradierten Gebräuchen geprägt wurde und für uns Heutige fast noch etwas Emblematisches besitzt.
Die „Stuben – Kultur“ in der Steiermark und im gesamten ost- bzw. westalpinen Raum war mit der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts bis auf einige Schwundstufen mehr oder weniger zuende gegangen.
Der große Tiroler Künstler Albin Egger –Lienz kommt einem dabei als malender Zeitzeuge wie von selbst in den Sinn! Viele Zeitgenossen konnotieren die Bauernstube naturgemäß momentan immer noch mit den vorhin erwähnten Klischees vor allem der Unterhaltungsindustrie, aber doch auch mit den Konstrukten einer konservativ gebliebenen Volkskultur.
So kam es etwa ab dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts auch in der Steiermark zu einem regelrechten Run auf „echte“ Bauernstuben-Einrichtungen.
Vor allem die sogenannten Jogl-Tische waren dabei heiß begehrt und sind es immer noch. Die logische Folge davon waren selbstverständlich unzählige Fälschungen, an denen sich so manche Tischlerei gesund gestoßen hat. Das Holz von damals abgerissenen alten Höfen schien aus diesem Grund mit einem Mal wieder heiß begehrt…
Nicht nur im Umgang mit Holz waren unsere Altvorderen bewundernswert. Kennzeichnend ist aber hier insbesondere das Schlichte, funktional Zurhandene. Und man kann ein solches, vermutlich ältestes Zeugnis aus den Alpenregion im „Südtiroler Volkskundemuseum Dietenheim“ bei Bruneck noch bestaunen. Es sind die hölzernen Reste einer frühgotischen Bauernstube.
Die Verklärung der symbolträchtigen „heimeligen“ Architektur und des Ergologischen als Ausdruck von Beharrung, uriger Tradition und intaktem Volksbewußtsein wird auch in der Gegenwart nicht selten ganz assoziativ durch die Werbung bedient oder gelegentlich sogar politischerseits zitiert.
Versucht man jedoch einmal, eine solche Stubeneinrichtung rein „phänomenologisch“, also ohne historischen Kontext auf sich einwirken zu lassen, dann wird mancher vielleicht ob des Exotischen, Fremden, ja des Befremdlichen sehr plötzlich darüber erstaunt sein. Denn das vordergründig Vertraute wird oft auch zum Entferntesten.