Über das Verhältnis von Humor und Kunst #
Das Erhabene, das Geistige, das Sakrale galten lange Zeit als Domänen der bildenden Kunst. Das Humoristische hatte es dagegen ein bisschen schwerer. – Eine Spurensuche.#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 24. Jänner 2013)
Von
Johanna Schwanberg
Humoristische Elemente wurden in Zusammenhang mit bildender Kunst nicht immer geschätzt. Offenbar schien es der Ernsthaftigkeit der Kunst abträglich zu sein, Komisches in den Vordergrund zu stellen. Museumstempel und Humor schienen nicht wirklich zusammenzupassen. Kunst galt es zu verstehen, zu bewundern, nicht zu belachen. Nur wenigen Künstlern vergangener Jahrhunderte wie Francisco de Goya oder Honoré Daumier gelang es, in den Kanon der Hochkultur aufgenommen zu werden, obwohl Satire und Witz ihre Kunst entscheidend bestimmen.
Humor ist zudem stark kontextbezogen. Worüber eine Gesellschaft lacht, was sie komisch findet, hängt entscheidend von den jeweiligen ästhetischen und moralischen Vorstellungen einer Zeit ab. Dies betrifft auch die Kunst. Auch wenn Museen und Wissenschaft humorvolle Kunst lange wenig beachteten, wurde zu allen Zeiten gelacht. So auch in und mit der bildenden Kunst. Nur muss man sich oft auf die Suche nach dem Humor in Bildern machen. Denn selten kommt dieser laut und vordergründig daher.
Lange war man der Auffassung, dass Humor insbesondere in der sakralen Kunst nichts verloren habe. Erst im Laufe der Jahrhunderte und im „langen Übergang vom Kultbild zum Bildkult werden auch die Spuren des Komischen in allen Gattungen immer deutlicher, bis es sogar eine eigene Domäne erobert, die Karikatur“, so Roland Kranz in der Einleitung zu seinem Band „Das Komische in der Kunst“.
Zeichnen gegen Profit- und Machtgier#
Einer, der untrennbar mit Humor in der Kunst verbunden ist und die Karikatur salonfähig gemacht hat, ist der französische Zeichner Honoré Daumier. Als Bildpublizist hat Daumier im Frankreich des 19. Jahrhunderts über 4000 Kreidelithografien gezeichnet. Zu Recht nannte ihn der Schriftsteller Charles Baudelaire einen der „wichtigsten Männer“ – „nicht nur im Bereich der Karikatur, sondern in der modernen Kunst überhaupt“. Daumier fasziniert bis heute. Weil er ein politischer und gesellschaftskritischer Künstler war, der sich für Humanität und geistige Freiheit einsetzte. Ein Künstler, der gegen die Unterdrückung der Armen, gegen Profit- und Machtgier unermüdlich anzeichnete. So versuchen in dem Bild „Patent, Kapital, 3 Millionen“ zwei korrupte Geschäftsleute in Zylinder und Gehrock einen armen Straßenarbeiter und Analphabeten als Strohmann einer Firma einzusetzen. Hinter ihm wollen sie versteckt Gewinne erzielen.
Das Betrachten einer Daumier-Grafik bringt einen aufgrund der grotesken Bildersprache und der witzigen begleitenden Texte immer wieder zum Lachen. Zugleich bleibt einem dieses Lachen aufgrund der ungebrochenen Aktualität sofort im Halse stecken. Gerade die Finanzkrise der letzen Jahre lässt viele von Daumiers Grafiken in Bezug auf maßloses Gewinnstreben, Bankund Aktiengeschäfte beklemmend zeitgemäß erscheinen.
Humor als Rettung vor dem Absturz #
Einen Humoristen der besonderen Art brachte das 19. Jahrhundert auch mit dem deutschen Maler Carl Spitzweg hervor, wie das Ölbild „Der Kakteenfreund“ (1848) zeigt. Ein glatzköpfiger älterer Herr mit Brille und roter Kartoffelnase steht in seiner Amtsstube. Am Fensterbrett eine Menge an Kakteen, denen offenbar die ganze Zuneigung des schreibenden Sonderlings gilt. Einer der Kakteen – und zwar der größte – zieht die Aufmerksamkeit des Büroangestellten auf sich. Er trägt, offenbar überraschend für den Schreiberling, eine rote Blüte. Die Pointe des Bildes ist, dass der leicht gebogene grüne Kaktus und der sich vorneigende Herr mit seiner Glatze einander unzweifelhaft ähnlich sehen. Durch die Parallele zwischen dem Gewächs und dem Stubenhocker ergibt sich ein komisches Moment.
