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Nicht nur der Herr der Meere#

Das Belvedere präsentiert "Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse".#


Von der Wiener Zeitung (2. Februar 2023) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Brigitte Borchhardt-Birbaumer


Wasserschlangen II (Freundinnen)
Klimts "Wasserschlangen II" (1904/1906-07). (Privatbesitz)
Foto: repro from artbook. Aus: Wikicommons

Die Inspiration, die Gustav Klimt aus Frankreich durch den aufkommenden Expressionismus bekam, ermöglichte ihm, nach der Goldenen Periode und dem Jugendstil, einen großen Schritt in die Moderne zu wagen. Das Archivmaterial klärt uns auch darüber auf, dass gerade seine secessionistische Phase, die heute so beliebt ist, um 1910 nicht mehr aktuell war und die Presse sich den neuen Tendenzen zuwandte, sodass Klimt bei einer Berliner Schau als altmodisch galt. Darum gelingt dieser ersten Ausstellung im 300. Jubiläumsjahr des Belvedere auch, über eingefahrene Klischees der letzten Jahrzehnte hinwegzublicken. Da es sich um eine Kooperation mit dem Van Gogh Museum in Amsterdam handelt, wo die Schau bereits im Herbst zu sehen war, und sich das gemeinsame Forschungsprojekt durch Corona um zwei Jahre erweiterte, waren Verfeinerungen möglich, und darüber hinaus gelang die Auswahl besonderer Leihgaben.

Dabei sind natürlich "Wasserschlangen II" aus Privatbesitz die Sensation, für deren Versicherung nicht einmal die Staatshaftung ausreichend war. Aber auch die Auswahl bei Claude Monet, Edvard Munch, Henri Matisse und Vincent van Gogh ist beachtlich. Das hier restaurierte Bild hängt nun nahe der Erstversion, beide noch beseelt vom Männerbild der Jahrhundertwende, in der nackte Damen mit Blüten vom tierischen Herrn der Meere in ihrem bewusstlosen Strömen beaufsichtigt werden. Durch die fischförmige Signatur Klimts unter einigen, meist erotischen Zeichnungen, sind diese Alter Egos als Erwiderung auf die Femme fatale wie die Schlangen Franz von Stucks unübersehbar. Die goldene Judith entspricht als Angstbild der Männer um 1900 vor den dominanten Frauen natürlich ebenso, wenig verwunderlich im Dunstkreis Sigmund Freuds. Sie versteckten sich vor diesen im goldenen Harnisch des Ritters: hier als Kämpfer am Rappen, aus dem japanischen Nagoya geliehen.

Gustav Klimts 'Johanna Staude' (1917/1918)
Gustav Klimts "Johanna Staude" (1917/1918).
Foto: Belvedere object ID: 4302. Aus: Wikicommons

Der chronologische Aufbau - von Historismus und Symbolismus über die Secessionsphase bis Henri de Toulouse-Lautrec und Auguste Rodin - ermöglicht aber, alle Künstler von Lawrence Alma-Tadema, Jan Toorop, Giovanni Segantini, James Macneill Whistler oder Künstlerinnen wie Margaret Macdonald Mackintosh vor der expressionistischen Wende als direkte Vorbilder zu erkennen. Das einsame Genie Klimt ist somit in seine reale Umgebung zurückversetzt, was eine notwendige Wahrnehmung in der Kunstgeschichte bedeutet, die aktueller ist als die Konstruktion des Weltstars, der er zu Lebzeiten nicht war. Dafür ist den Kuratoren Markus Fellinger (Wien), Edwin Becker und Renske Suijver (Amsterdam) zu gratulieren. Die Gesellschaftsporträts des Malers sind Whistler und John Singer Sargent verblüffend nahe, die späten dann Matisse, dessen "Mädchen mit grünen Augen" aus dem San Francisco Museum of Art nach Wien gekommen ist.

Herzstück der Ausstellung#

Ein Saal mit dem mutigen Sprung des alternden Malers in den Expressionismus der jüngeren Kollegenschaft ist natürlich das Herzstück der Schau, denn hier treffen Klimts Landschaften auf Van Gogh, Monet, Theo van Rysselberghe, George Seurat und Cuno Amiet - über Paul Gauguin und Toulouse-Lautrec emanzipierte er sich völlig vom Goldenen Stil. Was blieb, war die teils schwüle Erotik, die auch in den Zeichnungen und einige Skulpturen Rodins, aber auch bei Aubrey Beardsley offensichtlich im Symbolistischen verharrt. Der Vergleich der unvollendeten "Braut" von 1917/18 mit André Derain ist gewagt, aber nicht ganz von der Hand zu weisen. Da Klimt nicht über seine Arbeit schrieb, sind neu gefundenen Archivalien aufschlussreich und lassen seine starken Eindrücke von den wichtigsten europäischen Künstlern seiner Tage noch besser nachvollziehen, was im letzten Raum auch mit Fotomaterial von früheren Ausstellungen Neues bringt.

Wiener Zeitung, 2. Februar 2023