In Spitzwegs Humor schwingt bei all der Unzulänglichkeit, mit der er seine zwanghaften Figuren darstellt, eine liebevolle Zärtlichkeit mit. Mittels der feinen Komik zeigt er Wege auf, auch lächelnd und versöhnlich an die eigenen Schwächen heranzugehen. Der Künstler selbst hat in einem seiner Gedichte Humor als rettenden Baum vor dem Absturz in einen Abgrund beschrieben.
Eine besondere Stellung bekam der Humor in der Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts. Die Dadaisten setzten ihn ein, um sublime Kritik zu üben. Die Surrealisten, um der Wirklichkeit einen Zerrspiegel entgegenzuhalten. Ein Meister des hintergründigen Humors ist etwa der belgische Künstler René Magritte. Häufig bewirkt bei ihm die Verwandlung von einem belebten in einen unbelebten Gegenstand eine subtile Komik, etwa in dem Bild „Philosophische Lampe“ (1936). Oder er verschiebt in anderen Werken die Größenverhältnisse realer Gegenstände so gehörig, dass eine Rose oder ein Apfel kaum mehr in ein Zimmer passen.
Oft entsteht ein komisches Moment beim Betrachten von Magritte-Werken durch die Spannung zwischen bildlicher und sprachlicher Formulierung. So in seinem legendären Gemälde der „Verrat der Bilder“, das er zwischen 1928 und 1966 in unterschiedlichen Fassungen malte. Zu sehen ist eine überdimensionale Pfeife, die durch den leeren Bildraum schwebt. Darunter steht in Schreibschrift geschrieben: „Ceci n’est pas une pipe“, auf Deutsch „Das ist keine Pfeife“. Der Widerspruch zwischen dem gemalten Motiv und dem darunter geschriebenen Satz erzeugt im Betrachter ein Schmunzeln. Warum soll das keine Pfeife sein, wo doch eindeutig eine Pfeife in realistischer Malart zu erkennen ist?
Humor entsteht also hier durch das Nicht- Zusammenpassende, das Paradoxe, das Absurde. Dieser erste Schmunzelreflex wandelt sich jedoch bald zu einem Nachdenken. So komisch ist dieser Widerspruch zwischen Bild und Text gar nicht. Denn tatsächlich ist es keine Pfeife im Sinne eines reales Objektes. Es ist nur das Bild einer Pfeife, also Kunst. Magrittes massentaugliches und zugleich höchst intellektuelles Werk macht deutlich, dass Humor in der Kunst fast nie an der Oberfläche haften bleibt. Dies erinnert an einen Ausspruch des Schauspielers Peter Ustinov, der einmal meinte: „Humor ist einfach eine komische Art, ernst zu sein.“
Souverän angesichts des Todes #
Eine Besonderheit in der Beziehung zwischen Humor und Kunst besteht dort, wo das Lachen des Künstlers selbst zum Thema von Kunst wird. So lächelt Rembrandt van Rijn die Betrachter in seinem späten „Selbstporträt“ aus den Sechzigerjahren des 17. Jahrhunderts mit strahlenden fragenden Augen und einem breit geöffneten Mund an. Oder lächelt er vielleicht sein eigenes Spiegelbild an? Über das geheimnisvolle Lächeln dieses Selbstbildnisses aus dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum rätseln Fachleute seit Jahrzehnten. Die einen sehen in dem Bild eine Darstellung des lachenden Philosophen Demokrit als Gegenpol zu der Figur am Bildrand, die sie als weinenden Heraklit verstanden haben wollen. Die anderen meinen, Rembrandt habe sich hier als antiken Maler Zeuxis dargestellt, der sich angesichts einer hässlichen Alten zu Tode gelacht haben soll.
Interessanter als diese textlastigen Deutungen erscheint die psychologische Komponente dieses Bildes. Rembrandt zeigt sich als vom Leben positiv gezeichneten alten Mann, der nicht mehr allzu lange zu leben hat. Seine Neugierde und vor allem seinen Humor hat er allerdings nie verloren. Er stellt sich als reflektierendes Individuum dar, das über sich selbst, das Dasein und die Kunst nachdenkt. Mit einem unverbitterten Lächeln. Souveräner lässt sich dem Leben wohl kaum begegnen.